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Cheerleadergruppe des 1.FC KölnBarbara Weinreich über das Tanzen, Corona und Neid

Lesezeit 7 Minuten

Gründete die Cheerleadergruppe des FC: Barbara Weinreich. Derzeit hat ihr Team wegen Corona allerdings Zwangspause.

  1. Barbara Weinreich gründete 1997 die Cheerleadergruppe des 1.FC Köln. Mittlerweile hat die Gruppe rund 60 Mitglieder.
  2. Vor jedem Heimspiel des FC sorgt sie mit ihrer Gruppe für Stimmung – außer in Corona-Zeiten.
  3. Bernd Imgrund sprach mit ihr nicht nur übers Tanzen.

Köln – Einmal musste das Interview verschoben werden – Barbara Weinreichs Arbeit beim Amt dauerte länger als geplant. Gerade in Krisenzeiten muss die Verwaltung weiter funktionieren. Die Cheerleader des FC hingegen stecken in der Zwangspause.

Haben Sie als Mädchen gern getanzt?

Immer schon, ja. Mit 15 war ich Cheerleader bei den Cologne Crocodiles.

Warum dieses Amizeugs statt Tango oder Rock’n’Roll?

Für mich war Cheerleading vor allem etwas Neues. Beim Tango tanzen nur zwei, beim Cheerleading eine ganze Gruppe. Außerdem kommen bei uns das Akrobatische und die Stunts hinzu. Man kommuniziert mit dem Publikum und braucht einen starken Teamgeist – die Kombination hat mir von Anfang an sehr gefallen.

Wie halten Sie sich zur Zeit fit?

Ich bin in den Außendienst abgeordnet und von daher sehr viel zu Fuß unterwegs. Wir helfen den Kollegen vom Kerpener Ordnungsamt und kontrollieren, ob alle Corona-Auflagen eingehalten werden.

Haben Sie Ihren Mädels Trainingspläne übermittelt?

Wir hatten gerade angefangen, das neue Team zusammenzustellen, als die Hallen geschlossen wurden. Nun haben wir unsere Chat-Gruppe, und die Mädels halten sich zuhause so weit wie möglich selber fit.

Was halten Sie als Vorsitzende der FC-Cheerleader von Geisterspielen?

Wirtschaftlich kann ich das nachvollziehen. Aber ich habe das Match gegen Gladbach im Fernsehen verfolgt. Als Fan finde ich das furchtbar: keine Atmosphäre, keine Gesänge, keine Cheerleader. Wir sehen bei uns zuhause einfach gern Sport. Aus lauter Not haben wir zuletzt ein pakistanisches Cricketspiel geguckt.

Eine Cheerleaderpyramide mit 1,50 Meter Sicherheitsabstand wäre schwierig hinzubekommen.

Es gäbe andere Möglichkeiten, uns würde schon etwas einfallen. Ein Spalier für die Mannschaften wäre auch kein Problem. Ohne Fans wäre es allerdings nicht das gleiche.

Wie wurden Sie FC-Fan?

Ich wurde als Kölnerin da reingeboren. Sowas sucht man sich ja nicht aus.

Zur Person

Barbara Weinreich wurde 1968 in Köln geboren. Nach der Fachhochschule arbeitete sie als Angestellte im Öffentlichen Dienst, zunächst beim Arbeitsamt und später unter anderem bei einer amerikanischen Firma für Cheerleading.

1989 verließ sie Köln gen Kerpen, wo sie seit dem Jahr 2000 im Bürgerbüro beschäftigt ist. Schon als 15-Jährige war Barbara Weinreich Cheerleaderin, damals bei den Cologne Crocodiles. 1997 gründete sie die Cheerleadergruppe des 1. FC Köln, die heute rund 60 Mitglieder hat.

Neben den Auftritten bei den FC-Heimspielen absolvieren die Mädchen und Frauen über hundert Gigs während der Karnevalssession. Von 1997 bis 2011 und wieder seit 2014 ist sie Vorsitzende der FC-Cheerleader.

Barbara Weinreich hat mit ihrem Mann zwei erwachsene Söhne, sie wohnt in Kerpen.

Pierre Littbarski ist vor kurzem 60 geworden. Wer waren als Jugendliche Ihre Lieblingsspieler?

Der Litti war auf jeden Fall dabei. Dieter Müller und Toni Schumacher fand ich auch super. Und als Typ mochte ich Hennes Weisweiler. Mein Bruder hat mich damals mit zum Rathaus genommen, als dort 1978 die Double-Mannschaft gefeiert wurde. Ich trug Zöpfe und hatte einen rot-weißen Schal um.

Wie war die Resonanz, als Sie dem 1. FC Köln vorschlugen, eine eigene Cheerleadergruppe aufzubauen?

1994/95, noch zur Crocodiles-Zeit, waren wir zweimal Deutscher Meister. Mit denen haben wir uns aber dann überworfen. Und als wir 1997 mal eine Zeitlang auf den Jahnwiesen nur für einen Polterabend trainierten, kam jemand vom FC auf uns zu – die waren beeindruckt von unserer Professionalität.

Welche Funktion haben Cheerleader?

Bei Cheerleading-Meisterschaften präsentieren wir ein Zweieinhalb-Minuten-Programm und wollen möglichst weit vorn landen. Beim Spielen des FC sind wir Teil des Rahmenprogramms, das die Sache insgesamt verschönern soll.

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Und nach dem Auftritt geht es ab in die Ehrenloge?

(lacht) Schön wär’s. Wenn der FC uns Karten zur Verfügung stellen kann, freuen wir uns. Aber in der Regel gehen wir nach Hause oder verfolgen das Spiel auf dem Bildschirm im Gang vor unserer Umkleidekabine.

Mit wem haben Sie Kontakt beim FC?

Mit den Spielern haben wir gar nichts zu tun. Und in der Verwaltung haben wir unsere Ansprechpartner. Wir sind im übrigen ein eigener Verein und haben mit dem FC nur einen Kooperationsvertrag.

Hinter Ihrer Show stecken Herzblut und viel Arbeit. Aber kein Spieler kommt mal an und spendiert eine Runde Cola?

(lacht) Wie gesagt, es gibt keinen Kontakt zur Mannschaft. Aber wir haben nicht das Gefühl, dass man uns nicht dankt. Der Lohn des Künstlers ist der Applaus, und in der Hinsicht können wir uns wirklich nicht beklagen.

Da tanzen minderjährige Mädchen mit sehr kurzen Röcken vor einem vorwiegend männlichen Publikum: Was ist an dem Satz falsch?

Zunächst mal sind unsere Mädels über 18. Manche sehen allerdings jünger aus, wir haben zum Beispiel zwei Mittzwanzigerinnen, die nur 1,50 m groß sind. Mehr Männer: stimmt wohl. Und was die Kleidung betrifft: Wenn man sich umsieht, was andere tragen, fallen wir heutzutage nun wirklich nicht auf.

In der letzten Session gab es eine Diskussion um Trainingsmethoden und Körpergewicht bei Tanzkorps.

Das war überfällig, ja. Uns wurde mal Ähnliches nachgesagt, aber wir sind wachsam. Wir brauchen auch keine 90-60-90-Mädels, sondern die Ästhetik, der Gesamteindruck muss stimmen. Mit 1,50 kannst du bei uns keine 100 Kilo wiegen, klar. Aber du musst nicht superdünn sein, um Ausstrahlung zu haben.

Achten Sie auf etwaige Gefahren?

Natürlich. Es gab sogar mal einen Fall von Magersucht. Wir dachten blauäugig, dass Mädchen bekomme das in den Griff. Aber letztendlich, nach Rücksprache mit unserem Teamarzt, musste sie sich in fachärztliche Hilfe begeben. Solche Menschen sind oft klapperdürr, aber vor dem Spiegel fühlen sie sich wie Reiner Calmund. Das ist halt eine Krankheit.

Auch Ihre Stammtänzerinnen müssen jedes Jahr aufs neue zum Casting. Wieso?

Unsere Mädels müssen so zuverlässig wie motiviert sein und wissen, wie man sich benimmt. Niemand soll sich auf seinen Lorbeeren ausruhen können, deshalb testen wir jede Saison Neulinge.

Sie sind genauso streng wie Herr Gisdol?

Kann man sagen. Wir haben halt viele Auftritte und sind stark aufeinander angewiesen. Da muss muss man sich aufeinander verlassen können.

Wer wählt die Songs für Ihre Auftritte aus?

Die Trainer treffen eine Vorauswahl und präsentieren sie dem Vorstand. Die Mädels stehen total auf die kölschen Lieder, die wollen Karneval und FC!

Über 100 Auftritte pro Session, das bedeutet, Sie führen einen stinkreichen Verein.

(lacht) Hätte ich nichts gegen. Aber wir haben da die Jugendgruppe, die finanziert werden muss, dann die Buskosten, die Kostüme und so weiter. Außerdem bekommen die Tanzgruppen im Karneval am wenigsten, da bleibt nicht viel hängen. Zumal wir auch viele Benefizauftritte machen.

2008 las man über die FC-Cheerleader in der Kölner Presse: „Die Puscheltussen gehören nicht in den Kölner Karneval“. Ist das verarbeitet?

Da steckt viel Neid hinter, das juckt uns gar nicht. Wir sind erfolgreich und werden viel gebucht. Über Brings wurde anfangs dasselbe gesagt, und mittlerweile sind sie nicht mehr wegzudenken aus dem Fastelovend.

Im selben Jahr hieß es: „Sonnenbank und mehrere Pfund Make-up lassen grüßen.“

Die Sonnenbank ist hautschädlich, das macht von unseren Mädels keine. Bei Auftritten tragen sie Bühnen-Make-up, wie andere Künstler. Das sieht vielleicht hinter der Bühne extrem aus für so einen Reporter. Aber im Kameralicht nicht mehr.

Was machen Ihre Mädels im richtigen Leben?

Alles querbeet. Eine arbeitet auf der Strahlenstation der Uni-Klinik und benötigt Blutkonserven. Da wird gerade im Chat diskutiert, ob alle gemeinsam dort Blut spenden. Aber wir haben auch Studentinnen, Hotelfachangestellte oder eine Polizistin aus der Eifel.

Warum gibt es keine Jungs bei den Cheerleadern?

Bei den Crocodiles hatten wir noch welche. Aber es ist heute schwierig, Jungs zu bekommen.

Aufnehmen würden sie die aber?

Nicht unbedingt, weil das Probleme nach sich zieht. Dann bräuchten wir eine zweite Umkleide oder müssten die eine im Wechsel besetzen. Die Mädels ziehen sich auch manchmal einfach im Bus um, der Fahrer sitzt ja unten und kriegt da nichts mit. Sagen wir es so: Zur Zeit sind wir vollkommen zufrieden mit unserer Situation.

Abgesehen von der virusbedingten Zwangspause, nehme ich an. Wie sähe die Choreografie eines Corona-Tanzes aus?

Oh je! Ich kann nur sagen, ich bin froh, wenn das vorbei ist. Am meisten vermisse ich die Mädels.