Köln – „Momentan kämpfen wir immer noch ums Überleben.“ Deutliche Worte fand Bernhard Paul, Gründer des Circus Roncalli, bei einer Feierstunde im Kölner Rathaus anlässlich seines 75. Geburtstags am 20. Mai. Die Corona-Zeit habe für seinen Zirkus und viele andere Kulturschaffende praktisch „zwei Jahre Berufsverbot“ bedeutet und große Härten mit sich gebracht. „Es war die Hölle“, so Paul. Er wache heute noch manchmal nachts schweißgebadet auf.
Begleitet von seiner Ehefrau Eliana, der ältesten Tochter Vivian, seinem Sohn Adrian mit Lebensgefährtin Renée sowie einigen Mitarbeitern wurde der Zirkuspatriarch von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Muschelsaal des Historischen Rathauses empfangen, wo er sich in das Gästebuch der Stadt Köln eintrug. Die OB würdigte das Lebenswerk des Österreichers, der 1978 von Wien nach Köln gekommen war, wo er am 4. Juni 1980 erstmals mit seinem Circus Roncalli auftrat.
Seit 40 Jahren fest im Kulturangebot
Reker lobte „die Leidenschaft, mit der Sie für den Zirkus brennen“. Der Circus Roncalli gehöre seit über 40 Jahren fest zum Kulturangebot in Köln, und ein Besuch dort sei „immer eine Inspiration“. Paul habe mit seinem Zirkus „ein lebendes Kunststück geschaffen“, das er immer wieder neu erfinde, und in Köln sei man stolz, dass der Circus Roncalli „gerade bei uns eine Heimat gefunden hat“.
Paul gab das Kompliment gerne zurück. „Köln ist mir ans Herz gewachsen, am meisten die Bevölkerung. Die wichtigsten Dinge in meinem Leben sind in Köln passiert, wie die Geburt meiner Tochter Vivian“, sagte er unter Tränen der Rührung. Und beim jüngsten Gastspiel auf dem Neumarkt, das die Rundschau präsentiert hat, habe Roncalli mit fast 90 000 Zuschauern einen Besucherrekord aufgestellt. „Auf die Kölner kann man sich verlassen“, betonte Paul.
Doch die Lage der Zirkus-Branche sei allgemein sehr schwierig, viele Traditionsunternehmen hätten aufgeben müssen, und momentan sei Roncalli der einzige große deutsche Zirkus, der noch spiele. Man dürfe nicht zulassen, dass dieses Kulturgut verschwinde. „Der Zirkus ist über 300 Jahre alt, und jetzt stirbt er gerade. Das darf nicht passieren.“ Er werde weiterhin dafür kämpfen, den Zirkus endlich als Kulturbetrieb einzustufen und nicht als bloßes Gewerbe, wie es leider immer noch der Fall sei.
Das könnte Sie auch interessieren:
Paul äußerte auch kritische Töne in Richtung Stadt. Er verwies darauf, dass die Stadt Düsseldorf von seinem Zirkus keine Platzmiete nehme, und sprach über den geplanten Brunnen auf dem Kölner Neumarkt, der künftige Gastspiele hoffentlich nicht verhindern werde. In Bezug auf das von ihm in Mülheim geplante Zirkusmuseum sagte der Roncalli-Gründer: „Ich hoffe, dass ich unbürokratisch Hilfe kriege.“ Er habe auch eine herausragende Beatles-Sammlung, inklusive John Lennons erster Gitarre. Reker erklärte, ihr habe seine Idee eines Zirkusmuseums von Anfang an gefallen. „Ich bin ganz sicher, wir kommen jetzt mit dem Projekt voran. Ich glaube, dass ich das noch im Amt begleiten kann“, sagte Reker mit Blick auf ihre bis 2025 laufende Amtszeit.