Nach zwei Jahren im digitalen Format startete die Spielemesse wieder mit Veranstaltungen und Events auf dem Kölner Messegelände.
Ein Rundgang durch die Welt der Videospiele.
Köln – Niemand interessiert sich für die maskierte Gestalt mit dem Maschinengewehr. Die vielen Menschen gehen einfach an ihr vorbei. Keiner nimmt Notiz von ihrem schnellen Gang und den breiten Schultern. Oder den weißen Streifen auf der schwarzen Maske, wie sie die Protagonisten im Videospiel Army of Two tragen. Dieses Cosplay, wie die Art sich nach Spielfiguren zu kleiden genannt wird, erzeugt hier keine Aufmerksamkeit – Standard auf der Spielemesse.
Ganz im Gegensatz zur großen Wand in der Halle 7 der Kölner Messe. Hier bleiben viele Besucher der Gamescom stehen. „Skull and Bones“ steht dort geschrieben. Über ihren Köpfen wird ein Video an die Wand projiziert. Ein Mann mit lockigem Haar und Tattoo auf der Brust steuert darin ein Piratenschiff. Die Wellen schlagen hoch. Bomben werden abgefeuert. Das hören und fühlen die Besucher – der Boden bebt ein bisschen vom Bass. Unten in der Wand ist ein kleiner Eingang, wo auf auf Englisch „Hier eintreten“ steht. Was genau dahinter passiert, ist nicht erkennbar.
Viele begleitet noch die Angst vor Corona
Einige Menschen stehen in der Schlange davor und warten. Was es mit dem Spiel auf sich hat? Eine blonde Frau mit Kleid und Brille zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht genau, wollte aber immer mal nachsehen.“ Sie ist alleine zur Gamescom gekommen. „Es ist ein bisschen trostlos ohne meine Freunde, aber die hatten alle Angst vor Corona“, sagt sie. Zur Gamescom kommt sie regelmäßig. Es sei schon ein gutes Gefühl, dass die Messe nach zwei Jahren auch wieder als Veranstaltung vor Ort stattfindet. „Aber andererseits: Ich bin niemand, der viel nach draußen geht, ich habe die Pandemie gar nicht so mitbekommen“, sagt sie und lacht dabei.
Dann setzt sich die Schlange in Bewegung. Durch die Tür treten die Menschen in eine Art Kinosaal. Große Bassboxen hängen von den Wänden. Ein paar Holzkisten und das Steuer eines Piratenschiffs stehen unter der großen Leinwand. Als etwa 200 Menschen auf den Stufen sitzen, schließen sich die Türen. Ein Mann mit Mikro stellt das Spiel vor. Als „düstere Piratenfantasie“ mit einzigartiger Umgebung wird das Spiel „Skull and Bones“ beschrieben, mit einem „Open-World“-Konzept. Das bedeutet, dass die Spielenden in dieser Welt überdurchschnittlich viele Möglichkeiten haben, und nicht einer festgelegten Geschichte folgen müssen. Wer möchte, kann Piratenschlachten auf offener See ausfechten, nach Schätzen suchen oder als Auftragsmörder umherstreifen. Alleine oder mit anderen Spielern.
Der Film beginnt und gibt einen Einblick in die Piratenwelt. Fertig ist das Spiel noch nicht. Hier gibt es nur Ausschnitte zu sehen. Alles noch in der Entwicklung. Nach der Vorführung gibt es viel Applaus. Draußen sagt ein Mann aber zu seinem Begleiter: „Also die Grafik war scheiße und langweilig war es auch.“ Geschmackssache also. Wie so vieles auf der Gamescom.
Vielen scheint das Konzept von Simulationsspielen zu schmecken. Und davon gibt es einige. Wie den Landwirtschaftssimulator, dessen Spielbereich in der Halle nicht zuletzt an einem echten grün-gelben John Deere-Traktor zu erkennen ist. Dahinter sitzen Jungen und Mädchen vor Bildschirmen, auf denen sie aus Fahrerperspektive einen Traktor steuern. Ein paar Meter weiter sind es Baustellen, wo die Spielenden mit dem Kran Bauteile durch die Luft heben. Daneben wiederum der Polizeisimulator. Und ja, auch der mittlerweile dritte Teil des Ziegensimulators wird bei der Gamescom vorgestellt.
Was fasziniert die Menschen so an Simulationsspielen? In der Schlange zum Baustellensimulator sagt ein Mann mit braunen kurzen Haaren und grünen Augen: „Ich finde gut, dass man mal etwas völlig anderes unter realen Bedingungen ausprobieren kann. Sonst hat man nun mal einen festen Beruf und kann nicht einfach auf mal einer Baustelle arbeiten – hier geht das aber.“ Ein paar Stunden etwas völlig anderes zu tun, fasziniere ihn, sagte er. Ist das nicht der Sinn beim Zocken, mal in eine andere Welt abzutauchen? „Ja, auf jeden Fall.“ Noch besser sei es, auf der Messe vor Ort neue Dinge auszuprobieren. „Ich hoffe, dass ich mir so viel wie möglich ansehen kann.“ Etwas, worauf er sich besonders freut, gebe es nicht, sagt er. „Es ist schon gut, dass jetzt wieder alles live stattfindet. Das Drumherum gehört mit dazu – eben diese Festival-Atmosphäre.“ Dann ist er an der Reihe, den Bagger zu steuern.
Mit dem „Urvater der Videospiele“ in die Vergangenheit reisen
Ein Stockwerk höher steuert ein Mädchen vor einem Bildschirm gerade einen Ritter auf einem Pferd. Er reitet durch eine verschneite Landschaft, in der Ferne andere Reiter. Manche beschießt die Spielerin Pfeilen. Andere scheinen ihre Mitspieler zu sein. „Mount and Blade 2 - Bannerlord“ heißt das Spiel. „Das spielt in einer mittelalterlichen Fantasiewelt“, sagt ein Mann am Stand, der das Logo des Spiels auf seinem T-Shirt trägt. In dieser Welt könne man sich entscheiden, ob man etwa Schlachten als Strategiespiel – ähnlich wie beim Schach – spielt, oder als ein erfundener Charakter umherläuft und Abenteuer erlebt, wie bei einem Rollenspiel. „Und zwar unter komplett realistischen Bedingungen.“
Die Realität abbilden, wollen offenbar auch die vielen Grüppchen, die sich an den großen Bildschirmen vorbeischieben und sich dabei von kleinen Bildschirmen filmen lassen. „Wir sind hier live bei der Gamescom“, sagt einer in die Kamera. Andere probieren auf einer Bühne Spiele aus. Ein Mädchen mit roten Haaren sitzt an einem PC, dessen Bildschirm auf einer Leinwand abgebildet wird. Davor stehen ein paar Menschen, die konzentriert auf den großen sprechenden Kürbis sehen und abwarten, was wohl als nächstes passiert.
Was in Halle 10 im sogenannten „Retro“-Bereich passiert, verraten viele Besuchende selber lautstark. „Guck mal, da gibt es Pong“, ruft ein ein Mann Mitte zwanzig, mit Pferdeschwanz und Brille. „Wie geil“, ruft sein Begleiter. Und schon stehen die beiden vor einem Bildschirm, auf dem sie mithilfe zweier analoger Knöpfe einen Punkt von einer auf die andere Seite des Bildschirms spielen. Pong wurde im Jahr 1972 vom Unternehmen Atari veröffentlicht und gilt als Urvater der Videospiele. Und da ist es auf dieser Etage in guter Gesellschaft. Ein Mann an einem Flipper. Ein paar Jungs tanzen auf einem leuchtenden Boden eine Abfolge von Schritten nach, die in ihnen auf einem Bildschirm angezeigt werden.
Ein paar Meter weiter ist ganzes Kinderzimmer nachgebaut, wie es in den 90ern wohl tausendfach in Deutschland zu finden war: Orangene Ikea-Sofas, in der Ecke eine rote Lavalampe. An den Wänden: Poster von Blümchen und der Band Die Ärzte. Darunter ein alter Fernseher, auf dessen Bildschirm ein Frosch und Affe ein Rennen fahren. Sie werden gesteuert von zwei Männern, deren Finger flink die Hebel an den Controllern bedienen. Mario Kart scheint sie so sehr in den Bann zu ziehen, das sie auch die vier blauen Aliens neben ihnen nicht bemerken, auf deren Raumanzügen „Destroy all Humans“ (auf Deutsch: Zerstört alle Menschen) steht. Aber für die interessiert sich hier auch sonst niemand – Standard eben.
Die Gamescom 2022: Nach zwei Jahren wieder in der Kölner Messe
Nach zwei Ausgaben ohne Publikum begann am Mittwoch in Köln wieder die Videospielmesse Gamescom. Den Startschuss gab bereits am Abend zuvor die „Opening Night Live“ mit einer zweistündigen Show. Die Messe beginnt wie gewohnt mit dem Fachbesuchertag, zu dem nur Medien und Branchenpublikum sowie Menschen mit einer sogenannten Wildcard zugelassen werden. Am Abend eröffnete Ministerpräsident Hendrik Wüst die messe offiziell. Von Donnerstag bis Sonntag ist die Gamescom dann für alle geöffnet. Veranstalterangaben zufolge ist der Samstag bereits ausverkauft. Eine erwartete Besucherzahl hatten die Koelnmesse und der Verband Game vorab nicht mitgeteilt. Allerdings sollte das Ticketkontingent kleiner ausfallen als in den Jahren vor der Pandemie, als bis zu 370 000 Menschen die Gamescom besucht hatten.
Auch das Angebot an Ausstellern ist reduziert: Branchengrößen wie Electronic Arts, Sony, Nintendo und Activision Blizzard, die sonst teilweise ganze Hallen füllten, haben ihre Teilnahme abgesagt. Insgesamt sind rund 1100 Aussteller aus 53 Ländern angekündigt. Während der Pandemie war die Messe auf ein digitales Format ausgewichen. Elemente davon bleiben bestehen oder wurden für das Hybrid-Event ausgebaut. (dpa)