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„Mir konnte nichts Besseres passieren“So funktioniert die Rework-Abteilung bei Ford in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Wilfried Eschweiler

Nach und nach kontrolliert Wilfried Eschweiler die Qualität von Fensterdichtungen, die später in den Autos verbaut werden.

Wilfried Eschweiler ist Teil des Rework-Teams bei Ford in Köln. Die Abteilung hilft Mitarbeitern nach einer Krankheit, sich wieder in den Arbeitsalltag zu integrieren und bietet weniger stressige Arbeitsplätze.

„Hier bleibst du nicht.“ – Das war Wilfried Eschweilers erste Reaktion, als er 2021 in der Rework-Abteilung der Kölner Ford-Werke begann. Gemeinsam mit elf weiteren Kolleginnen und Kollegen arbeitet er in diesem speziellen Team, das zur Wiedereingliederung von Mitarbeitenden nach einer Krankheit eingerichtet wurde. Doch was für ihn zunächst nach einer Übergangslösung aussah, hat sich zu einer neuen Chance entwickelt – und zu einem Arbeitsplatz, an dem er bis zu seinem letzten Tag bleiben möchte.

Für Wilfried Eschweiler (58) begann die berufliche Veränderung mit einer ernsten gesundheitlichen Krise. Er leidet an mehreren Krankheiten. Angefangen, so berichtet er, habe es mit einer bakteriellen Vergiftung in den Beinen, bei der er fast ein Bein verlor. Hinzu kam eine Herzkrankheit. Mittlerweile leidet er unter anderem an Arthrose in beiden Knien, der Hüfte, Schulter. Er hat einen Schwerbehinderten-Grad von 60 Prozent plus G, eine erhebliche Gehbehinderung.

Rework bei Ford: Wenn das Leben andere Wege geht

Als die gesundheitlichen Einschränkungen größer wurden, merkte Wilfried Eschweiler, „dass das nicht mehr lange gut geht mit dem alten Job“. Nach fast 40 Jahren in der Lackiererei musste er sein Leben ändern. Er bekam die Chance, eine Ausbildung zur Fachkraft für Lager und Logistik zu absolvieren. Eschweiler: „Ich war froh, dass die Firma mir die Möglichkeit gegeben hat, vor allem in meinem Alter, noch mal einen Beruf zu lernen.“ Damals war er 54. So fand er seinen Platz in der Rework-Abteilung.

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Wenn ein Mitarbeiter wie Wilfried Eschweiler gesundheitliche Probleme hat, wird das Disability Management (Management zur Wiedereingliederung erkrankter Beschäftigter) eingeschaltet: „Wir schauen zum einen, ob der aktuelle Arbeitsplatz ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist“, sagt Disability-Managerin Jennifer Pütz. Also ein Arbeitsplatz, der zu den Fähigkeiten des Beschäftigten passt. Passt er nicht, gebe es unter anderem die Möglichkeit, innerhalb des eigenen Fachbereichs den Arbeitsplatz zu wechseln. „Im ersten Schritt versuchen wir es immer mit Hilfsmitteln oder Arbeitsumstellung, um den alten Arbeitsplatz zu erhalten“, sagt Pütz.

Rework bei Ford: Vielfältig und abwechslungsreich

Die Arbeit im Rework-Team ist vielfältig und in verschiedenen Fachbereichen möglich. „Die meisten meiner Kollegen sind in der Qualitätskontrolle tätig“, so Eschweiler. Dort werden Bauteile geprüft, kontrolliert oder auch komplettiert. Eschweilers Hauptaufgabe liegt jedoch im logistischen Bereich. Mit dem Gabelstapler oder Trailer transportiert er Material, bringt es an seinen Platz oder lagert es wieder ein.

Wie unterscheidet sich die Arbeit in der Rework-Abteilung von anderen Tätigkeiten? Sie sei vor allem weniger stressig, so Wilfried Eschweiler. Man könne sich auch mal hinsetzen, sagt er. „Es wird das gemacht, was die Leute auch können.“ Das sehe vielleicht für den einen oder anderen spielerisch leicht aus, „wir wissen aber, dass wir auch viel Verantwortung haben“. Denn die Bauteile, die er und seine Kollegen auf Qualität überprüfen, werden später in den Autos verbaut.

Sein Arbeitstag beginnt meist mit einem Team-Meeting, in dem Aufgaben verteilt und der Tag geplant werden. Am Ende der Schicht erfolgt die Übergabe an die nächste Schicht. „Ich wurde sehr nett aufgenommen, wir haben ein super Verhältnis unter den Kollegen, das passt alles“, sagt er.

Auch hier gilt: Aller Anfang ist schwer

Trotzdem war der Einstieg nicht leicht. „Die Herausforderung war, dass ich mich am Anfang unterfordert gefühlt habe“, gibt er offen zu. Deshalb konnte er sich damals nicht vorstellen, in der Abteilung zu bleiben. Doch mit der Zeit fand er sich in der neuen Arbeitsumgebung zurecht.

Mit zwölf Arbeitsplätzen ist das Rework-Team laut Jennifer Pütz „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Insgesamt gebe es in der Fertigung in Köln-Niehl 2500 Beschäftigte. Es gebe allerdings noch weitere Möglichkeiten, wie man Mitarbeiter mit Einschränkung integrieren könne. Das seien jedoch keine ausgewiesenen Bereiche wie die Rework-Abteilung. „Wir versuchen primär, Mitarbeiter wieder in die Produktionsarbeiten zu integrieren“, erläutert Pütz.

Es gebe in jedem Fachbereich der Produktion Arbeitsplätze mit einer etwas geringeren Auslastung oder etwas leichterer körperlicher Arbeit. In manchen Bereichen könne man zudem eher eine Stehhilfe oder einen Stuhl platzieren.

Heute ist Wilfried Eschweiler zufrieden – beruflich und gesundheitlich. „Mir konnte nichts Besseres passieren“, sagt er und fügt hinzu: „Mir geht es besser.“ Der Wechsel in die neue Abteilung habe ihn entlastet. Vorher habe er oft Schmerzen gehabt und Ausfälle – „wenn es dann gar nicht mehr ging“. Das ist nun nicht mehr so. Er könne seine Aufgaben in einem „leidensgerechten“ Umfeld erledigen.

Offenheit dem Arbeitgeber gegenüber

Auch seinen Vorgesetzten könne er sich problemlos anvertrauen. Und genau das ist auch sein Rat an andere Beschäftigte mit gesundheitlichen Problemen: „Ich würde jedem raten, das Gespräch mit seinem Vorgesetzten zu suchen.“ Viele Betroffene würden verschweigen, dass es ihnen nicht gut gehe.

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) der Ford-Werke basiert auf fünf Säulen. Neben Arbeits- und Gesundheitsschutz und Gesunder Führungskultur ist das Disability Management eine davon. Schwerpunkt des Disability Managements ist das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement (BEM). Es unterstützt Mitarbeitende auch dabei, Rehabilitationsmaßnahmen zu beantragen und Kontakte etwa zu Sozialversicherern oder Fachkliniken herzustellen.

Als Erweiterung des Betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements gibt es bei Ford die sogenannten Integrationsmeetings. Dabei kommen der Fachbereich, die Betriebsräte, die Schwerbehindertenvertretung, die Personalabteilung, der Gesundheitsdienst sowie das Disability Management wöchentlich zusammen. „In diesen Terminen besprechen wir Maßnahmen für Mitarbeitende, die Probleme am Arbeitsplatz“, erläutert Jennifer Pütz.

Rework bei Ford: 70 Prozent erfolgreich integriert

Das Disability Management hat im Jahr 2023 laut Jennifer Pütz etwa 500 Fälle in Köln bearbeitet, nicht nur in der Fertigung. „Die Zahlen sind über die letzten Jahre relativ konstant geblieben“, sagt sie. Etwa 70 Prozent der Fälle habe man erfolgreich integriert und abgeschlossen – nicht ohne sie vorher zu kontrollieren.

Als Herausforderung macht die Disability-Managerin die wirtschaftliche Situation aus. „Unser Konzept sieht vor, dass wir Mitarbeiter wertschöpfend und wertschätzend einsetzen“. Man wolle den Beschäftigten keine Hilfstätigkeiten anbieten. Jennifer Pütz: „Für mich herausfordernd ist eigentlich immer die individuelle Leidensgeschichte des Beschäftigten, da nicht jede Erkrankung die gleiche Ausprägung hat und immer ganz neu von vorne beurteilt werden muss, wie ein Beschäftigter einsetzbar ist oder auch nicht.“ Momentan sei man dabei, das betriebliche Eingliederungsmanagement von Grund auf zu überarbeiten.

Für Wilfried Eschweiler endet das Arbeitsleben in eineinhalb Jahren. „Im Juni 2026 ist für mich hier Schluss“, sagt er. Doch die verbleibenden Monate will er genießen: „Das wird mein letzter Arbeitsplatz bei Ford, und ich werde hier bis zum letzten Tag bleiben.“