Köln/Brüssel – Die Autoindustrie fordert angesichts eines dramatischen Einbruchs der Neuzulassungen eine Kaufprämie, um den Kauf von Neuwagen wieder anzukurbeln. Jetzt dürfen die die Autohäuser zwar wieder Kunden empfangen und auch die Produktion lassen die Hersteller langsam wieder anlaufen. Dass die Kunden plötzlich aber in großem Umfang Fahrzeuge ordern, erwarten die Branche und Autoexperten allerdings nicht. Anfang Mai soll es einen Autogipfel geben.
Neuzulassungen um 55,1 Prozent eingebrochen
Die Lage der Branche ist ernst, der europäische Automarkt ist in der Corona-Krise dramatisch eingebrochen. Im März sank die Zahl der Neuzulassungen in der EU um 55,1 Prozent auf 567 308 Personenwagen, wie der Branchenverband ACEA am Freitag mitteilte. Dabei waren Autohäuser bis Mitte März noch geöffnet. In Italien, das früher unter dem Virus litt, sanken die Neuzulassungen im März um über 85 Prozent. Über zwei Drittel betrug das Minus auch in Frankreich und Spanien. In Deutschland waren es 37,7 Prozent.
Ford sieht sich gut vorbereitet auf einen Neustart
In den ersten drei Monaten des Jahres kamen in der EU 2,28 Millionen Neuwagen auf die Straßen, 25,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Bei Ford sank der Absatz in den europäischen Hauptmärkten um 37,9 Prozent auf gut 160 000 Pkw. Kaum geringer waren die Verluste bei der PSA-Gruppe mit den Marken Peugout, Citroen, Opel und DS, bei Renault oder Fiat/Chrysler. Bei leichten Nutzfahrzeugen betrug das Minus für Ford 21 Prozent auf knapp 81 000 Fahrzeugen. Daraus ergibt sich ein Absatz von gut 241 000 Fahrzeugen, 33,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
„Die Corona-Pandemie hat einen enormen Einfluss auf die Märkte“, sagte Roelant de Waard, für Verkäufe und Marketing von Ford Europa zuständiger Vizepräsident. Mit seinem starken Geschäft bei leichten Nutzfahrzeugen und neuen Pkw sei Ford aber gut vorbereitet für einen Neustart des Marktes. Er setzt dabei auch auf den neuen Puma oder den Kuga mit Plug-in-Hybridmotor, die beide in Geländewagenoptik daherkommen. Autoexperten gehen davon aus, dass es auch Ende des Jahres Minuszeichen auf dem Automarkt gibt. Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach erwartet für Europa ein Minus von 21 Prozent auf 12,5 Millionen Neuwagen. Weltweit geht er von einem Nachfrageminus von 15 Millionen Pkw auf 68 Millionen Autos aus, wobei er unterstellt, das die erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Leben auf sechs bis acht Wochen begrenzt sind. In China würden mit 19 Millionen Pkw etwa zehn Prozent weniger Autos verkauft. Das wären dennoch fünf Millionen weniger als im bisherigen Rekordjahr 2017. Und in den USA, wo Bratzel die schärfsten Markteinbrüche im laufenden Monat erwartet, würde der Absatz um 17 Prozent auf 14 Millionen sinken. „Insgesamt stellt die Corona-Krise die Automobilwirtschaft in Deutschland vor die in ihrer Geschichte bislang größte Herausforderung“, sagte Bratzel. Es komme jetzt darauf an, die systemrelevanten Akteure zu schützen. Dazu zählt er neben den Autobauern auch die Zulieferer und die Autohandelsunternemen.
Mit ähnlichen Rückgängen rechnet Ferdinand Dudenhöffer von der Universität St. Gallen: 17,9 Millionen Neuzulassungen in China, 13,6 in den USA, 13 Millionen in Europa. Auch in fünf Jahren sieht er den Absatz des abgelaufenen Jahres in Europa noch nicht wieder erreicht. Für 2025 prognostiziert er 14,6 Millionen Neuzulassungen, 1,2 Millionen weniger als 2019. Die Wirtschaftsentwicklung werde wohl durch hohe Schulden, deren Abbau und dazu erforderliche Sparprogramme und Steuererhöhungen gebremst.