Köln – Kommt die Internationale Automobilausstellung (IAA) nach Köln? Gestern sprachen der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Rathaus. Ergebnis: Köln steht bereit – wenn der VDA die Messe zu einer neuen Mobilitätsmesse weiterentwickeln will. Die wichtigsten Fragen.
Warum gibt es die Debatte um einen neuen Standort?
Die IAA steht spätestens seit diesem Jahr unter besonderer Beobachtung. Neue Mobilität ist in aller Munde, und die Automobilbranche steht nach Dieselskandal und drohenden Fahrverboten in Großstädten wie Köln und Bonn plötzlich sehr alt aus. Kurz: Das Autoland Deutschland steht vor einer Neudefinition – und der VDA ist in diesem Prozess mittendrin.
In Frankfurt hatte es in diesem Jahr große Unzufriedenheit gegeben, Oberbürgermeister Peter Feldmann wollte sich kritisch mit der Industrie auseinandersetzen – aber durfte nicht sprechen. Dazu gab es Proteste von Klimaaktivisten. Die Besucherzahlen trübten ebenfalls die Stimmung: 560 000 Menschen kamen, zwei Jahre zuvor waren es noch 810 000 gewesen.
Was sagen die Hersteller am Rhein?
Sie wären begeistert. Ford-Chef Gunnar Hermann sagt: „Köln könnte sich als Metropole der Mobilität in Westeuropa positionieren, in dem sie neue Mobilitätsprojekte der Aussteller pilotiert. Die Expertise als Messestadt, eine gute Infrastruktur sowie die geografische Lage im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands machten Köln zu einem äußerst attraktiven Partner.
Automessen verlieren an Zulauf
Automessen verlieren an Glanz. Die Zeiten, in denen Autobauer ganze Hallen auf Freiflächen in Frankfurt errichteten, sind schon länger vorbei. Die Hersteller verkleinern ihre Stände und sparen so kräftig. Immer mehr Autobauer verzichten ganz auf einen Messeauftritt. 20 Prozent weniger Aussteller gab es auf der diesjährigen IAA im Vergleich zur Vorveranstaltung 2017.
Frankfurt teilt sein Schicksal mit den anderen großen Automessen etwa in Detroit, Paris, Genf oder Tokio. Der Grund: Hersteller verlieren die Lust, ihre Neuheiten in einem eng getakteten Zeitplan zu präsentieren, weil am Nachbarstand schon die Plane von einem Konkurrenzmodell gezogen wird. Lieber ist ihnen ungeteilte Aufmerksamkeit auf eigenen Präsentationen.
Zum Teil haben sie neue Modelle nicht auf einer Automesser, sondern am Vorabend der Autoschau in einem Hotel der Messestadt gezeigt. Auch Möbel- oder Handymessen nutzen Autobauer zur Vorstellung von Neuheiten. Ford hat im abgelaufenen Jahr den Geländewagen Ranger auf der Kölner Computerspielemesse Gamescom gezeigt. (raz)
Auch für Alain Uyttenhoven, Chef von Toyota-Deutschland, steht fest: „Für Toyota ist Köln ein wichtiger Automobilstandort. Und mit diesem wirklich großen Einzugsgebiet inklusive den Benelux-Staaten ein optimaler Standort für eine IAA.“ Uwe Hochgeschurtz, Chef von Renault-Deutschland, fordert zunächst ein tragfähiges Konzept für eine neue Ausstellung, das ist entscheidend: „Köln ist als Messestandort sicherlich auch für eine künftige IAA als Standort vorstellbar.“
Was sagt die Kölnmesse?
Sie ist schon bei der Arbeit. „Wir haben dem Verband unsere Ideen und Konzepte vorgestellt und sehr positive Resonanz erhalten“, sagt Messe-Chef Gerald Böse. „Köln bietet beste Voraussetzungen. 20 Millionen Europäer müssten weniger als 100 Kilometer zurücklegen, um zur Messe zu kommen, rechnet Böse vor. „Die Automobilwirtschaft braucht neue Antworten, auch in der Messelandschaft.“ Köln und die Kölnmesse seien die richtigen Partner.
Wer ist neben Köln im Rennen?
Der VDA hat den Vertrag mit der Messe Frankfurt nicht verlängert. Das heißt: 2021 könnte die IAA wechseln. Neben Köln sollen auch Hamburg und München Interesse bekundet haben, vor allem Berlin gilt als aussichtsreicher Kandidat.
„Es geht in einem neuen Konzept darum, Mobilität erlebbar zu machen“, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Autos müssten mitgedacht werden in verschiedenen Verkehrssystemen. Köln habe da als Digitalstandort Vorteile. Mit der Messe Gamescom ist eine zukunftsträchtige Messe vor Ort.
Berlin ist als Start-up-Hauptstadt mindestens auf Augenhöhe und kann dazu noch als Hauptstadt und Regierungssitz punkten. Die Unterstützung von Ford und Toyota sei schön, meint wie Bratzel Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center for Automative Research an der Universität Duisburg Essen.
Entscheidend sei aber die Zustimmung der drei großen Spieler auf dem Automarkt: Daimler, BMW und VW sowie die der großen Zulieferer (Bosch oder Continental). Die hätten größeres Gewicht als die PSA-Gruppe mit Opel oder auch Ford. „Ich sehe Berlin vor Köln vor Frankfurt“, sagt Dudenhöffer.
Dass der amerikanische High-Tech-Fabrikant Elon Musk 2021 in Brandenburg, also vor den Toren Berlins, Elektroautos bauen will, könnte Köln dagegen sogar zum Vorteil gereichen, meint Bratzel: „Wir reden schließlich über die Messe der deutschen Hersteller.“
Wann will der Verband entscheiden?
VDA-Präsident Bernhard Mattes wird den Verband Ende des Jahres verlassen. Es muss also zunächst ein Nachfolger gewählt werden. Eine Entscheidung über die IAA ist nicht vor dem Frühjahr 2020 zu erwarten.