Im Fall der getöteten zwölfjährigen Luise aus Freudenberg wird es weder eine Anklage noch einen Prozess geben.
FreudenbergErmittlungen im Fall Luise vor dem Abschluss – Verfahren gegen Mädchen wird eingestellt
Gut vier Monate ist es inzwischen her, dass die zwölfjährige Luise aus Freudenberg getötet wurde. Fragen zur Tat gibt es immer noch viele, die Ermittlungen aber stehen unmittelbar vor dem Abschluss.
Zwei 12- und 13-jährige Mädchen haben gestanden, die zwölfjährige Luise am 11. März in einem Wald an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erstochen zu haben. Weil die beiden noch nicht strafmündig sind, wird das Verfahren eingestellt, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen auf Anfrage sagte. Eine Anklage oder einen Prozess wird es nicht geben.
Fall Luise aus Freudenberg: Geständige Mädchen in therapeutischen Einrichtungen
Dass es nicht zu einer Anklage kommen werde, hatte die Staatsanwaltschaft mit dem Verweis auf geltendes Recht in Deutschland bereits wenige Tage nach der Tötung von Luise aus Freudenberg bekannt gegeben. „Strafrechtlich ist die Sache abgeschlossen“, so Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler bei einer Pressekonferenz im März. „Stattdessen wird es zu einer hochkomplexen Sache für das Jugendamt.“
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„Wir können auch die rechtlichen Grenzen, die uns gesetzt sind, nicht überschreiten, nur weil die Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben, alle Hintergründe zu kennen“, hatte sich sein Kollege aus Siegen, Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss, ähnlich geäußert.
Dieses hat sich der beiden mutmaßlichen Täterinnen seit der Tat angenommen und betreut sie. „Die tatverdächtigen Mädchen befinden sich nach wie vor in therapeutischen Einrichtungen“, sagt eine Sprecherin des Kreises Siegen-Wittgenstein. Wo genau sich die Mädchen aufhalten, bleibt unter Verschluss. Sie bekämen Schulunterricht, gingen derzeit aber nicht in eine reguläre Schule.
Mutmaßliche Täterinnen im Fall Luise vom Jugendamt betreut
Das Jugendamt wird vorerst auch weiterhin über künftige Maßnahmen entscheiden. Dabei soll es jedoch nicht um eine Bestrafung der Kinder gehen, sondern um ihre Erziehung. „Das Jugendamt kann die Familien engmaschig begleiten und unterstützen“, sagt Prof. Gerd Hamme, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes in Nordrhein-Westfalen. „Es kann aber auch sein, dass den Eltern das Sorgerecht entzogen wird, wenn man feststellt, dass Fehler gemacht wurden, die ganz gravierend sind.“ In dem Fall könnten die Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden.
Unmittelbar nach der Tat hatte eine regelrechte Hetzjagd im Netz auf die mutmaßlichen Täterinnen stattgefunden, deren Profile in sozialen Medien teilweise noch Tage nach der Tötung zu sehen waren. „Die digitale Identität begleitet die Mädchen noch sehr lange. Sie werden immer wieder gefunden werden und mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht, egal wie alt sie sind“, hatte Josephine Ballon, Expertin für sogenannte „Hate Speech“, gegenüber dem RND damals konstatiert. Auch die Berichterstattung einiger Medien im Fall Luise war sehr umstritten.
Fall Luise: Landesregierung in NRW will auf Tat in Freudenberg mit Maßnahmen reagieren
Die Folgen bekommen aber nicht nur die Mädchen selbst, sondern auch deren Familien zu spüren. Während der Ort und die Schule langsam wieder zur Normalität zurückkehren, hatten die Familien der mutmaßlichen Täterinnen Freudenberg Medienberichten zufolge kurz nach der Tat verlassen, an eine zeitnahe Rückkehr sei derzeit nicht zu denken.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung will Gewalttaten unter Kindern und Jugendlichen stärker in den Fokus nehmen. „Es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft, dass unsere Kinder in einer sicheren Umgebung aufwachsen können“, mahnte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Die Altersgrenze für Strafmündigkeit herabzusetzen, sei keine Lösung, hatte Innenminister Herbert Reul bereits im März mitgeteilt.
Nach Tat in Freudenberg: Gewalttaten unter Jugendlichen sollen stärker in den Fokus rücken
Wüst verwies darauf, dass es an den Schulen mehr Angebote etwa durch Schulpsychologen oder Sozialarbeiter gebe. Die Landesregierung habe den Schulen außerdem aktualisierte Handlungsempfehlungen für verschiedene Krisenfälle zur Verfügung gestellt.
Oft spielen Mobbing und die sozialen Netzwerke eine große Rolle bei Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Die Kinderpsychiaterin Sibylle Winter, Leiterin der Kinderschutz- und Traumaambulanz des Uniklinikums in Berlin, sieht hier insbesondere Lehrkräfte in der Pflicht, da Eltern Vorfälle in der Schule oft nicht mitbekämen.
Studie soll helfen, Mechanismen von Kinder- und Jugendkriminalität zu verstehen
„Mobbing sollte grundsätzlich ein Thema im Unterricht sein. Es muss darüber gesprochen werden, dass nicht nur der Mobber und das Opfer beteiligt sind. Sondern es gibt viele, viele Zuschauer, die sehr wesentlich sind, weil sie das Geschehen sozusagen bekräftigen“, so Winter.
Die Landesregierung bringt im Moment eine Studie auf den Weg, um die Ursachen und die Mechanismen von Kinder- und Jugendkriminalität besser zu verstehen. (mit dpa)