Köln – Philipp Walters Stimme war längst heiser, nun bebte sie.
„Der fünfte Penalty! Wenn ich das richtig sehe, ist das Alex Hicks. Hau ihn rein, Alex!“, rief der Reporter von Radio Köln ins Mikrofon. Je zweimal hatten die Kölner Haie und die München Barons in der Halbfinal-Serie der Deutschen Eishockey-Liga 2002 gewonnen, im alles entscheidenden fünften Spiel stand es nach der Verlängerung ebenfalls unentschieden. Und so musste Walter, heute Geschäftsführer der Haie, den ultimativen Showdown vor 5347 Fans in der Olympia-Eishalle kommentieren: das Penaltyschießen.
Alexander Hicks blickt zurück: „Ich musste treffen“
„Ich mochte das, weil es so dramatisch war“, sagt Alexander „Alex“ Hicks 20 Jahre später. „Wenn sie in den Playoffs der NHL Verlängerung nach Verlängerung spielen, kann das langweilig sein. Da ist mir ein Shootout lieber, als wenn irgendein Glückstor die Entscheidung bringt“, ergänzt der Kanadier, der sich genau an jenen 9. April 2002 erinnert. „Als ich dran war, stand es 2:2. Ich musste treffen, um den Druck auf den letzten Münchner zu erhöhen.“
Den Ablauf seines Penaltys gegen Barons-Goalie Boris Rousson hatte sich der heute 52-Jährige im Kopf zurechtgelegt: „Ich wollte einen Schuss durch seine Beine antäuschen, den Puck dann schnell auf meine Vorhand legen. So habe ich es auch gemacht, aber er hatte das vorausgeahnt. Er bot mir einfach nichts an“, berichtet Hicks. „Ich wartete und wartete, bis ich schließlich schießen musste. Weil ich noch die Idee mit dem Schuss durch die Beine im Kopf hatte, probierte ich das. Als ich den Puck reingehen sah, war ich einfach nur erleichtert.“
Kölner Finaleinzug nach vergebenem Penalty besiegelt
Bei Walter klang das so: „Schnelle Schritte, schnelle kleine Schritte, schöner Move – Tooooooor!“, brüllte er. „Wie hat er den denn noch reingemacht? Der war ja eigentlich nicht mehr möglich! Der war schon in einem zu spitzen Winkel. Rousson hat den Laden zugemacht, aber irgendwo geht der Puck durch.“ Als Sekunden später der Münchner Mike Kennedy seinen Penalty vergeben hatte, war der Kölner Finaleinzug besiegelt – und Walter gab zurück ins Funkhaus, ehe seine Stimme versagte.
Für KEC-Trainer Rich Chernomaz war Hicks, der zu Saisonbeginn von den Eisbären Berlin an den Rhein gewechselt und auf Anhieb Haie-Topscorer geworden war, aus mehreren Gründen der logische fünfte Schütze gewesen. Zum einen wegen seiner Mentalität und Führungsstärke. „Ich habe mich gegenüber dem Team, dem Club und den Fans dafür verantwortlich gefühlt, die Saison zu einem guten Ende zu bringen“, schildert Hicks mit Blick auf die zuvor doch eher mäßige Hauptrunde.
Zum anderen wegen der Nervenstärke und Widerstandsfähigkeit des Stürmers, von seinem Ex-Teamkollegen Jörg Mayr via „Eishockey News“ anerkennend als „Kampfschwein vor dem Herrn“ tituliert. „Ich mochte es, auswärts zu spielen, ausgebuht und beschimpft zu werden. Ich wusste, dass ich zwar gerne das Regelwerk ausreizte, aber auch Tore schießen konnte“, sagt er.
„Ich hätte nicht eine Minute länger spielen können“
Der erfolgreiche Penalty in München war in seiner ersten Saison bei den Haien sein' dritter Siegtreffer in den Meister-Playoffs 2002 – beim Finalerfolg gegen die Adler Mannheim zog Dwayne Norris gleich. „Nach dem Finalsieg saßen wir Älteren, Corey Millen, Dwayne und ich, völlig fertig in der Kabine. Ich hätte nicht eine Minute länger spielen können, so müde war ich. Aber als ich gesehen habe, wie glücklich unsere jungen Spieler waren, hat mich das auch glücklich gemacht.“
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Ein typischer Satz der ehemaligen Kölner Nummer 21, der zwischen 2001 und 2006 257 Spiele absolvierte (103 Tore/ und 106 Vorlagen). So schlitzohrig und bisweilen grenzwertig sich das „Kampfschwein“ insgesamt fünf Jahre lang in die Herzen der Haie-Fans ackerte, so großherzig und loyal engagierte sich „Hicks, Hicks, Alex Hicks“ für das eigene Team und sein Umfeld. Bestes Beispiel ist die Initiative, die der Kanadier ein Jahr nach dem Titelgewinn mit Ehefrau Sarah gründete, um Spenden und Spielzeug für gesundheitlich und sozial benachteiligte Kölner Kinder zu sammeln. Seinen Anteil daran spielt der dreifache Vater herunter, sagt nur so viel: „Ich bin stolz, dass die Aktion immer noch läuft.“
Alexander Hicks heute Co-Trainer an der Arizona State in Phoenix
Seit mehreren Jahren arbeitet Hicks nun als Co-Trainer des Universitätsteams von Arizona State in Phoenix/USA. „Ich liebe es, mit jungen Leuten zu arbeiten und im Wettbewerb zu stehen“, erzählt er. Seinen Spielern kann er von einer beeindruckenden Karriere berichten, von drei Meisterschaften in unterklassigen nordamerikanischen Ligen, mehr als 250 NHL-Spielen, ehemaligen Teamkollegen namens Jaromir Jagr, Mario Lemieux und Teemu Selänne.
Oder von einem ganz wichtigen Penalty vor genau 20 Jahren in München. „Mit Köln Deutscher Meister zu werden, war der Höhepunkt meiner Karriere“, sagt Hicks. „Diesen Titel würde ich gegen nichts eintauschen wollen.“