Als die Kölner Haie Meister wurdenEx-Verteidiger Miner war „sieben Tage betrunken“
- In unserer neuen Rundschau-Serie blicken wir zurück auf die Zeit vor 20 Jahren, als die Kölner Haie Meister wurden.
Köln – John Miner ist einer der sieben Männer, die in den berühmten Wechsel von Eishockey-Legende Wayne Gretzky von den Edmonton Oilers zu den Los Angeles Kings involviert waren – und er war 2002 ein wichtiger Teil des Meisterteams der Kölner Haie. Im Gespräch mit Alexander Petri erinnert sich der heute 56-jährige Kanadier erinnert sich an die turbulente Saison 2001/02.
Herr Miner, die Haie haben in der Hauptrunde 2001/02 der Deutschen Eishockey-Liga alle zwölf Duelle mit den späteren Playoff-Gegnern Krefeld Pinguine, München Barons und Adler Mannheim verloren. Woher kam die Überzeugung, trotzdem um den Titel mitspielen zu können?
Wir waren nur Tabellensechster geworden, und unser Viertelfinalgegner Krefeld hatte mit Patrik Augusta, Christoph Brandner und Brad Purdie die gefährlichste Reihe der Liga. Aber wir stellten unsere besten Defensivstürmer und das Verteidiger-Paar Mirko Lüdemann und Brad Schlegel gegen sie und nahmen sie so aus dem Spiel. Diese Serie zu gewinnen hat uns einen enormen Schub gegeben.
Ihr persönlicher Playoff-Moment war das dritte Spiel gegen die Pinguine, als Sie mit Ihrem Powerplay-Treffer kurz vor Schluss den Halbfinaleinzug besiegelten.
Das Kuriose war, dass ein guter Freund von mir, Gary Shuchuk, mir direkt nach dem Tor ins Gesicht geschlagen hat. Das Helmvisier traf meine Nase, und als ich zum Abklatschen an der Bank ankam, lief das Blut nur so raus. Ich dachte, er hätte mir die Nase gebrochen.
Kölner Haie kämpfen in der Saison 2001/2002 mit vielen Verletzungen
Zu Beginn dieser verrückten Saison hatten Sie mit einer anderen Verletzung zu kämpfen.
Ich hatte eine hartnäckige Infektion am Knöchel. Das kam wohl daher, dass ich nie Socken in meinen Schlittschuhen trug. Da hat sich die Haut aufgerieben und entzündet, der Knöchel war so groß wie ein Tennisball.
ZUR PERSON
John Stewart Miner (56) verteidigte von 1998 bis 2002 für die Haie und gewann mit den Kölnern neben dem Meistertitel auch den Spengler-Cup. 1985 wurde der Kanadier Junioren-Weltmeister, 1998 Schweizer Meister mit dem EV Zug. Nach seinem Karriereende im Alter von 42 arbeitete Miner als Nachwuchs-Trainer in der Schweiz und Österreich, zuletzt betreute er die U20 der Augsburger Panther. Mit seiner Frau Laurel lebt er in Regina/Saskatchewan. (ape)
Nach jedem Drittel musste ich die Schuhe ausziehen, weil es so geschmerzt hat. Aber weil es sportlich nicht lief, machten Trainer Lance Nethery und Assistenzcoach Rich Chernomaz Druck. Nach einer Operation war es dann wieder in Ordnung.
Als die Haie die Play-offs zu verpassen drohten, wurde Nethery vor der Olympia-Pause von seinen Aufgaben entbunden, Chernomaz übernahm.
Das letzte Spiel vor der Pause haben wir in Düsseldorf gewonnen und sind von da an in der Tabelle geklettert. Chris Hamilton war unser Sportpsychologe, und wir haben wirklich viel Teambuilding-Zeug gemacht, Kartfahren, Billardspielen, zusammen Olympia schauen, so etwas. Das hat uns wirklich näher zusammengebracht.
Was war das Problem mit Lance Nethery?
Ich kenne Lance ziemlich lange, er wollte mich schon nach Mannheim holen. Er ist ein wirklich guter Trainer, er hat diese Mannschaft gebaut, aber er verlangt auch unheimlich viel von seinen Spielern. Einige Jungs haben ihre Leistung nicht gebracht, vielleicht brauchten sie einfach eine andere Ansprache. Zu Lance kann ich Ihnen übrigens eine Geschichte erzählen.
Sehr gerne!
Während der Playoffs habe ich mal irgendetwas in unserer Trainingshalle vergessen. Ich bin also noch mal hin und traute meinen Augen nicht: Cherno und Lance saßen nebeneinander auf Spinning-Rädern, schwitzend, schauten gemeinsam Video und analysierten. Ich habe niemandem etwas gesagt. Aber als ich Köln verließ, rief ich Lance an und bedankte mich, dass er hinter den Kulissen dabeigeblieben war. Er sagte: „Weißt du Johnny, das ist meine Mannschaft. Natürlich haue ich nicht einfach ab.“
An der Bande stand jedoch Chernomaz – auch in der extrem engen und spannenden Halbfinalserie gegen Hauptrundensieger München.
Mit den Barons hatten wir noch eine Rechnung offen, nachdem sie uns zwei Jahre zuvor im Finale bezwungen hatten. Damals hatten wir vor der Endspielserie wegen Deutschlands Teilnahme an der B-WM eine längere Pause, ein paar Nordamerikaner sind sogar nach Hause geflogen. Das hat uns ein wenig aus dem Rhythmus gebracht. Dieses Mal wollten wir es besser machen.
München war defensiv orientiert und hatte den Ex-Kölner Boris Rousson im Tor. Damals gab es in den Playoffs noch Penaltyschießen. Wie nervös waren Sie, als das entscheidende fünfte Duell im Shoot-out entschieden werden musste?
Ich hatte eine gute Sicht, als Alex Hicks anlief, Rousson hatte das ganze Tor abgedeckt. Doch in letzter Sekunde hob er seinen Schoner leicht an, und Hicksy schob den Puck drunter durch. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Boris diese Lücke aufgemacht hat. Glück für uns.
Im Finale warteten dann die Adler, der Titelverteidiger und Top-Favorit.
Meine Tochter Amanda war damals zwölf Jahre alt, Eiskunstläuferin und sollte ihr Können in der ersten Drittelpause unseres ersten Heimspiels zeigen – und das vor der damaligen Rekordkulisse für Eishockey in Europa. Natürlich war ich nervös und spielte ein schwaches Auftaktdrittel. Cherno rief mich in sein Büro und stauchte mich zusammen, ich solle meinen Kopf aus dem Hintern nehmen.
Als Hauptrunden-Sechster zum Titel
20 lange Jahre ist es her, dass der achtfache Deutsche Meister Kölner Haie am 21. April 2002 zum bislang letzten Mal den Titel gewinnen konnte. Das am Ende der Saison von Rich Chernomaz trainierte Team ging nur von Hauptrundenplatz sechs aus in die Playoffs. Nach einem 3:0-Viertelfinalerfolg gegen Krefeld, brauchte der KEC im Halbfinale gegen München fünf Spiele, um mit 3:2 den Finaleinzug perfekt zu machen. In der Finalserie setzten sich die Haie ebenfalls mit 3:2 gegen Titelverteidiger Adler Mannheim durch. Das Meisterteam: Tor: Rogles, Pätzold, Hirt. – Verteidigung: Renz, Miner, Lüdemann, Porkka, Liimatainen, Schlegel, Mayr. –
Sturm: Norris, Hicks, Faust, Sundbald, Young, Millen, Boos, Schinko, Hinterstocker, McLlwain, Bertrand, Kuzminski, Danielsmeier, Ullmann. – Trainer: Nethery, Chernomaz.
Die Kölnische Rundschau erinnert in einer fünfteiligen Serie an die Meisterschaft der Kölner Haie in der Saison 2001/02.
Zum Glück kam dann unser Mentalcoach Hamilton rein, reckte beide Daumen nach oben und sagte, dass Amanda ihre Sache gut gemacht hätte und die Fans sie bejubelt hätten. Ich beruhigte mich und fand zu meinem Spiel zurück. Der Rest ist Geschichte.
Bei allen drei Haie-Siegen im Finale schoss Dwayne Norris das Siegtor.
Für „Newf“ (Norris„ Spitzname, weil er aus der kanadischen Provinz Newfoundland stammt – Anm. d. Red.) war es hart. Er musste zu der Zeit mit einem privaten Problem fertig werden. Trotzdem hat er das Finale für uns entschieden. Und unser Torwart Chris Rogles hat unglaublich gehalten, das war Wahnsinn. Der Schlüssel aber war, dass jeder Einzelne seine Rolle angenommen hat.
Nehmen Sie André Faust: Er war einer derjenigen, die zur Aufgabe hatten, die Top-Spieler der Gegner in Schach zu halten. Das macht nicht immer Spaß, aber ist so wichtig. Genau das versuche ich meinen Spielern zu vermitteln: Jeder ist wertvoll. Diejenigen, die Tore schießen, aber auch diejenigen, die die Drecksarbeit machen.
Pokal geholt: Kölner Haie werden von 20.000 Fans erwartet
Wie haben Sie die Feierlichkeiten nach dem Titelgewinn erlebt?
Ich weiß noch, dass bei unserer Rückkehr mit dem Pokal aus Mannheim 20.000 Fans auf uns gewartet haben. Ich habe ein gerahmtes Foto in meinem Haus hängen, auf dem Heinz Hermann Göttsch und ich eine Zigarre rauchen. Von diesem Moment an kann ich mich nicht mehr an viel erinnern, weil ich sieben oder acht Tage lang betrunken war (lacht).
Aber es gibt Fotos.
(lacht) Wir hatten eine Teamparty in irgendeiner Bar auf den Ringen. Es gibt ein Bild, auf dem ich meiner Frau übers Gesicht lecke. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, das getan zu haben, aber es war am nächsten Tag in der Zeitung. Es war so speziell, weil die Erwartungen so hoch waren und Köln ein teure, ambitionierte Mannschaft hatte. Nach dieser Achterbahn-Saison musste der Druck einfach raus, die Feierei war eine Befreiung.