AboAbonnieren

Meisterschaft des KEC 2002Wie die Deutschen nur die Nebenrollen spielten

Lesezeit 4 Minuten

2002 gab es den letzten Deutschen Meistertitel für die Kölner Haie 

  1. Die Kölnische Rundschau erinnert in einer fünfteiligen Serie an die Meisterschaft der Kölner Haie in der Saison 2001/02.
  2. Heute lesen Sie Teil 2 der Serie.

Köln – Björn Barta erinnert sich noch gut an seine erste Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). „Bei einem der Halbfinalspiele gegen München sollte ich ein TV-Interview geben“, erzählt der heute 41-Jährige, in der Spielzeit 2001/02 einer der jüngsten Haie-Stürmer. „Ich hatte aber nur ein paar Wechsel gekriegt und war total trocken, während meine Teamkollegen nass geschwitzt und abgekämpft vom Eis gingen. Da kam ich mir schon doof vor.“

Der gebürtige Solinger Barta war mit seinem Schicksal als häufiger Bankdrücker vielleicht ein Extrem-, aber beileibe kein Einzelfall in der Kölner Meistermannschaft: In den entscheidenden Situationen – etwa im Powerplay oder den letzten Minuten einer engen Partie – standen die Importspieler auf dem Eis. „Außer Kapitän Mirko Lüdemann waren alle Deutschen keine absoluten Leistungsträger“, sagt der langjährige KEC-Verteidiger Jörg Mayr, der die Playoffs 2002 wegen eines gebrochenen Kiefers verpasste und seine Karriere als 32-Jähriger anschließend beendete.

Kassel nur mit drei Deutschen

Die Degradierung deutscher Eishockey-Profis zu Exoten – nicht nur in Köln – begann mit einer Gerichtsentscheidung im Dezember 1995: Das Bosman-Urteil gewährte Berufssportlern das Recht auf freie Arbeitsplatzwahl, dazu fielen in der DEL die Ausländerbegrenzungen zunächst nur für EU-Ausländer, dann für alle komplett weg – mit gravierenden Folgen.

Mirko Lüdemann (l. mit dem Meisterpokal) zählte als Kapitän zu den tragenden Säulen. 

„Da ist der Irrsinn ausgebrochen“, erinnert sich Mayr. Die Sportdirektoren der DEL-Klubs konnten aus einem größeren Pool an Profis schöpfen, die Gehälter sanken. Teils stand nur eine Hand voll einheimischer Spieler in den Kadern. Von den 32 eingesetzten Profis der Kassel Huskies in der Saison 1997/98 waren ganze drei in Deutschland geboren – einer davon war der spätere Meister-Hai Tino Boos. „Als junger deutscher Spieler dachtest du, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wird. Aber ich habe mich da durchgebissen“, erinnert sich Boos.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zu Beginn der Nullerjahre waren die wildesten Auswüchse allerdings schon wieder Geschichte, die Liga legte 2001 als freiwillige Selbstverpflichtung die Höchstzahl von 14 Importlizenzen fest. Trotzdem dominierten weiterhin die Ausländer: Nur neun der besten 100 Scorer der DEL-Saison 2001/02 verfügten über einen deutschen Pass. Auch bei den Kölnern bildeten Kanadier, Schweden und ein US-Amerikaner die Top Ten der Punktesammler in der Hauptrunde. Erst auf Rang elf folgte mit Lüdemann einer der Top-Verteidiger der Liga, als erfolgreichster deutscher Stürmer stand der damals 26 Jahre alte Boos mit 16 Punkten in 59 Partien in der Statistik. „Wir hatten mit Alex Hicks, Dave McLlwain, Corey Millen und so weiter allerdings auch absolute Hochkaräter als Imports“, sagt Mayr. „Spieler aus dieser Kategorie hätten die Haie heute gerne.“ Boos spricht von „Respekt“ vor den ehemaligen NHL-Größen, die „Vorbilder“ gewesen seien.

Björn Barta (r.) und die meisten anderen Deutschen spielten nur Nebenrollen.

Für die einheimischen Profis blieb damit entweder die Rolle des defensiven Abräumers, wie sie Mayr und Andreas Renz ausfüllten, oder ein Platz im dritten und vierten Sturm. „Ich habe mit Markus Jocher, Benjamin Hinterstocker oder Collin Danielsmeier gespielt“, berichtet Barta über sein Rookie-Jahr. „Unsere Aufgabe war, die Top-Leute zu entlasten, bloß keinen Fehler zu machen, die Scheibe aus dem eigenen Drittel rauszuspielen und vielleicht mal einen Torschuss abzugeben. Du warst schon froh, wenn du das defensive Bully spielen durftest.“

Als Hauptrunden-Sechster zum Titel

20 lange Jahre ist es her, dass der achtfache Deutsche Meister Kölner Haie am 21. April 2002 zum bislang letzten Mal den Titel gewinnen konnte. Das am Ende der Saison von Rich Chernomaz trainierte Team ging nur von Hauptrundenplatz sechs aus in die Playoffs. Nach einem 3:0-Viertelfinalerfolg gegen Krefeld brauchte der KEC im Halbfinale gegen München fünf Spiele, um mit 3:2 den Finaleinzug perfekt zu machen. In der Finalserie setzten sich die Haie ebenfalls mit 3:2 gegen Titelverteidiger Adler Mannheim durch. Das Meisterteam: Tor: Rogles, Pätzold, Hirt. – Verteidigung: Renz, Miner, Lüdemann, Porkka, Liimatainen, Schlegel, Mayr. –

Sturm: Norris, Hicks, Faust, Sundbald, Young, Millen, Boos, Schinko, Hinterstocker, McLlwain, Bertrand, Kuzminski, Danielsmeier, Ullmann. – Trainer: Nethery, Chernomaz.

Die Kölnische Rundschau erinnert in einer fünfteiligen Serie an die Meisterschaft der Kölner Haie in der Saison 2001/02.

Neid auf die Stars habe es dennoch nicht gegeben, und in der Kabine hatte das Wort zumindest der älteren deutschen Nationalspieler wie Mayr, Lüdemann und Boos durchaus Gewicht. „Nach dem Trainerwechsel von Lance Nethery zu Rich Chernomaz wurden die Rollen für jeden einzelnen Spieler festgelegt. Meine war meist in der dritten Reihe und in Unterzahl. Das hat auch gut funktioniert, ich habe mich im Team nicht als Außenseiter gefühlt“, sagt Boos, der 2010 als Kapitän der Hannover Scorpions noch einmal Meister wurde. Auch Bartas Karriere endete erst nach mehr als 800 Spielen und einem weiteren Meistertitel mit dem ERC Ingolstadt. Nicht schlecht für einen, der sich einst beim völlig ausgeruhten TV-Interview doof vorgekommen war.