Rhein-Berg – Der Wähler hat gesprochen und nun entscheiden die Parteien, wie es weitergeht. Zwei Koalitionsvarianten gelten als wahrscheinlich: SPD, Grün, FDP, die Ampelkoalition, oder CDU, Grün, FDP, die Jamaika-Koalition. Beide Varianten gibt es schon im Kreis, zumindest ansatzweise.
Die Ampel in Bergisch Gladbach wurde im Oktober 2019 geboren. Geburtshelfer war die bevorstehende Kommunalwahl und ein tiefes Bedürfnis nach einem politischen Neuanfang. Die CDU war eine gefühlte Ewigkeit an der Macht und CDU-Bürgermeister Lutz Urbach polarisierte im Rat eher, als die verschiedenen Positionen zusammenzubringen.
So einte SPD, Grüne und FDP auch der Wunsch nach einem grundsätzlichen Tapetenwechsel. Und den Beteiligten war klar, dass sie nur mit einem gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten ernsthafte Chancen hätten, im Rathaus das Ruder zu übernehmen. Mit Frank Stein wurde ein SPD-Mitglied auf den gemeinsamen Schild gehoben. Und ohne Stein wäre die Ampel in Gladbach undenkbar. Er hält die drei Fraktionen zusammen.
Gestern sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ich würde mich über eine Ampel auf Bundesebene von ganzem Herzen freuen.“ Sie verbinde die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit (SPD) mit der nach dem Kampf gegen den Klimawandel (Grüne) sowie der Forderung nach Achtung des liberalen Rechtsstaates und der wirtschaftlichen Vernunft (FDP). Entscheidend für die Tragfähigkeit dieses Bündnisses sei sicher, dass die handelnden Personen zueinander finden.
„Die Menschen müssen miteinander können, müssen sich vertrauen. In Gladbach funktioniert das nach wie vor sehr gut“. Die Bundesebene und kommunale Ebene seien im Grunde nicht miteinander zu vergleichen, aber richtig sei sicher auch, dass der Wunsch nach einem Neuanfang offensichtlich sei.
Jamaika in Overath ist keine Koalition im klassischen Sinne, sondern eine Kooperation der bis 2020 einander oft spinnefeinden Fraktionen von CDU, Grünen und FDP. Gestartet war das Projekt „Jamaika light“ als Bürgermeister-Wahlverein: Der parteilose Kämmerer von Rösrath, Christoph Nicodemus, wurde seinerzeit erfolgreich gegen den damaligen SPD-Bürgermeister Jörg Weigt unterstützt.
Den Unterschied zur Koalition erklärt ein an der Zusammenarbeit Beteiligter: „Eine Koalition hat einen förmlichen Vertrag, in dem Ziele und Wege vereinbart sind.“ Die Overather Kooperation regelt dagegen Stilfragen. FDP-Chef Hermann Küsgen: „Wir haben uns verpflichtet, respektvoll miteinander umzugehen und uns vorher abzustimmen.“
Das könne manchmal etwas zeitaufwendig und mühsam sein, sagt seine Grünen-Kollegin Dagmar Keller-Bartel, aber auch sie ist vom Overather Weg der Zusammenarbeit recht angetan. Beide betonen zugleich, dass es bei ihnen keinen Zwang zur Einigung um jeden Preis gibt. Unterschiede sollen erkennbar bleiben, die Bürgerinnen und Bürger sollen am Ende noch erkennen können, welche Richtung sie gewählt haben.
Die Form der herzlichen Meinungsverschiedenheit knirscht noch manchmal. Als es beispielsweise nach der Flutnacht um eine sehr rücksichtsvoll formulierte Stellungnahmen der Grünen zum umstrittenen Gewerbegebiet Unterauel ging, erschloss sich die nach wie vor ablehnende Position der Öko-Partei nicht auf Anhieb jedem. Gleichwohl wirken alle Beteiligten im Grundsatz recht zufrieden. Bürgermeister Nicodemus sagt aber auch, dass die lockere lokale Ratskooperation an Agger und Sülz als Vorbild für die Bundesregierung nicht tauge.