BVP und SPD werfen den Verantwortlichen im Rathaus vor, sie unterbinden demokratische und politische Prozesse – „Tiefschlag für offenen Bürgerdialog“
Parteien verärgertPulheim verbietet Infostände außerhalb der heißen Wahlkampfphase

Der Marktplatz in Pulheim wird für Parteien bis Monate vor der Kommunalwahl im September tabu sein. So will es die Stadtverwaltung.
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Die Stadtverwaltung Pulheim untersagt politischen Parteien, Infostände früher als drei Monate vor der Kommunalwahl im September aufzubauen. In einem Schreiben der Ordnungsbehörde, das dieser Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem: „Mit Blick auf die anstehenden Wahlen und die damit einhergehende Wahlwerbung aller Parteien hat die städtische Wahlleitung entschieden, bei der Genehmigung von Infoständen der Parteien im Stadtgebiet die Regelungen für Wahlwerbung/Wahlplakate analog anzuwenden.“ Wahlleiter ist der Erste Beigeordnete Jens Batist, also die Nummer 2 im Pulheimer Rathaus hinter Bürgermeister Frank Keppeler.
Die BVP-Ratsfraktion wertet diese Entscheidung als „Tiefschlag für den offenen Bürgerdialog“. Damit werde eine bisher nie dagewesene Praxis eingeführt, die mehr Fragen aufwerfe als beantworte, sagt Birgit Liste-Partsch, die Fraktionsvorsitzende des Bürgervereins Pulheim. Sie hatte für diesen Samstag Infostände auf dem Marktplatz in Pulheim und auf dem Dorfplatz in Sinnersdorf beantragt.
Es geht uns nicht um Plakate, nicht um Stimmenfang – sondern um das Gespräch mit den Menschen
Liste-Partsch versichert: „Es geht uns nicht um Plakate, nicht um Stimmenfang – sondern um das Gespräch mit den Menschen.“ Sie gewinne den Eindruck, die Verwaltung wolle den politischen Austausch aus dem öffentlichen Raum verbannen – „solange er nicht von der eigenen Partei ausgeht“, der CDU.
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Die Rechtslage sei eindeutig: Artikel 21 des Grundgesetzes schütze die Mitwirkung politischer Organisationen an der politischen Willensbildung. Dies gelte ausdrücklich nicht nur im Wahlkampf. Auch die Rechtsprechung bestätige: Allgemeinpolitische Informationsstände dürften nicht pauschal untersagt werden.

Birgit Liste-Partsch kritisiert die neue Linie der Pulheimer Stadtverwaltung.
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Nachdem das Thema in den sozialen Netzwerken schon Wogen geschlagen hatte, erhielt der BVP zumindest eine Sondergenehmigung für Osterstände. Eine Rathaussprecherin verweist darauf, die Verwaltung habe aufgrund der Nachfrage der Parteien „nach einer weiteren Prüfung“ eine Ausnahme zugelassen. Dies erfolge nur, weil es sich nicht um Wahlwerbung, sondern um Bürger-Dialog und Aktionen anlässlich des Osterfestes handele.
Ausgangspunkt für die neue Regelung seien Anträge einer Partei gewesen. Diese sahen vor, dass schon ab April durchgehend bis zur Wahl Mitte September an mehreren Terminen im Monat Infostände aufgestellt werden sollten. Den Namen der Partei nannte sie nicht.
Pulheim: Die SPD will weiter an Infoständen das Gespräch suchen
Unverständnis über das Vorgehen der Verwaltung äußert auch der SPD-Vorsitzende David Hochhausen, seit kurzem auch Bürgermeisterkandidat seiner Partei: „Es ist ziemlich wild, wie die Stadt versucht, mit Ordnungsrecht die politische Arbeit der Parteien zu erschweren. In einer lebendigen Demokratie sollten solche Maßnahmen keinen Platz haben.“ Er kündigte an, die SPD werde weiter, auch mit Infoständen, das Gespräch mit den Pulheimerinnen und Pulheimern suchen. Nicht nur an Ostern und auch nicht erst im „offiziellen“ Wahlkampf.
Osterstände seien wie in jedem Jahr ein klassischer Anlass, ins Gespräch zu kommen – auch bei der CDU, die ihre Aktionen schon angekündigt hatte. Dies scheine auch im Rathaus aufgefallen zu sein, vermutet er. Denn auch bei der SPD hat die Verwaltung die Rolle rückwärts gemacht und den bereits abgelehnten Infostand an Ostern doch noch genehmigt. Er werde sich dafür einsetzen, dass bei den Verantwortlichen Vernunft einkehre und diese Regelung ganz schnell wieder einkassiert werde.