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Wahlkampfserie Teil 4Asbest, Altlast und China-Stahl - das Rheinbrücken-Desaster

Lesezeit 6 Minuten
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Die Arbeiten an der Leverkusener Rheinbrücke werden neu ausgeschrieben und ruhen vorerst.

  1. An Leverkusens Dauerbaustellen scheiden sich die Geister: Um das Schloss Morsbroich, die Autobahnbrücke und Stelze, die Lkw-Raststätte und die City C wird seit Jahren gestritten.
  2. Wir stellen in einzelnen Serienfolgen dar, was bisher geschah und fragen die Oberbürgermeister-Kandidaten: Wie soll es jetzt weiter gehen?
  3. Weiter geht unsere Wahlkampfserie mit der Never-Ending-Story um die Rheinbrücke.

Leverkusen – 1965 wurde die Rheinbrücke gebaut, auf der fortan die Autobahn 1 von Köln nach Leverkusen führte. Etwa 120 000 Fahrzeuge pro Tag drängen über den Rhein, davon rund 20 000 Lkw. Bis festgestellt wird, dass das zu viel für das alte Bauwerk ist. Eine neue Brücke muss her – doch das ist leichter gesagt, als getan. Eine Chronologie der Dauerbaustelle Leverkusener Brücke.

August 2012: NRW-Verkehrsminister Michael Groschek sieht sich die Leverkusener Brücke an. Fazit: Sie muss erneuert werden, hält aber noch ein paar Jahre.

Dezember 2012: Straßen NRW entdeckt Ermüdungsbrüche an sieben Querträgern und einem Hauptträger der Brücke. Einsturz nicht auszuschließen. Groschek und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) lassen die Brücke für Lkw über 3,5 Tonnen sperren. Bis zu 3000 Lkw pro Tag ignorieren das Fahrverbot, das Bußgeld beträgt 70 Euro.

März 2013: Die Risse wurden repariert, der Verkehr für Lkw wieder freigegeben.

Juli 2013: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer kommt zur Leverkusener Brücke und verkündet einen zehnspurigen Neubau der Brücke ab 2017, die erste Brückenhälfte soll 2020 fertig sein. Dann soll der Verkehr darüber fließen, die alte Brücke abgebrochen und der zweite Teil gebaut werden. Kosten: 220 Millionen Euro. Unklar ist die weitere Verkehrsführung im Leverkusener Stadtgebiet. Eine breitere Stelze, eine halboffene Troglösung, ein kurzer Tunnel im Stadtgebiet sowie eine Kombi-Lösung aus langem Tunnel unter dem Rhein plus erneuerter Brücke werden vorgebracht.

September 2013: Erhard Schoofs, Fraktionschef der Bürgerliste im Leverkusener Stadtrat, will mit Bürgerinitiativen gegen die Baupläne klagen, weil die Lösung eines langen Rheintunnels nicht wie versprochen ernsthaft geprüft wurde.

Februar 2014: Immer wieder werden neue Risse festgestellt und geflickt. Radarfallen sollen Autofahrer zwingen, sich an Tempo 60 zu halten.

Juni 2014: Die Brücke wird erneut für Lkw gesperrt, zunächst auf Zeit, später endgültig. Bis zu 1500 Trucker am Tag nehmen das Bußgeld von inzwischen 150 Euro lieber in Kauf als den Umweg.

August 2016: Eine Ampel- und Schrankenanlage wird eingerichtet, um das Lkw-Fahrverbot durchzusetzen.

September 2016: Die Stadt erkundigt sich beim Land, wie die Chancen auf die von ihr favorisierte Tunnellösung im Stadtgebiet anstelle einer „Superstelze“ stehen. Das Verkehrsministerium antwortet, eine neue Stelzenbrücke würde rund 300 Millionen Euro kosten, eine Tunnelvariante 560 Millionen Euro bei erheblichen Mehrkosten im Betrieb. Man bevorzuge die günstigere Variante.

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Dezember 2016: Das Netzwerk gegen Lärm, Feinstaub und andere schädliche Immissionen (NGL) klagt mit Unterstützung der Leverkusener Grünen und der Bürgerliste vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Neubau. Vor allem der Eingriff in die Altlast der Giftmülldeponie Dhünnaue soll verhindert werden.

Februar 2017: Das Land bringt seine Bedenken gegen die Kombilösung vor: Mindestens dreieinhalb Jahre wäre der Verkehr unterbrochen. Die Gesamtkosten der Kombilösung veranschlagt Straßen NRW mit 2,2 Milliarden Euro; Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro. Der Gutachter der Initiative zweifelt das in Anbetracht des Risikos Altlast an.

Mai 2017: Hunderte Leverkusener demonstrieren gegen eine Öffnung der Giftmülldeponie.

Juni 2017: In NRW ist nun CDU-Mann Armin Laschet neuer Ministerpräsident, der Jurist Hendrik Wüst Verkehrsminister. Am selben Tag, an dem Groschek an Wüst übergibt, benennt dieser Hendrik Schulte zu seinem Staatssekretär. Schulte kommt direkt vom Baukonzern Porr, einem der vier Bieter der laufenden Brückenbauausschreibung.

11. Oktober 2017: Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig weist die NGL-Klagen zurück.

16. Oktober 2017: Porr erhält den Zuschlag – die Österreicher waren 23 Millionen Euro günstiger als der Zweitgünstigste. Insgesamt 363 Millionen verlangt Porr, das sind 65 Prozent mehr als zunächst veranschlagt.

Dezember 2017: Der erste Spatenstich zur neuen Brücke wird in Köln-Merkenich mit viel Prominenz gefeiert. Leverkusener Demonstranten blockieren zeitweise den Zelteingang.

Januar 2018: Statt Baubeginn herrscht Streit: Porr bemängelt fehlende Kampfstoffräumung und findet in der alten Brücke krebserregende Stoffe, giftiges PCB und Asbestfasern, die in der Baubeschreibung von Straßen NRW nicht vorkamen. Das wird allerdings öffentlich verschwiegen. Wegen der Probleme bei der Kampfmittelräumung wird die Bauzeit um ein Jahr verlängert, also jetzt bis 2021. In China werden derweil 80 stählerne Hohlkästen für den neuen Brückenkörper bestellt. Straßen NRW schickt Kontrolleure, die teilweise von der Produktion ausgeschlossen werden. Was nun folgt, wird der Öffentlichkeit erst im April 2020 durch den „Kölner Stadt-Anzeiger“ bekannt. Die Prüfer stellen große Mängel fest: brüchige Schweißnähte, falsche Montagehilfen, kümmerlicher Korrosionsschutz. Porr entgegnet, die Hohlkästen seien normgerecht, Produktionsmängel könnten problemlos auf der Baustelle nachgebessert werden.

September 2018: Die ersten Hohlkästen werden auf Schiffe verladen. Das Ergebnis der Prüfung bei Ankunft in Rotterdam ist vernichtend. Der Landesbetrieb spricht von 250 bis 600 Mängeln pro Bauteil.

23. Dezember 2019: Straßen NRW erhält ein Schreiben von Porr. Der Baukonzern fordert 250 Millionen Euro zusätzlich. Die Bauzeit werde sich um 36 Monate verlängern. Grund seien Störungen, Verzögerungen und Beschleunigungen des Bauablaufs. Im April nimmt Porr die Forderung zurück, um „zu einer vernünftigen Gesamtlösung zu kommen“.

8. April 2020: Porr lässt eigenmächtig die ersten vier Hohlkästen, die niemand will, nach Köln verschiffen. Sie werden im Niehler Hafen gestoppt, Straßen NRW verbietet das Abladen.

18. April 2020: Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ macht den Eklat um die Bauteile publik.

24. April 2020: Straßen NRW erhält von Bundesverkehrsminister Scheuer die Vollmacht, den Vertrag mit Porr zu lösen. Da sind schon 85,98 Millionen Euro an die Österreicher geflossen.

30. April 2020: Der Bau der Brücke wird erneut ausgeschrieben. Bis Jahresende soll der Auftrag vergeben sein. Auch Porr will sich bewerben und fordert außerdem Ausgleichszahlungen in Millionenhöhe.

Mai 2020: Leverkusens Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach (SPD) macht sich erneut für die von ihm und den Bürgerinitiativen favorisierte „Kombilösung“ stark. In einem Brief an das Ministerium forderte er eine erneute Prüfung eines langen Rheintunnels in Ergänzung zur ersten Hälfte der Brücke. Die gegen diese Variante vorgebrachten Argumente – höhere Kosten und wesentlich längere Bauzeit – seien jetzt gegenstandslos.

Juni 2020: NRW-Verkehrsminister Wüst verspricht eine „Beschleunigungsvergütung“ von 100 000 Euro für jeden Tag, den der erste Brückabschnitt vor September 2023 fertig ist.

Juli 2020: Die Bauarbeiten ruhen, der Radweg zwischen Wiesdorf und Hitdorf ist wieder geöffnet. Die Baukosten werden aktuell auf 573 Millionen Euro geschätzt. 2027 steht als neuer Fertigstellungstermin. Wie die A 1 im Leverkusener Stadtgebiet weitergeführt wird, ist nicht beschlossen. (mit tk, ger, pb)

Hier erfahren Sie, was die OB-KandidatInnen zur City C sagen.

Bitte beachten Sie: Aufgrund der sehr kurzfristigen Erklärung der Kandidatur von Christian Alexander Langer (Die Partei) ist hier noch keine Stellungnahme von ihm enthalten, er wird in Kürze separat vorgestellt.