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Interview mit Gisela Walsken„Wir werden oft zum Buhmann gemacht“

Lesezeit 6 Minuten

Seit zwölf Jahren ist Gisela Walsken Regierungspräsidentin. Ihre Behörde, die Bezirksregierung Köln, ist auch für die Kommunen im Kreis Euskirchen zuständig.

  1. Gisela Walsken (63) ist seit 2010 Regierungspräsidentin des Regierungsbezirkes Köln.
  2. Etwa 1850 Mitarbeiter arbeiten bei der Bezirksregierung, die auch für den Kreis Euskirchen zuständig ist.

Kreis Euskirchen/KölnWas macht die Bezirksregierung eigentlich so?Gisela Walsken: Als Mittel- und Bündelungsbehörde sind wir die Landesregierung vor Ort im Regierungsbezirk in allen Fachbereichen. Wir sind für 99 Kommunen zuständig. Wir stellen Lehrkräfte ein, überwachen und genehmigen Industrieanlagen, kümmern uns um Natur- und Umweltschutz und haben ein eigenes Parlament – den Regionalrat.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Spaß?

Das Interessante an der Arbeit ist, dass sie so unfassbar vielseitig ist. Ich habe in den vergangenen zwölf Jahren viele Erfahrungen sammeln dürfen. Man kann – und das macht mir besonders Spaß – sehr konkret den Kommunen, aber auch Bürgern helfen, für sie etwas tun. Und damit meine ich nicht „nur Förderbescheide überreichen“. Meine Arbeit ist sehr konkret und sehr vielseitig.

Die Arbeit war in den vergangenen zwei Jahren aber sicherlich intensiv, oder?

Ja! Wir haben parallel zwei Krisenstäbe geführt. Einen für Corona, einen zur Flut. Jetzt führen wir wieder einen wegen des Kriegs in der Ukraine und dem damit verbundenen Zustrom an Flüchtlingen. Das ist für die Kolleginnen und Kollegen kräftezehrend. Finanzieller Ausgleich als Dankeschön ist schön und gut. Das tägliche miteinander Reden und Motivieren ist das Entscheidende. Ich kann vor den Mitarbeitenden nicht oft genug den Hut ziehen.

Wie schafft man es denn, 99 Kommunen glücklich zu machen?

Indem man in engem Kontakt miteinander steht. Das wird deutlich am Regionalplan. Der muss alle 20 bis 25 Jahre erneuert werden. Wir haben bereits vor vier Jahren erste Gespräche mit den Kommunen geführt. Wir versuchen, den Kommunen und ihren Wünschen gerecht zu werden.

Dennoch steht die Bezirksregierung oft in der Kritik.

Das stimmt. Aber wir werden auch oft zum Buhmann gemacht. In 90 Prozent der Fälle sind wir aber gar nicht der Buhmann.

Zuletzt stand die Bezirksregierung in der Kritik, weil die Bearbeitung der Wiederaufbauanträge schleppend anlief und die Flutbetroffenen lange auf Geld warten mussten. War die Kritik berechtigt?

Nein, die Kritik war nicht berechtigt! Formal konnten die Anträge gestellt werden, aber wir konnten von Mitte September bis Ende Oktober diese nicht bearbeiten. In der Zeit sind unfassbar viele Anträge aufgelaufen, weil es grobe technische Probleme im Fachverfahren gab. In dieser Phase haben uns bereits andere Bezirksregierungen unterstützt und unter unserem Briefkopf Bescheide versandt. Das führte dazu, dass die Antragssteller zunächst bei uns in Köln anriefen und wir das Anliegen dann nach Detmold, Münster, Arnsberg oder Düsseldorf weiterleiten mussten.

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Ende März besuchte Gisela Walsken die frühere Eifelhöhen-Klinik in Marmagen, um sich ein Bild von der ehemaligen Reha-Klinik zu machen.

Um dies zu ändern, gab es eine Videokonferenz mit allen betroffenen Gemeinden in NRW. In der wurde erklärt, dass die Post ab sofort aus der bearbeitenden Bezirksregierung kommt. Leider hat ein Abgeordneter dann behauptet, meinem Haus sei die Zuständigkeit entzogen worden. Das hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr getroffen, hatten Sie doch unter schwierigen Bedingungen alles versucht, um Geld auszuzahlen. Die Verantwortung für die lange Verzögerung lag ausschließlich beim zuständigen Ministerium.

Sie wussten also, was auf Sie und Ihr Team zukommt?

Wir waren als Bezirk am stärksten betroffen. Wir haben allein 50.000 bis 60.000 Wiederaufbauanträge erwartet. Es war von Anfang an klar, dass wir die Aufgaben aufteilen müssen. Im September haben wir damit begonnen.

Zur Person

Gisela Walsken ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit 2010 ist die Duisburgerin Regierungspräsidentin in Köln. Von 1990 bis 2021 war sie Mitglied des Landtags in NRW. Seit 1974 ist sie in der SPD. Unter anderem ist sie Mitglied des Deutschen Kinderschutzbundes. (tom)

Die Ministerin hat aber den Antragsstart früher verkündet und das hat viel Ärger gegeben, weil es elektronisch nicht funktioniert hat; es wurde ein enormer Zeitdruck erzeugt. Der Hintergrund ist klar, wenn man bedenkt, zu welchem Zeitpunkt das war (Ina Scharrenbach und Hendrik Wüst lieferten sich damals ein CDU-internes Rennen um den Posten des Ministerpräsidenten, Anm. d. Red.).

Kurz vor Weihnachten schrieben Sie in einer Mail, mit der Sie sich bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit bedankten, dass man nun „mehr oder weniger am Anfang der Bearbeitung der Wiederaufbauanträge stehe“. Eine unglückliche Formulierung, oder?

Ja, aber es war auch so. Eine geregelte Antragsbearbeitung mit kurzen Bewilligungsfristen war erst dann möglich. Für Außenstehende, vor allem für Betroffene, kann die Aussage missverständlich rüberkommen. Wir konnten erst ab November mit dem Abarbeiten beginnen. Da hatten wir bereits ca. 9000 Anträge hier liegen. Und das vor dem Hintergrund, dass wir zwar Stellen zugewiesen bekommen hatten, diese aber mangels Bewerbungen nicht alle besetzt werden konnten. Derzeit laufen immer noch 24 Ausschreibungen für die Wiederaufbauhilfe. Es hätte einiges anders laufen können. Das ist schade, weil die Betroffenen die Leidtragenden waren.

Wie ist der aktuelle Stand?

Mittlerweile läuft das ganze System. Wir haben aber immer noch nicht alle Stellen für den Wiederaufbau besetzt. Wir rechnen damit, dass uns der Wiederaufbau fünf Jahre beschäftigen wird.

Was haben Sie persönlich, aber auch die Bezirksregierung aus der Flutkatastrophe gelernt?

Beispielsweise, dass trotz Digitalfunks plötzlich ein ganzer Kreis nicht mehr erreichbar war. Da müssen wir nachbessern. Es kann nicht sein, dass wir keine Möglichkeit haben, jemanden über das mobile Netz zu erreichen, wenn die Sendemasten weggespült worden sind. Da haben wir Handlungsbedarf. Was auch nicht gut funktioniert hat, ist das Nachvollziehen, wer vermisst wird und wer nicht. Dazu gibt es die PASS NRW (Personenauskunftsstelle, Anm. d. Red.), deren Aktivierung zu lange gedauert hat.

Jetzt sind zehn Monate vergangen. Die nächste Katastrophe könnte morgen kommen. Warum dauert es so lange, die richtigen Schlüsse, beispielsweise beim Digitalfunk, zu ziehen?

Die Frage stelle ich mir auch. Die technische Ausstattung muss über das Innenministerium erfolgen. Das können wir hier nicht finanziell stemmen. Wir brauchen einen Hochleistungsdigitalfunk, mit mobilen Lösungen.

Wie geht es mit der Steinbachtalsperre weiter? War die Scharte notwendig?

Die Scharte soll zur Sicherheit beitragen und war notwendig. Es hat umfangreiche Untersuchungen gegeben. Dabei ist herausgekommen, dass wir Druck vom Damm nehmen müssen, falls es zu einem neuen Hochwasser kommt. Jetzt kann an neuen Konzepten weitergearbeitet werden. Aktuell erarbeitet der Betreiber ein Konzept zur weiteren Nutzung. Sobald die Scharte fertiggestellt ist, muss der Betreiber, die e-regio, einen formellen Antrag auf Befüllung stellen.

Frau Walsken, geben Sie bitte einen Ausblick auf die kommenden Wochen und Monate.

Wir haben seit dem 1. Januar 2020 insgesamt 169 Zusatzaufgaben bekommen. Davon sind 116 komplett neu. Dazu gehören die Wirtschafts- und Soforthilfe im Zuge der Coronapandemie und die Wiederaufbauhilfe. Vergangene Woche kam der Hinweis, dass wir Personal abstellen müssen, um Unternehmen, die Gas beziehen, im Falle eines Lieferstopps zu kontrollieren.

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Eine schwierige Aufgabe ohne zusätzliches Personal! Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt, aber das Personal mussten wir schon mal benennen. Auch in den kommenden Monaten und Jahren kommen einige Herausforderungen auf uns zu. Ich bin mir als Behördenleitung jedoch sicher, dass die Bezirksregierung Köln durch die Kolleginnen und Kollegen gut aufgestellt ist und dies auch für die Zukunft sein wird.