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FluthilfeBewilligungsbescheide sorgen bei Betroffenen im Kreis Euskirchen für Ärger

Lesezeit 6 Minuten

Der Sperrmüll türmte sich nach dem Hochwasser schnell meterhoch auf den Straßen.

Kreis Euskirchen – Nachdem die Bezirksregierung Köln in der Region schon seit Wochen wegen der langwierigen Bearbeitung der Anträge auf Wiederaufbauhilfe in der Region in Kritik steht, ist sie nun für diese Anträge aus dem Kreis Euskirchen nicht mehr zuständig.Wie der Euskirchener CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Voussem mitteilte, werden die Zuständigkeiten der Bezirksregierungen für die Bearbeitung der Wiederaufbauhilfen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe neu verteilt. Damit, so Voussem, ist die Bezirksregierung Köln unter Leitung von Gisela Walsken (SPD) für keine der Kommunen im Kreis Euskirchen mehr zuständig.

„Leider war die Bezirksregierung Köln wohl mit der Aufgabe überfordert“

„Leider war die Bezirksregierung wohl mit der Aufgabe überfordert, weshalb sie sich Hilfe bei den anderen Bezirksregierungen geholt hat und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden“, so Klaus Voussem.

„Ob das nun einen großen Sprung nach vorne bei der Bearbeitung und Auszahlung der Wiederaufbauhilfen gibt, bleibt abzuwarten. Kurz vor dem Ziel die Pferde zu wechseln, hat nur selten geholfen.“ So ist laut Voussem etwa die Bezirksregierung Münster nun für Euskirchen und Kall zuständig, Anträge aus Hellenthal und Nettersheim werden von der Bezirksregierung Düsseldorf bearbeitet.

So reagiert die Bezirksregierung Köln

Wie die Pressestelle der Bezirksregierung am Freitag auf Anfrage der Redaktion mitteilte, sei es aber nicht so, dass die Bearbeitung der Anträge aus dem Kreis Euskirchen der Zuständigkeit der Bezirksregierung „entzogen“ worden seien. Dies sei eine Maßnahme zum Belastungsausgleich.

Die fünf nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen hätten vereinbart, für die gesamte Laufzeit der Förderrichtlinie die Anträge Fluthilfe solidarisch zu gleichen Teilen in allen Häusern zu bearbeiten. „Dies bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger der Städte und Gemeinden zukünftig unmittelbar die Bewilligungsbescheide nicht nur ausschließlich von der Bezirksregierung Köln erhalten werden“, teilte der stellvertretende Pressesprecher Dennis Heidel mit: „Die Aufgabenverteilung wird so strukturiert, dass alle Anträge aus einer Kommune bei einer Bezirksregierung verortet sein werden.“

Bewilligungsbescheide sorgen bei Betroffenen für Ärger

Doch die Bewilligungsbescheide, die derzeit in der Region eintrudeln, sorgen bei den Menschen für blankes Unverständnis und Ärger. Die Eheleute R. in Gemünd rieben sich ungläubig die Augen. Endlich lag der sehnlich erwartete Bescheid der Bezirksregierung über die Gewährung der Billigkeitsleistungen des Landes in ihrem Briefkasten. Die dort verzeichnete Summe entsprach den 80 Prozent der Wiederherstellungskosten des Gebäudes, die der Gutachter für den Antrag bescheinigt hatte.

Die Freude, jetzt weitermachen zu können, um die von der Flut angerichteten Schäden beseitigen zu können, war zunächst groß. Dann der erste Wermutstropfen: Am 12. Januar hatte NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) in einer Pressekonferenz zwar mitgeteilt, dass mit dem Bescheid auch die erste Tranche in Höhe von 40 Prozent der Fördersumme überwiesen werde. In dem am 20. Januar versandten Bescheid an die Eheleute wurde aber mitgeteilt, dass die Auszahlung erst mit Bestandskraft des Bescheides erfolge: „In der Regel erfolgt die Auszahlung rund einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids.“

Obwohl die Eheleute ihr Geld schon ins Trockenlegen und Entkernen gesteckt haben, kommen sie mit der einmonatigen Wartezeit zurecht, weil sie bislang aus einem anderen Grund gar keinen Handwerker beauftragen konnten. Die sind seit der Flutkatastrophe schwer zu finden.

Wiederaufbau: Drei Angebote von Handwerkern einholen

Dann aber fiel den Eheleuten der Brief fast aus der Hand. Unter Punkt 3.1 der Nebenbestimmungen wurden sie informiert, dass die Aufträge nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen zu vergeben seien: „Dazu sind drei Angebote einzuholen; soweit das nicht möglich ist, ist dies zu dokumentieren. Verfahren und Ergebnisse sind zu dokumentieren.“

Die Eheleute waren fassungslos: „Schwer genug, überhaupt einen Handwerker zu finden. Wie sollen wir denn an drei Angebote kommen?“ Manfred R., selbst Jurist im Ruhestand, musste den Bescheid mehrfach lesen. Und war trotzdem ratlos. „Das kann doch einfach nicht wahr sein. Wissen die denn nicht, was hier los ist?“

Vorstoß der Kreis-FDP

Auf Initiative des Schleidener Ortsverbandes haben acht FDP-Verbände aus dem Kreis Anträge in den Räten ihrer Kommunen eingereicht. Sie fordern eine vereinfachte Wiederaufbauhilfe. Unnötige Hürden seien bei den Hilfen aufgebaut worden, sagt Jan Griskewitz, FDP-Fraktionsvorsitzender aus Schleiden. In der aktuellen Situation drei Kostenvoranschläge einzuholen – das sei kaum zu schaffen: „Es ist schon fast unmöglich, an Handwerker und Baumaterial zu kommen.“

Anträge schneller zu bearbeiten – das fordert auch FDP-Kreisfraktionsvorsitzender Frederik Schorn: „Wer das Glück hat, einen Handwerker zu finden, will sofort mit der Arbeit anfangen.“ Für viele heiße das, dass sie immer weiter in Vorkasse gehen müssten – ohne überhaupt zu wissen, ob Hilfen bewilligt werden. (maf)

Auch der Euskirchener Landrat Markus Ramers ist sauer. Das Verfahren der Wiederaufbauhilfen laufe bis heute alles andere als rund. Ramers: „Dass für die Vergabe von Aufträgen jetzt drei Angebote verlangt werden, ist völlig unrealistisch und geht an der Praxis in einem Flutgebiet vorbei. Hier ist es mitunter schon ein Kunststück, einen Handwerker zu finden. Wie soll man da drei Angebote auf den Tisch legen?“

Ramers weiter: „Was mich aber am meisten ärgert: Wir haben das zuständige Ministerium bereits am 28. September 2021 auf diesen unrealistischen Passus im Leitfaden hingewiesen und deutlich gemacht, dass diese Vorgabe nicht zumutbar ist. In einer Antwort vom 30. September 2021 hat das Ministerium dann mitgeteilt, dass die entstehenden Kosten auch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden können. Warum die Bezirksregierung Monate später noch am alten und überholten Passus festhält, kann man keinem mehr erklären. In der heutigen Video-Konferenz mit der Bezirksregierung habe ich mich zudem dafür eingesetzt, dass in den Bescheiden zwingend ein Ansprechpartner genannt werden muss.“ Nur so könnten Rückfragen zum Bescheid direkt und unkompliziert geklärt werden. Alternativ bliebe nur der Klageweg. Ramers: „Die Bezirksregierung hat zugesichert, dass künftig Ansprechpartner aufgenommen werden.“

Euskirchen: Klaus Voussem will, dass Voranschlag ausreicht

Auch Klaus Voussem fordert, dass ein Voranschlag reicht, wenn die Kosten dadurch plausibel dargelegt werden können. „Leider ist dies bei den Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds mit dem Bund so festgelegt worden. Wir werden aber weiter dafür kämpfen, das Verfahren schlanker zu gestalten“, so Voussem.

NRW-Ministerin Ina Scharrenbach erklärte am Freitag auf Anfrage der Redaktion, dass die Landesregierung nicht frei in der Gestaltung der Förderrichtlinie Wiederaufbau sei. Es gebe umfängliche Vorgaben des Bundes, was und wie gefördert werden dürfe. Die Bewilligungen unterlägen der Nachprüfung des Bundesrechnungshofs und des Landesrechnungshofs. Bei der Vergabe von Finanzmitteln aus Steuermitteln gelte der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit.

Der Punkt in den Nebenbestimmungen sei Ausfluss des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Da es sich bei den Billigkeitsleistungen aus dem Wiederaufbaufonds um ein Sondervermögen des Bundes handele, seien entsprechende haushalterische Grundsätze zu beachten.

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Wie Ministeriums-Pressesprecher Robert Vornholt mitteilte, verhindere die Vorschrift jedoch keineswegs einen Zugang zu den Billigkeitsleistungen. Denn dort sei auch auf eine schriftliche Darstellung (Dokumentation) verwiesen, wenn keine drei Angebote eingeholt werden könnten. Diese Dokumentation sei im Übrigen erst im abschließenden Verwendungsnachweisverfahren anzugeben und verhindere keine vorgegangenen Auszahlungen. Den Antragstellerinnen und Antragstellern, die etwa aus der Notsituation heraus unmittelbar nur ein Handwerksunternehmen zur Beseitigung von Schäden beauftragt hätten, entstehe somit kein Nachteil.

„Wenn die Antragstellenden nur ein oder zwei Angebote erhalten, dann sollten Sie dokumentieren, wen Sie wann um Angebote gebeten haben und welche Preise danach gelten. Inwieweit wir in den Nebenbestimmungen auf diesen Sachverhalt aufmerksam machen können, wird zurzeit geprüft“, so das Ministerium.

Die Vorschrift schütze zugleich vor unlauteren Angeboten vonseiten ausführender Firmen: Auch auf deren Seite gebe es Scharlatane, die mit der Not Betroffener Kasse beim Staat machen wollten. Entsprechende Fälle seien aus dem Regierungsbezirk Köln bekannt.