- Das so wichtige Infrastrukturprojekt der A1 beschäftigt am Mittwoch den Landtag.
- NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst will den Generalunternehmer Porr AG für alle Mehrkosten in Folge der Neuvergabe zur Kasse bitten.
- In der Vorlage zeichnet Wüst einen chronologischen Verlauf des Desasters um den Neubau der maroden A1-Brücke
Leverkusen – Fehlerhaft aufgebrachte Kopfbolzendübel und Schweißnähte, Beulen, Einprägungen und Hartstempelungen an den Oberflächen der Stahlbleche sowie massive Qualitätsmängel beim Korrosionsschutz: die Liste der Beanstandungen an den aus China kommenden Stahlbauteilen für den Neubau der Leverkusener Rheinbrücke ist lang. Am Mittwoch ist das Desaster um das so wichtige Infrastrukturprojekt der Autobahn A 1 Thema im Verkehrsausschuss des Düsseldorfer Landtages.
Vernichtendes Urteil
In der umfangreichen Vorlage von Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) fällt der von Straßen.NRW bestellte hoheitlich tätige Prüfingenieur ein vernichtendes Urteil: „Selbst wenn theoretisch jeder einzelne Mangel an sich nachgebessert werden könnte, entspräche ein Bauteil mit 250 bis 600 Reparaturstellen und damit Störungen in der Struktur des Grundmaterials nicht dem für den Einbau in diese Brücke erforderlichen Qualitäts- und Sicherheitsniveau.“
Arbeiten in der Dhünnaue beginnen
Während durch die Kündigung des Vertrages mit Porr die Arbeiten an der Brücke ruhen, gehen in den links- und rechtsrheinischen Bauabschnitten des Projektes die Arbeiten weiter. Dort sind andere Baufirmen tätig. So beginnen heute im Autobahnkreuz Leverkusen-West bis Ende Mai weitere Arbeiten iin der Altablagerung Dhünnaue. Neben dem rechtsrheinischen Widerlager der Rheinbrücke wurde eine Einhausung errichtet, die wegen der besonderen Lage am Hang wesentlich höher als die bisherigen ist.
Im Schutz der Einhausung wird zum Teil belasteter Boden zwischen den bereits hergestellten Bohrpfählen ausgehoben und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen entsorgt.
Der Experte kommt zur Einschätzung: „Drift in den Zustand der alten Brücke.“ Mit anderen Worten, die neue Brücke hätte schon vor ihrer Freigabe für den Verkehr absehbar einen ähnlichen Überwachungsaufwand wie das gegenwärtige marode Bestandsbauwerk gehabt. Porr aber habe bis zuletzt lediglich die Mängelbeseitigung und die Neuherstellung der ersten beiden Stahlbauteile angeboten. Nicht aber der anderen schon gefertigten Elemente, von denen 18 noch im Hafen von Rotterdam liegen, heißt es in der Vorlage. Zudem seien die von Straßen.NRW entsandten Prüfer bei der Überwachung der von Porr mit der Fertigung der Stahlbauteile beauftragten Nachunternehmern in China behindert worden. Mal durften sie die Hallen nicht betreten, mal waren die Gerüste mangelhaft. Deshalb habe sich der Staatssekretär auf Bitten des Landesbetriebs an den chinesischen Generalkonsul gewandt.
263 Millionen mehr gefordert
Noch aus einem weiteren Grund beendete der Landesbetrieb Ende April mit Porr die Zusammenarbeit. Der Konzern hatte kurz vor Weihnachten rund 263 Millionen mehr gefordert und eine rund viereinhalb Jahre längere Bauzeit angekündigt unter anderem wegen des Abrisses der mit Asbest und Blei belasteten Bestandsbrücke. Die aus Sicht von Straßen.NRW nicht nachvollziehbare Forderung hatte Porr dann im April 2020 wieder zurückgezogen.
Letztlich, so der Minister , war die Kündigung des Vertrages von Seiten des Landesbetriebs mit Zustimmung der Verkehrsministerien von Bund und Land unumgänglich gewesen. Das Vertrauen in eine vertragskonforme Projektdurchführung durch die Porr AG sei nicht mehr vertretbar und der Zeitplan durch nicht abzuschätzende Bauzeitverlängerungen nicht kalkulierbar gewesen. Gekündigt wurde nach Ansicht von Wüst aus „wichtigem Grund“. Die Untersuchungen der beanstandeten Stahlbauteile in Rotterdam durch Gutachten des Sachverständigen für Schweißtechnik und des Prüfingenieurs lieferten dazu die nötigen Beweisgründe, so der Minister. Entsprechend werde Porr für alle Mehrkosten infolge der Neuvergabe aufkommen müssen und selbst keine Forderungen mehr stellen können.
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Im Unterscheid zur ersten Ausschreibung fordert die Anfang Mai veröffentlichte Neuausschreibung, dass Herstellung und Montage der tragenden Stahlbauteile nur vom Bieter selbst oder von einem Mitglied der Bietergemeinschaft ausgeführt werden dürfen. Damit bestehe ein direktes Vertragsverhältnis zum Stahlbauer. Ziel sei es die Bauarbeiten im November wieder aufzunehmen und das erste sechsspurige Brückenbauwerk im September 2023 fertigzustellen. Mit Bonuszahlungen, Zwischenfristen und Vertragsstrafen soll das erreicht werden. Die weiteren Ausschreibungen zum Abbruch der alten Rheinbrücke und für den Neubau des zweiten Brückenteils sollen zu einem spätere Zeitpunkt erfolgen.
Porr hält Kündigung für unbegründet
Die Porr AG hält die Kündigung allerdings nach wie vor für unbegründet und hat sich vorbehalten, sich auch auf die neuerliche Ausschreibung hin zu bewerben. Auf einer Anfrage der Rundschau antwortete der Konzern: „Gutachterliche Aussagen, unter anderem vom TÜV Rheinland, bestätigen, dass die festgestellten Fehlstellen unproblematisch hätten beseitigt werden können und die Stahlteile infolge einbaufähig gewesen wären“. Porr habe Mitte April von dem vertraglichen Recht Gebrauch gemacht und eine Schiedsbegutachtung verlangt. Diese schon vor der Kündigung beantragte Begutachtung der Stahlteile läuft derzeit. Allerdings ohne Zustimmung von Straßen.NRW, die aufgrund der Eindeutigkeit der vorliegenden Gutachten keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten seien.