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Zwischenbilanz der NRW-Regierung (2)Was wurde aus den schwarz-grünen Top-Themen?

Lesezeit 5 Minuten
Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht mit seiner Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, l, (Grüne) während einer Plenarsitzung.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht mit seiner Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, l, (Grüne) während einer Plenarsitzung.

Vor zweieinhalb Jahren haben CDU und Grüne die erste schwarz-grüne Regierung der NRW-Landesgeschichte gebildet. Wir ziehen Zwischenbilanz - von Abschiebung bis Windkraft.

Vor zweieinhalb Jahren haben CDU und Grüne die erste schwarz-grüne Regierung der NRW-Landesgeschichte gebildet. In Teil 1 blickten wir auf die persönliche Halbzeitbilanz der Kabinettsmitglieder. Heute schauen wir auf die Inhalte: Im knapp 150-seitigen Koalitionsvertrag stehen allerlei konkrete Versprechen. Was ist daraus geworden?

Windenergie

Schwarz-Grün wollte „in den kommenden fünf Jahren mindestens 1000 zusätzliche Windenergieanlagen“ installiert sehen. Zur Hälfte der Legislaturperiode sind die Zubauzahlen tatsächlich im Bundesvergleich sehr gut: Seit Herbst 2022 wurden rund 240 Windenergieanlagen in Betrieb genommen, weitere 672 sind genehmigt. Der Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrad und Wohnbebauung wurde abgeschafft. Genehmigungen sind aber noch keine Installation, weil Bescheide häufig von Anwohnern beklagt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zudem den Versuch gekippt, einen Zubau in NRW nur noch in festgelegten fünf Vorranggebieten zu ermöglichen. Status: 🟡

Solardach-Pflicht

Der Koalitionsvertrag sah eine verpflichtende Photovoltaik-Anlage ab 1. Januar 2023 für alle neuen öffentlichen Liegenschaften, ab dem 1. Januar 2024 für alle gewerblichen Neubauten und für private Neubauten ab dem 1. Januar 2025 vor. Tatsächlich wurde im Herbst 2023 die Landesbauordnung geändert. Sie sieht eine Solardachpflicht ab 2024 bei neuen Nichtwohngebäuden vor, ab 2025 bei neuen Wohngebäuden und ab 2026 bei Bestandssanierungen mit vollständiger Neueindeckung des Daches. Status: 🟢

Lehrerversorgung

„Wir wollen 10000 zusätzliche Lehrkräfte in das System Schule bringen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die nicht sofort besetzbaren Stellen wolle man vorübergehend durch pädagogische Fachkräfte und unterstützendes Personal besetzen. Die Realität: Bei einem leergefegten Markt sind nicht einmal die 6000 offenen Stellen in NRW zu besetzen, von „zusätzlichen“ Kräften ganz zu schweigen. Die Landesregierung verweist darauf, dass immerhin 7000 Menschen mehr im System Schule arbeiteten – Lehrkräfte, Fachleute für Sozialarbeit und Psychologie sowie Assistenzkräfte. Status: 🟡

A13 für alle

Das teuerste Wahlversprechen lautete: „Wir werden die Eingangsbesoldung für alle Lehrämter auf A13 anheben.“ Tatsächlich verdienen jetzt auch Grundschullehrer so viel wie ihre Kollegen am Gymnasium. Status: 🟢

Kohleausstieg

Es war der zentrale Leitsatz für Schwarz-Grün: „Wir wollen den Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen bis 2030 umsetzen.“ Tatsächlich hat man sich im umstrittenen „Kohledeal“ mit dem RWE-Konzern eine entsprechende Zusage geholt. Da aber noch immer keine ausreichende Zahl an modernen Gaskraftwerken als Reservekapazitäten für den wegfallenden Kohlestrom in Sicht ist, wird der Ausstieg 2030 immer unrealistischer. Status: 🟡

Grunderwerbssteuer

NRW wollte die auf Bundesebene vereinbarte Möglichkeit „einer flexibleren Gestaltung der Grunderwerbsteuer zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger“ unterstützen. Tatsächlich tut sich nichts und NRW leistet sich trotz Wohnungsbauflaute weiterhin mit 6,5 Prozent einen der höchsten Sätze in Deutschland. Status: 🔴

Kommunale Altschulden

2022 hatte Schwarz-Grün den überschuldeten Kommunen in NRW eine Lösung zugesagt: „Sollte der Bund seiner Verantwortung nicht nachkommen, bekennen wir uns dazu, im kommenden Jahr selbst eine Lösung herzustellen und dafür einen Altschuldenfonds einzurichten, der für die teilnehmenden Kommunen eine substanzielle und bilanzielle Entlastung bringt.“ Nach dem Versuch einer Mogelpackung, bei der die Kommunen ihre Altschuldenhilfe selbst bezahlen sollten, gibt es ab 2025 immerhin jährlich 250 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Der Bund beteiligt sich aber weiter nicht. Status: 🟡

Kita-Beiträge

Eltern kleiner Kinder konnten sich 2022 über ein vollmundiges Versprechen freuen: „Wir werden auch das dritte Kita-Jahr vor der Einschulung in ganz Nordrhein-Westfalen beitragsfrei machen.“ Angesichts der Haushaltslage eine völlig unrealistische Ankündigung. Status: 🔴

Kita-Essen

Noch so ein Versprechen: „Wir streben eine kostenfreie Verpflegung in Kitas an und werden Eltern schrittweise einkommensabhängig von Essensgeldern entlasten.“ Die meisten Eltern sind wohl froh, wenn ihre vom Land unterfinanzierte Kita den Betreuungsbetrieb überhaupt aufrechterhalten kann. Status: 🔴

Landesschulden

„Wir werden Haushalte ohne neue Schulden aufstellen“, heißt es im Koalitionsvertrag, wohlweislich mit dem Zusatz: „…wie es die grundgesetzliche Schuldenbremse samt Ausnahmen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen als Voraussetzung einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik vorsieht.“ NRW macht 2024 und 2025 erstmals seit Jahren wieder Milliarden-Schulden und beruft sich auf die „Konjunkturkomponente“ der Schuldenbremse. Status: 🟡

Clan-Kriminalität

Innenminister Herbert Reul (CDU) sollte auf Druck der Grünen eine neue Definition zur Clan-Kriminalität finden, „ohne Personen unter Generalverdacht zu stellen“. Bis heute heißt die Clan-Kriminalität weiter so und ist sogar in aller Munde, weil sich neben den kriminellen türkisch-arabischen Großfamilien inzwischen auch syrische Clans in NRW breit machen. Status: 🔴

Abschiebungen

Schwarz-Grün hatte sich vorgenommen, „alle humanitären und aufenthaltssichernden Bleiberechtsregelungen so auszuschöpfen, dass gut integrierte geduldete Geflüchtete eine Bleibeperspektive erhalten“. Eine harte Linie bei Rückführungen sah man kritisch: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen vorrangig mildere Mittel als Alternative zur Abschiebehaft ausgeschöpft werden.“ Nach dem Attentat von Solingen kam die komplette Kehrtwende, sogar eine zweite Abschiebehaftanstalt soll gebaut werden. Status: 🔴

Ganztag

Schwarz-Grün wollte den Rechtsanspruch aller Grundschulkinder auf Ganztagsbetreuung gesetzlich absichern: „Durch eine schulrechtliche Verankerung und im Rahmen eines Landesausführungsgesetzes stärken wir die Qualität des Ganztags.“ Das Gesetz kommt nicht. Die OGS-Standards bleiben unverbindlich, Kommunen und Träger müssen sehen, wie sie ab 2026 klarkommen. Status: 🔴

Wahlalter

CDU und Grüne hatten sich festgelegt: „Wir werden das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre absenken.“ Notwendig wäre bis 2027 ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der Verfassung und des Landeswahlgesetzes. Da auch Teile der Opposition mitmachen wollen, dürfte die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag stehen. Bislang ist aber noch nichts passiert. Wackelt etwa das Versprechen, weil große Teile der Jungwähler inzwischen von den Grünen zur AfD übergelaufen sind? Status: 🟡