NRW – Manfred Güllner ist Gründer und Geschäftsführer von Forsa. Eva Burghardt sprach mit ihm über die Situation der Grünen in NRW und das Erfolgsgeheimnis von Hendrik Wüst.
Aus den Umfrageergebnissen des NRW Checks geht hervor, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst als Person beliebter ist als die Landesregierung insgesamt. Wie erklären Sie sich das?
Hendrik Wüst ist nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten durch den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz zunächst bekannt geworden, dann hat er die Wahl gewonnen und ist so zur zentralen Figur der NRW-CDU geworden.
Dabei hatte seine Partei vor der Landtagswahl nicht die besten Umfragewerte.
Die Ausgangslage der CDU war bei der Amtsübernahme von Hendrik Wüst extrem schlecht. Armin Laschet hat ja nicht nur die Niederlage der Union bei der Bundestagswahl zu verantworten, sondern auch das Vertrauen zur CDU im Land auf einen Tiefpunkt gebracht, so dass die CDU im Herbst letzten Jahres hinter der SPD lag. Hendrik Wüst hat das dann ändern können, weil er den Bürgern den Eindruck vermitteln konnte, es gäbe mit ihm einen Neuanfang.
Macht ihn seine Jugend so beliebt?
Den Bürgern ist ziemlich gleichgültig, ob ein Politiker jung oder alt, männlich oder weiblich ist. Wichtig ist, ob als vertrauenswürdig und kompetent eingeschätzt wird. Hendrik Wüst wird als bodenständig empfunden und spricht verständlich in kurzen Sätzen. Das wird von den Wählern honoriert.
Bei den Grünen hingegen entsteht der Eindruck, dass die Partei selbst bei den eigenen Anhänger nicht ankommt: Nur 55 Prozent gaben an, dass ihre Partei am besten mit den Problemen fertig werden. Nicht einmal die Hälfte ist zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen.
Man muss sich klar machen, dass die Grünen-Wähler aus zwei Gruppen bestehen. Die einen sind die Alt-Grünen, eine Wertegemeinschaft, die in jungen Jahren zu den Grünen gestoßen sind und seitdem nie etwas anderes wählen. Damit kommt die Partei zwar immer über fünf Prozent, aber eben nicht in die Nähe von 20 Prozent oder darüber hinaus. Dafür braucht sie die „Neu-Grünen“, also Zuwanderer von anderen Parteien. Die sind aus Unzufriedenheit mit anderen Parteien zu den Grünen gewandert, aber damit noch keine Stammwähler der Grünen geworden. Dadurch schauen sie auch kritischer hin und wandern auch wieder zurück zu ihrer ursprünglichen Partei, wenn ihnen die Arbeit der Grünen missfällt.
Die AfD gewinnt Zulauf in NRW
Bei der Landtagswahl am 15. Mai 2022 erhielt die AfD 5,2 Prozent der Erststimmen und 5,4 Prozent der Zweitstimmen. Bei letzteren musste die Partei noch einen Verlust von 1,9 Prozent im Vergleich zur Landtagswahl im 2017 hinnehmen.
Bei der aktuellen Umfrage zu den Parteipräferenzen in Nordrhein-Westfalen Ende September sieht das Stimmungsbild etwas anders aus: Neun Prozent der Befragten würden die AfD wählen, wenn jetzt eine Landtagswahl stattfinden würde. Wäre Bundestagswahl, stimmten zehn Prozent für die Partei.
Bei der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres erhielt die AfD 10,3 Prozent der Stimmen. (ebu)
Welche Gründe sorgen dafür, dass die sich von den Grünen abwenden? Könnte man sagen, dass etwa die aktuelle Debatte über eine Wiederaufnahme der Kernkraft nicht zum erklärten Ziel des Klimaschutzes passt?
Das ist nicht der Grund. Die Grünen sind ja überwiegend nicht wegen des Klimaschutzes gewählt worden. Vielmehr erleben wir jetzt eine Entzauberung von Robert Habeck. Sein Agieren in der Krise erzeugt zunehmend Unmut und schadet damit den Grünen.
Wie meinen Sie das?
Viele Bürger und auch Wähler der Grünen haben schon das Konzept der Gasumlage nicht nachvollziehen können. Dann folgte das Hickhack darum in der Ampel-Koalition bis zu ihrer schließlichen Abschaffung. Und Habecks Lavieren bei der Frage der Laufzeit der Kernkraftwerke stößt bei der großen Mehrheit aller, aber auch einem Teil der grünen Wähler nicht nur auf Unverständnis, sondern verstärkt die Unzufriedenheit. Das hat dann auch Einfluss auf die politische Stimmung in NRW.
54 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit der Landesregierung nicht zufrieden.
Die Energiekrise und die Inflation überschatten gerade fast alle landespolitischen Themen, zumal mehr als die Hälfte der Befragten von den negativen Folgen der Preissteigerungen schon betroffen sind. So überträgt sich der Unmut über die Bundespolitik auch auf die Ebene der Landespolitik.
Aus den Umfrageergebnissen geht hervor, dass vor allem die Gruppe der Arbeiter besonders unzufrieden ist – mit der Landesregierung und mit dem Ministerpräsidenten. Fehlt in NRW eine „Arbeiterpartei“?
Das größte Problem ist, dass die unteren Schichten sich auch in NRW nicht mehr vertreten fühlen. Die Grünen sind eine Klientelpartei für die oberen Einkommens- und Bildungsschichten und haben starke Stimmanteile in den urbanen Metropolen, werden aber im ländlichen Raum und vor allem in sozial schwachen Regionen nur von Wenigen gewählt. Drastisch formuliert könnte man sagen, die Grünen spalten die Gesellschaft. Die Arbeiter fühlen sich von ihnen nicht vertreten, sondern beginnen wegen einer zu grünen Politik sogar in das äußerst rechte politische Lager abzudriften.
Die Linken haben in Westdeutschland nie richtig Fuß fassen können. Und das, was jetzt gerade in der Linken passiert, ist nicht sympathieförderlich. Die SPD hat, abgesehen von einem Zwischenhoch mit dem jetzt geächteten Gerhard Schöder, ein langes Siechtum hinter sich. Auch in NRW hat sie ihre frühere Verankerung in der Wählerschaft verloren. Und das hier einstmals ausgeprägte lokale Vertrauen ist fast vollständig verloren gegangen.
Müssen wir in NRW jetzt einen Rechtsruck befürchten?
Ein Indikator dafür ist, dass die AfD derzeit auch an Rhein und Ruhr Zulauf findet. Die aktuell ermittelten neun Prozent sind für ein Bundesland viel, in dem wegen seines hohen Anteils an Katholiken und der Arbeitertradition eigentlich ein starkes Bollwerk gegen Rechtsradikale vorhanden war.
Das aber scheint zu bröckeln. So bleibt nur zu hoffen, dass sich der Unmut der Bevölkerung nur in einer Zunahme der Nicht-Wähler, nicht aber in einer Erstarkung des rechtsradikalen Wählerpotentials Bahn bricht.