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Rundschau-Debatte des TagesGehen die Corona-Demonstranten zu weit?

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Eine Polizist diskutiert mit einer Frau, die an einer Versammlung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf dem Roncalliplatz teilnimmt

  1. Tausende protestieren gegen die Corona-Schutzmaßnahmen, teils mit kruden Thesen.
  2. Viele fürchten eine Radikalisierung der Aktionen.
  3. Wer sind diese Demonstranten? Wir geben einen Überblick.

Köln – Überall im Land gibt es spürbare Lockerungen der Corona-Schutzmaßnamen. Ausgerechnet jetzt gehen tausende Menschen auf die Straße. Teilweise aggressiv. Die etablierten Parteien warnen vor einer Destabilisierung der Gesellschaft.

Dass der eigene Atem, die Annäherung an fremde Personen ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit sein kann, wäre vor wenigen Wochen als düsteres Szenario aus dem Science-Fiction-Genre abgetan worden. Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen wurde vielfach dazu aufgerufen, keinen Mundschutz zu tragen und Maßnahmen zu ignorieren. Passanten wurden angehustet. Das Entsetzen ist groß.

Wer sind die bundesweiten Demonstranten eigentlich?

Die Lage ist unübersichtlich. Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Rechtsextreme und radikale Linke fanden sich ebenso unter den Protestlern in Köln, München, Stuttgart und Berlin wie ganz normale Bürger. Sie alle verbindet, dass sie die Corona-Daten grundsätzlich in Zweifel ziehen, zumindest aber die Maßnahmen für überzogen halten. Laut dem Kölner Polizeichef Uwe Jacob äußerte sich auf der Demonstration in Köln breiter Frust. „Wir haben keinen Bock mehr“, sei der Satz gewesen, den die Beamten am häufigsten gehört hätten.

Welche Thesen werden bei den Protesten vertreten?

Es sind teilweise Parolen, die aus der AfD-Anhängerschaft bekannt sind: „Corona = Lüge“, „Merkel muss weg“ und das inzwischen ausgehöhlt klingende Revolutionsmotto „Wir sind das Volk“. Daneben wurde Microsoft-Gründer Bill Gates vorgeworfen, die Weltgesundheitsorganisation übernommen zu haben, um am Impfstoff zu verdienen. Gesichert ist, dass in Dortmund Rechtsextreme die Proteste unterwandert haben, hier wurde ein Kameramann angegriffen. In Aachen ist eine Demonstration der Flüchtlingshilfe „Seebrücke“ offenbar von der Bewegung „Widerstand 2020“ gekapert worden.

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Menschen protestieren auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom sitzen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

Welche Vorgaben für Versammlungen gibt es?

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es solche Einschränkungen der Grundrechte – darunter auch das Demonstrationsrecht. Die Bundesländer haben öffentliche Versammlungen zeitweise verboten, dann wurden sie auch in NRW zunächst mit 20, dann mit 100 Personen wieder zugelassen. Anders als in anderen Städte war die Kölner Protestaktion am Wochenende nicht angemeldet.

Was sagen Kritiker zu der Bewegung?

Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sieht angesichts einer abnehmenden Akzeptanz der Maßnahmen ein bedrohliches Potenzial. Der frühere Innenminister der FDP, Gerhart Baum, sagte der Rundschau: „Für den Konsens in der Demokratie ist die Entwicklung hochbrisant.“ Niemand habe das Recht, sich einseitig als Opfer der Maßnahmen zu stilisieren. Es sei absehbar, dass demokratiefeindliche Kräfte die Entwicklung ausnutzen könnten. Das Verhalten der Menschen sei bislang von einem hohen Verantwortungsgefühl geprägt gewesen, das dürfe nicht beschädigt werden.

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„Ich warne davor, sich verführen zu lassen.“ Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte sich auf ihrem Wahlkampf-Account von einer „Mischpoke“ auf der Straße gesprochen. Dafür wurde sie im Netz heftig angefeindet, Sie nahm die Äußerung zurück, unterstrich aber gestern: „Hier wurde mutwillig mit der Gesundheit der Kölner gespielt. Wenn unbeteiligte Dritte genötigt werden ist das nicht akzeptabel.“

Wie läuft die aktuelle politische Debatte?

Fast wortgleich warnen die etablierten Parteien vor einer Vereinnahmung der Bürger durch Radikale. „Wir lassen nicht zu, dass Extremisten die Krise als Plattform für ihre demokratiefeindliche Propaganda missbrauchen“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ergänzte: „Auf der einen Seite gibt es eine Verunsicherung der Menschen. Es gibt aber offenbar auch immer wieder Kräfte, die genau an dieser Stelle ansetzen wollen, um eine Demokratie zu destabilisieren.“