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Reker gegen KossiskiStreitgespräch zu Parkplätzen, Wohnungsnot und Dreck in der Stadt

Lesezeit 17 Minuten
Reker Kossiski (1)

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und SPD-Herausforderer Andreas Kossiski trafen sich im Haus der „Kölnischen Rundschau“ zur Diskussion.

  1. Am 13. September 2020 wird es spannend: Köln wählt einen neuen Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin.
  2. Im Haus der „Kölnischen Rundschau“ stellten sich Amtsinhaberin Henriette Reker und SPD-Herausforderer Andreas Kossiski den Leserfragen.
  3. So lief der Schlagabtausch.

Was sind die wichtigsten Qualifikationen für das Oberbürgermeisteramt, Frau Reker?Reker: Das Handwerk zu beherrschen. Man muss wissen, wie eine Verwaltung tickt. Das heißt nicht, dass man jede Vorlage für den Stadtrat selbst schreiben muss. Aber notfalls muss man das können. Dann finde ich es ganz wichtig, Bürgernähe aufzubauen und ein Gefühl dafür zu haben, was den Bürgern wichtig ist. Ich steuere die Beigeordneten mit Zielvereinbarungen. Im Stadtvorstand steuere ich die Fachkompetenz der Verwaltung. Die Dezernenten vertreten große Ämter mit hohem Fachwissen. Mitarbeiter zur Zusammenarbeit und Identifikation mit ihrer Aufgabe zu befähigen, ist das Wichtigste.

Herr Kossiski, Sie haben keine Stadtverwaltung geleitet. Wollen Sie als OB andere Akzente setzen?

Kossiski: Ich war fünf Jahre als persönlicher Referent eines Kommunalministers in Schleswig-Holstein ständig mit kommunalpolitischen Themen beschäftigt, bin seit acht Jahren im Landtag, wo ich viele kommunalpolitische Fragen bearbeite. Diese Themen sind mir vertraut, auch bei der Polizei habe ich viel Verwaltungserfahrung gesammelt. Ein wichtiger Part ist, die eigenen Mitarbeiter zu motivieren, ihnen klare Ziel zu geben und ihnen klar zu sagen, welche Visionen ein Oberbürgermeister hat. Es ist richtig, mit Zielvorgaben zu arbeiten, aber man muss auch mit klaren Visionen nach vorne gehen.

Ein Zukunftsprojekt ist die Stärkung des Nahverkehrs auf der Ost-West-Achse. Sind Sie für den Bau eines U-Bahn-Tunnels?

Kossiski: Ja, sicher, aber leider gibt es ja noch keine Entscheidung in dieser Frage, nur einen Prüfauftrag. Der Rat hätte das längst beschließen müssen, denn es geht es hier um Fördermittel des Bundes, die es nicht ewig geben wird. Ich bin für eine Tunnellösung, aber die Fixierung auf die Ost-West-Achse ist mir zu wenig. Es gibt verschiedene andere Projekte, die genauso wichtig sind.

Reker: Das ich für einen Tunnel bin, ist bekannt. Die Bürgerbeteiligung hat ja kein klares Ergebnis gebracht. Ich bedaure, dass es keine klare Ratsentscheidung gibt. Ich hatte das Gefühl, dass eine ganz breite Mehrheit da war. Leider hat die SPD dann nicht mitgestimmt, weil sie den Vorschlag einer U-Bahn unter dem Rhein bevorzugte. Ich fand diesen Vorschlag gar nicht schlecht, nur war von Anfang an klar, dass es dafür keine Fördermittel geben würde. Durch die Entscheidung des Rates, beides parallel prüfen zu lassen, verliert man keine Zeit, es kostet aber mehr und gibt dafür Planungssicherheit..

Mit den Grünen werden Sie keinen Tunnel bauen können.

Reker: Das schätze ich auch.

Dann müssten Sie sich die Mehrheit woanders holen...

Reker: Das ist kein Problem, das mache ich ja hin und wieder.

Kossiski: Es stellt sich die Frage, warum die Grünen in München für eine U-Bahn sind und die Kölner Grünen dagegen. Man beißt sich an so einer Frage fest, und andere wichtige Maßnahmen, wie die Verlängerung der Linien 7 und 12, kommen nicht voran. Mir fehlt ein Gesamtkonzept für den Verkehr in Köln. Jede Millionenstadt, die ich kenne, hat eine Ringbahn.

Wenn man über den Ausbau des ÖPNV redet, dann muss man auch mal zu Entscheidungen kommen. Ich höre, die KVB kann das alles umsetzen, wenn der politische Wille da ist. Da will ich andere Wege gehen.

Im Kölner Norden sind 2500 Arbeitsplätze entstanden, die könnten mit der Linie 12 erschlossen werden, das würde Verkehrsprobleme lösen und wäre gut für die Umwelt. Warum macht man das nicht? Warum bekommt die Leverkusener Brücke keine Straßenbahntrasse?

Reker: Wobei das ja Sache des Landes ist.

Kossiski: Sieht man von Berlin und Hamburg ab, die eigene Bundesländer sind, ist Köln die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Aus Köln sind früher viel mehr Impulse gekommen, da waren wir schon mal weiter. Wo eine Zuständigkeit des Landes oder Bundes ist, warten die eigentlich nur darauf, dass Köln sich auch mal positioniert.

Das haben wir bei der Umgestaltung der Plätze in Chorweiler gut hinbekommen. Als OB sehe ich es als eine meiner ureigensten Pflichten an, diese Kontakte zu nutzen und zu sagen, wir brauchen Entscheidungen für Köln.

Reker: Aber du kannst ja, in welcher Funktion auch immer, in der SPD dafür sorgen, dass die SPD bei der Ost-West-Achse mitstimmt, und dann haben wir ja eine Mehrheit.

Fehlt Ihnen auch ein Verkehrskonzept?

Reker: Ja. München hatte schon 1972 ein Verkehrskonzept, durch die Olympiade. Eine Gelegenheit, die Köln nicht hatte. Köln hat lange gezweifelt, ob es eine Metropole ist, ob es eine U-Bahn braucht oder nicht. Da ist jahrzehntelang nicht das ausgebaut worden, was man hätte ausbauen müssen.

Ich finde es traurig, dass man im Rechtsrheinischen so schlecht von Nord nach Süd kommt, dass man dafür ins Linksrheinische fahren muss und wieder zurück. Das sind alles Themen, die wir jetzt in unserer Perspektive 2030 bereinigen. Da kommen wir gut voran. In fünf Jahren können sie nicht alles auf einmal ändern. Wir gehen Schritt für Schritt voran.

Der Ausbau der Radwege geht oft zu Lasten des Autoverkehrs. Ist das in Ordnung so?

Kossiski: Wir haben eine begrenzte Fläche, die müssen wir neu verteilen, wenn wir die Stadt weiterentwickeln wollen. Aber das darf nicht zu Lasten des einen oder anderen gehen, sondern wir brauchen Entscheidungen, die wir gemeinsam fällen. Mal ist man Fußgänger – die haben im Moment das Gefühl, sie werden gar nicht mehr wahrgenommen.

Dann fährt man Fahrrad, das hat seit Corona ja weiter zugenommen. Und natürlich gibt es auch Autofahrer. Ich habe mit Menschen in Weiden oder Junkersdorf gesprochen, die sind weit über 70 und wollen wegen Corona nicht mit Bus oder Bahn fahren. Die fragen sich, wie komme ich denn noch mit dem Auto in die Stadt?

Wir brauchen alle Verkehrsträger. Wenn man etwas ändert, darf man das nicht mit Gewalt durchziehen. Es gab Entscheidungen, die Auswirkung auf die Nachbargemeinden haben, die sind im Umland nicht gut angekommen.

Sie meinen die Pförtnerampel?

Kossiski: Ja. Man kann so etwas nur machen, wenn man es vorher mit allen besprochen hat. Auch da fehlt ein Gesamtkonzept. Da müssen alle Betroffenen an einen Tisch, dazu gehören auch die Handwerker.

Sollen in der Innenstadt weitere Parkplätze abgebaut und Parkgebühren erhöht werden, um den Autoverkehr zu reduzieren?

Reker: Die Grundlage unseres Handelns ist das Konzept „Köln mobil 2025“ mit der Drittelung Fußgänger/Radfahrer, Bus und Bahn und Autoverkehr. Zweite Grundlage ist: Wir sehen, dass der Fahrradverkehr im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent wächst. Es ist vollkommen klar, dass moderne Großstädte Fahrradverkehr fördern müssen.

In Köln kann man mit dem Rad vieles erreichen, aber Köln ist über Generationen eine Autofahrerstadt und so ist sie auch gebaut. Manchmal kann man eine Autospur wegnehmen und daraus eine Fahrradspur machen, aber nicht an allen Stellen. Es gibt vieles, das wir jetzt umsetzen, wie das Verkehrskonzept Altstadt.

Aber das dauert, wir können nicht überall gleichzeitig bauen. Und manchmal setzt man Prioritäten, mit denen nicht alle einverstanden sind. Auch in Köln ist es wie in jeder Metropole: Man wird nicht direkt vor dem Dom parken können, wenn man in den Gottesdienst will.

Kossiski: Touristen und Besucher müssen nicht überall hinfahren können, aber die Menschen, die in der Innenstadt wohnen und ein Auto haben, müssen auch die Möglichkeit haben, es abzustellen. Wenn man etwas ändern will, ist es wichtig, alle drei Gruppen in den Blick zu nehmen: Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer.

Das geht nur mit einem Konsens. Es muss von den Menschen getragen werden. Heute herrscht bei den Bürgern oft Unverständnis, weil die Maßnahmen nicht zu Ende gedacht sind oder im Nirvana enden. Meine Haltung ist: Lieber mal eine Maßnahme weniger, aber die ist auch zu Ende gedacht.

Würden Sie sich als OB für ein Nachtflugverbot einsetzen?

Reker: Es ist bekannt, dass ich mich seit zehn Jahren für ein Nachtflugverbot für Passagiermaschinen ein setze. Der Frachtflug, der auch nachts stattfindet, hat uns in der Corona-Krise ein Stück weit vor der Situation gerettet, in die andere Flughäfen gekommen sind. Es ist seit Jahren Konsens, dass die Maschinen leiser und emissionsärmer werden müssen.

Ich höre selbst nachts die Flugzeuge. Aber wenn ich daran denke, dass am Frachtflug Arbeitsplätze für mehr als 10.000 Menschen hängen, die davon ihre Familien ernähren, dann stört mich der Lärm nicht so sehr.

Kossiski: Natürlich sind die Arbeitsplätze sehr wichtig, dafür habe ich mich auch als DGB-Chef eingesetzt. Aber auch der Gesundheitsschutz ist wichtig. Passagierflug in der Nacht brauchen wir nicht. Und beim Frachtflug müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die wir als Anteilseigner des Flughafens haben, um über Gebühren dafür zu sorgen, dass moderne Maschinen geflogen werden und möglichst weniger Nachtflug stattfindet. Es muss auch weiterhin Fördermittel geben – etwa damit Betroffene den Schallschutz ihrer Fenster verbessern können.

Auf dem Kalkberg steht eine fast fertige Landestation für Rettungshubschrauber. Soll sie in Betrieb genommen werden?

Kossiski: Ich glaube, das Thema ist durch. Das ist eine der vielen Baustellen, die nicht zu Ende gebracht werden. Ich werde mir das nächste Woche vor Ort anschauen und mit der Bürgerinitiative reden. So wie ich das wahrnehme, scheint dieser Platz nicht geeignet zu sein. Ich denke, es läuft auf eine Lösung am Flughafen heraus.

Reker: Ich war immer gegen eine Hubschrauberstation auf dem Kalkberg. Ich traue den Gutachten nicht und werde mich nicht für einen Landeplatz auf dem Kalkberg aussprechen, auch wenn das neueste Gutachten sagt, es wäre alles stabil und man könnte es machen.

Stadtdirektor Keller ist ein Verfechter des Kalkbergs ...

Reker: Aber Ratsvorlagen muss ich ja unterschreiben. Ich war fünf Jahre Umwelt- und Gesundheitsdezernentin und habe immer gesagt, ich halte von dem Kalkberg nichts. Dabei werde ich bleiben. Man wird einen anderen Ort finden müssen und die Investitionen, die in den Kalkberg geflossen sind, im Haushalt abbilden müssen

Kossiski: Ich war nicht von Anfang an gegen den Kalkberg, weil seine zentrale Lage Vorteile bietet. Die Idee war richtig. Aber wenn man jetzt feststellt, es geht da nicht, dann müssen die Hubschrauber an einen anderen Ort.

In der Stadt Köln fehlen Wohnungen, davon betroffen ist auch das Kölner Umland, die Menschen ziehen teils aus Köln raus. Warum wird nicht besser mit der gesamten Region zusammengearbeitet?

Reker: In der Vergangenheit war die Zusammenarbeit schlecht. Wir müssen aber in der Region denken, anders kommen wir nicht mehr weiter. Die Selbstverliebtheit war mit meiner Wahl vor fünf Jahren war vorbei, auch wenn man den letzten nicht erreicht. Wichtig ist, dass die Politik sich sowohl in Köln als auch im Umland einig ist. Häufig heißt es: Nein, also Geschosswohnungsbau an der Stelle wollen wir jetzt nicht.

Oder das Umland will Köln zwar als Motor akzeptieren, aber bestimmte Folgen nicht übernehmen. Auch in Köln ist es ja so, dass bestimmte Wohnbauprojekte beispielsweise am Veto der Bezirksvertretungen scheitern oder länger dauern. Das gilt für das Umland auch. Dafür haben wir die Metropolregion Rheinland..

Kossiski: Ich teile nicht die Einschätzung, dass in den vergangenen fünf Jahren alles besser geworden ist. Früher gab es mehr Gespräche mit dem Umland. Und zur Metropolregion Rheinland: Da sehe ich noch keinen Output. Wir müssen zusammenarbeiten, ich möchte auf das Braunkohlerevier in unserer Nähe hinweisen, das entwickelt sich gerade neu und da kommen Milliarden Euro hin.

Aber was das für unsere Fachhochschulen und Universitäten heißt, ebenso für unsere Wirtschaft, Wohngebiete, den Verkehr: Das alles muss doch Köln aktiv angehen.

Reker: Das machen wir doch. Die Universitäten und Fachhochschulen haben da eigene Standorte. Wenn das vor zehn, 15 Jahren angeleiert worden wäre, dann hätten wir jetzt den Erfolg. Das hat aber keiner getan.

Köln baut viel zu wenige Wohnungen, beispielsweise waren es 2019 nur 2175, dabei sind mittelfristig 6000 Wohnungen das Ziel. Auch die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen wird wohl abnehmen, weil die gebundenen Mieten für viele Wohnungen in den nächsten Jahren auslaufen.

Kossiski: Wohnen ist das wichtigste Thema in dieser Stadt. Die Menschen brauchen Wohnungen, aber die öffentlich geförderten Wohnungen werden immer weniger. Wir brauchen Geld dafür, die Stadt muss selbst aktiv werden, eventuell auch selbst Wohnungen kaufen, neue Stadtteile entwickeln. Wir brauchen in jeder Preislage Wohnungen.

Eine Genehmigung darf nicht länger dauern als die gesamte Bauzeit, beispielsweise zehn Jahre. Aber der erste Schritt wäre, die offenen Baustellen zu bauen, etwa den Mülheimer Süden, den Deutzer Hafen, Zündorf Süd, Kreuzfeld, Parkstadt Süd. Da fehlen Entscheidungen.

Reker: Wohnen ist ein Riesen-Thema, vielleicht DAS Thema in Köln und anderen Metropolen.

Sie haben 2018 angesichts von knapp 4000 neuen Wohnungen von einer Trendwende gesprochen. Das war im Rückblick falsch.

Reker: Ja, das ist richtig, davon bin ich ausgegangen, das hat sich leider nicht bewahrheitet mit 2175 Wohnungen in 2019. Wenn wir dieses Jahr nur die Hälfte der genehmigten Wohnungen bauen, kommen wir auf 3600 Wohnungen. Das wird uns mit Sicherheit gelingen. Und übrigens: Die Baugenehmigungen dauern keine zehn Jahre, sondern 2019 war es im Schnitt ein Jahr. Wichtig ist: Die Baugenehmigung ist ein dialogisches Verfahren, es hängt von beiden Seiten ab. Und wir haben in den vergangenen fünf Jahren die Instrumente eingeführt, um den Wohnungsmarkt zu steuern, etwa das Kooperative Baulandmodell zur Schaffung relativ günstiger Wohnungen sowie die Erbpacht, damit wir die Grundstücke behalten.

War das früher anders?

Reker: Ja. Früher wollte das Liegenschaftsamt die Grundstücke so teuer wie möglich verkaufen, aber so kann man kein studentisches Wohnen ermöglichen. Jetzt setzen wir auf Erbpacht und auf die Konzeptvergabe, es zählt also nicht mehr nur der Pries. Dafür brauchen wir einen Sinneswandel in der Verwaltung, aber ich gebe zu: Das dauert länger als ich es mir vorgestellt habe.

Herr Kossiski, Sie werben mit 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr, wenn sie OB werden. Das ist ein hehres Ziel, aber doch nicht realistisch, oder?

Kossiski: Man muss sich hohe Ziele setzen, um deutlich zu machen, was man eigentlich will. Wir brauchen mindestens 6000 Wohnungen pro Jahr. Alle Zahlen, die ich von der Stadtverwaltung zu dem Thema höre, sind schlechter als zuvor. Die 10 000 Wohnungen sind ein Ziel, das man sich setzen muss, um nach vorne zu kommen. So verstehe ich das.

Reker: Die 10 000 Wohnungen sind in einem Jahr nicht möglich. Nicht, weil jemand das nicht will, sondern weil es einfach nicht geht, dafür fehlen die Grundstücke. Unrealistische Forderungen, die keiner umsetzen kann, kann ich mir als Oberbürgermeisterin nicht erlauben.

Fast alle Bauprojekte laufen aus dem Ruder (Brücken, Stadtarchiv, Oper etc.) Diese Dauerpannen werden vermutlich erzeugt durch schlampige Bearbeitung, fehlende Mitarbeiter und fehlende Projekterfahrung. Wie wollen Sie als OB das leidige „Bau-Dauerthema“ aus der Welt schaffen?

Reker: Ich habe es ja bei der Opernbaustelle erlebt, die ich geerbt habe. Ich habe dort in den ersten 14 Tagen abwägen lassen, ob wir dort weiterbauen oder den Bau stoppen lassen und an derer Stelle bauen lassen. Das hat sich als undurchführbar herausgestellt, weil die finanziellen Verpflichtungen zu hoch waren. Dann habe ich die Situation transparent gemacht und einen Betriebsleiter eingestellt.

Es regt viele Leute auf, weil dort die meisten Steuern der Kölner reinfließen. Da hat ein technischer Betriebsleiter gefehlt, so baut man nicht mal eine Eigentumswohnung um. Das konnte bei der kleinsten Kleinigkeit nicht mehr funktionieren, deshalb akzeptieren wir jetzt auch sehr viel höhere Planungskosten als früher. Es ist mittlerweile klar, dass die Stadt viel mehr Geld und Zeit in Planung investieren muss, die Öffentlichkeit beteiligt werden muss und dass man nicht alles alleine bauen kann.

Was sagen Sie, Herr Kossiski?

Kossiski: Ich finde es nicht richtig, nur auf die Fehler der Vergangenheit hinzuweisen. In dem Moment, wo man in ein Amt gewählt wird, muss man Verantwortung übernehmen und darf sich nicht rausreden. Ich würde übrigens auch jetzt noch eine Antwort auf die Frage haben, ob die Oper überhaupt zu sanieren ist, das kann ich gerade nicht erkennen.

Wenn ich OB werde, würde ich mir von den Verantwortlichen zeigen lassen, ob es möglich ist, die aktuelle Technik wie den Brandschutz in einen 50er-Jahre-Bau zu bauen. Sonst muss man damit aufhören und es braucht ein Ende. Ich finde, Du kannst zwar sagen, dass du es geerbt hast, aber die Leserin will doch eine Antwort.

Reker: Das habe ich doch genau gesagt, was ich gemacht habe. Natürlich weiß ich, dass die Oper zu sanieren ist. Das haben mir die Verantwortlichen gesagt. Natürlich geht es, aber es ist schwierig.

Kossiski: Ist da ein 3D-Scan gemacht worden?

Reker: Aber ja, bis zur letzten Schraube. Und das meine ich mit Transparenz, der Betriebsleiter Bernd Streitberger informiert doch den Unterausschuss Kulturbauten in monatlichen Berichten darüber. Aber ich kann die Oper ja nicht selber bauen. Was meinst Du denn, wie gerne ich das täte? Ich würde da jeden Tag hingehen und mit bauen, wenn es ginge.

Ein Leser beschwert sich, wie schmutzig die Stadt ist. Wie soll das besser werden?

Reker: Wir haben uns verbessert und haben da viele Millionen Euro reingesteckt. Aber wir sind weit davon entfernt einen Zustand zu erreichen, den wir uns alle vorstellen. Wir machen immer wieder Schwerpunkte an bestimmten Stellen und gehen dann zum nächsten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Müll kommt nicht allein auf die Straßen. Hier sind alle Kölner und alle Besucher gefragt.

Kossiski: Ich kenne das aus der Kriminalprävention, das nennt sich Broken-Windows-Theorie. Wenn irgendwo ein unordentlicher Zustand herrscht und ich den nicht beseitige, wächst der. Und das Gefühl habe ich in Köln. Wir müssen die Kontrolldichte erhöhen, Müllsheriffs einführen und die Abfallwirtschaftsbetriebe verstärken – in allen Veedeln und nicht nur in der Nähe des Rathauses.

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Corona hat massive finanzielle Auswirkungen auf den städtischen Haushalten. Lassen sich Steuer- und Gebührenerhöhungen für die Kölner verhindern?

Kossiski: Im Moment bin ich dagegen, weil die Belastungen die falschen Menschen treffen würden. Wir müssen jetzt investieren, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen und nicht an beispielsweise der Sozialarbeit sparen.

Reker: In meiner Amtszeit sind wir ja wenigstens mal in die Nähe eines ausgeglichenen Haushalts gekommen, 2019 waren es 30 Millionen Euro Schulden. Das ist durch Corona vorbei. Ich bin der Meinung wie Andreas, wir dürfen jetzt keine Strukturen zerschlagen und eine Steuererhöhung wäre kontraproduktiv.

Ich habe übrigens bereits 2015 versprochen, die Steuern nicht zu erhöhen und das habe ich auch gehalten. Die Verwaltung hat zu Corona-Zeiten gezeigt, dass sie funktioniert. Wir waren in vielen Punkten dem Land und dem Bund voraus. Das hat gut funktioniert in Köln.

Was würden Sie als Oberbürgermeister als Erstes angehen?

Kossiski: Als Erstes gehe ich ins Technische Rathaus zu einer Personalversammlung und rede mit den Mitarbeitern und sage ihnen, dass sie jetzt einen OB haben, der für sie da ist, auch wenn es Probleme gibt. Die direkte Kommunikation ist mir wichtig. Mit dem Stadtvorstand muss man Gespräche führen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass man die jetzige Aufteilung in große Dezernate mit verschiedenen Aufgaben nicht nur überdenken, sondern ändern muss. Man muss die Zuständigkeiten klären. Das sind Riesenapparate mit wichtigen Themen.

Sehen Sie das auch so, Frau Reker?

Reker: Wir brauchen mehr Dezernenten, das ist schon lange klar. Die Parteien denken nicht nur über ihre Wahlprogramme nach, sondern auch darüber, wie viele Beigeordnete zugesetzt werden und wie die Aufgaben verteilt werden. Als ich dafür sorgte, dass ein Verkehrsdezernat eingerichtet wird, habe ich überhaupt keinen Widerspruch geerntet.

Welche Themen würden Sie als Erstes angehen?

Kossiski: Ich habe zum Beispiel ein Sieben-Punkte-Programm Digitalisierung, mit dem ich sofort beginnen möchte. Und es braucht eine wirkliche Verwaltungsreform. Da muss man so schnell wie möglich neue Prozesse in der Verwaltung einleiten, noch mal nachschärfen. Ein Ergebnis der Bemühungen der letzten fünf Jahre kann ich nicht erkennen. Gerade in den Bereichen Wohnungsbau und Stadtentwicklung muss man nachsteuern und Verantwortung herstellen. Es muss erkennbare Verbesserungen für die Bürger geben.

Was steht bei Ihnen oben auf der Agenda, Frau Reker?

Reker: Mir geht es jetzt darum, die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, deutlicher sichtbar zu machen. Dass die Verwaltungsreform bis 2022 geht, war von Anfang an klar. Diese Reform wird vom Rat und den Mitarbeitern auf breiter Basis mitgetragen. Wir haben einen Digitalisierungsprozess aufgesetzt, der bis 2022 40 Prozesse digitalisieren soll. Meine Prioritäten sind ganz klar Schulbau, Wohnungsbau, Klimaschutz und Verkehr.

Das Gespräch führten Michael Fuchs, M. Hendorf, Jens Meifert und Stefan Sommer.