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Interview

NRW-Check
Warum sind Hendrik Wüst und seine CDU gerade auf einem Höhenflug, Herr Matuschek?

Lesezeit 7 Minuten
Hendrik Wüst (CDU) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, spricht nach einer CDU-Fraktionssitzung im Landtag. Im NRW-Check hat er aktuell hohe Zustimmungswerte.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hat hohe Zustimmungswerte im NRW-Check.

Was macht Hendrik Wüst so beliebt, und was hebt die CDU gerade von anderen Parteien in NRW ab? Darüber spricht Carolin Raab mit Dr. Peter Matuschek, Co-Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa.

Die Zufriedenheitswerte von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst steigen in den letzten NRW-Checks kontinuierlich an. Was ist Wüsts Erfolgsrezept?

Hendrik Wüst hat seit seinem Amtsantritt deutlich an Konturen gewonnen. Offenbar ist es ihm gelungen, seine Rolle als Ministerpräsident zunehmend auszufüllen, was dazu führt, dass nicht nur die große Mehrheit der CDU-Anhänger, sondern auch eine Mehrheit der Anhänger der Grünen und der Oppositionsparteien im Landtag – mit Ausnahme der AfD-Anhänger – mit seiner Amtsführung zufrieden ist. Im Gegensatz zu Wüst ist das seiner Stellvertreterin Mona Neubaur bisher nicht gelungen.

Hätte Wüst ernsthafte Chancen aufs Kanzleramt, wenn er sich für eine Kandidatur entscheidet?

Das lässt sich derzeit noch nicht sagen. In Nordrhein-Westfalen läge er jedenfalls bei der fiktiven Frage nach der Kanzlerpräferenz im aktuellen NRW-Check 26 Punkte vor Olaf Scholz, während Friedrich Merz nur einen Punkt vor Scholz läge. Auch würden sich in allen Wählergruppen – mit Ausnahme der AfD-Anhänger – mehr Wahlberechtigte für Wüst als für Merz entscheiden. Zudem läge Wüst anders als Merz in fast allen Wählergruppen vor Scholz, und selbst von den Anhängern der SPD und der Grünen kann sich ein beträchtlicher Teil eher für Wüst als für Scholz erwärmen.

Können Sie erklären, woran das liegt?

Wüst kann als CDU-Politiker – ähnlich wie Angela Merkel – auch bei Wählerschichten punkten, bei denen Merz große Probleme hat. Das gilt insbesondere für die Jüngeren, die Frauen und die Wahlberechtigten, die sich in der politischen Mitte positionieren. Auch unter den CDU-Anhängern hat Hendrik Wüst in NRW einen größeren Rückhalt als Friedrich Merz. Die einzige Gruppe, in der die Unterstützung für Merz größer ist als für Wüst sind die AfD-Anhänger, die deshalb aber kaum zur CDU wechseln würden. Diese unterschiedliche Zustimmung zu Merz und Wüst in einzelnen Bevölkerungs- und Wählergruppen sehen wir im Übrigen auch bundesweit.

Wüst kann als CDU-Politiker – ähnlich wie Angela Merkel – auch bei Wählerschichten punkten, bei denen Merz große Probleme hat.
Peter Matuschek

Auf Bundesebene ist die Zustimmung für die Regierungskoalition auf einem Tiefstand. Aktuell sieht es für die Regierung in NRW, insbesondere die CDU, deutlich besser aus. Abgesehen von Wüsts Popularität: Welche Gründe hat das?

In der Tat verfügt die schwarz-grüne Koalition in NRW anders als die Berliner Ampel-Koalition, die seit Mitte 2022 massiv an Vertrauen verloren hat und der zurzeit nur noch ein Drittel der Wähler ihre Stimme geben würde, weiterhin über eine solide Mehrheit im Land, was vor allem auf die gestiegenen Werte für die CDU zurückzuführen ist. Die CDU profitiert neben der guten Bewertung der Arbeit des Ministerpräsidenten auch davon, dass man ihr von allen Parteien am ehesten landespolitische Kompetenz zuschreibt.

Während von der CDU 29 Prozent meinen, dass sie mit den Problemen im Land am besten fertig wird, sagen das von den Grünen nur 8 und von der SPD gerade einmal 6 Prozent. Dementsprechend sind mittlerweile auch deutlich mehr Bürger mit der Arbeit der CDU in der Landesregierung zufrieden als mit der Arbeit der Grünen.

Nicht zu unterschätzen ist daneben, dass die NRW-CDU neben Hendrik Wüst auch über sehr bekannte Minister wie Herbert Reul oder Karl-Josef Laumann verfügt, die in der Bevölkerung ein recht hohes Ansehen genießen.

Warum profitieren die Grünen weniger vom Vertrauen in die Regierung?

Seit der letzten Landtagswahl kommen die Grünen nicht mehr recht vom Fleck. Die Arbeit der Partei und ihres Spitzenpersonals wird deutlich schlechter bewertet als die der CDU. Weniger als ein Drittel ist mit der Arbeit der Grünen in der Landesregierung zufrieden und nur ein Viertel äußert sich zufrieden mit der Arbeit von Mona Neubaur. Die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit ist auch unter den Grünen-Anhängern eher verhalten und deutlich geringer als die von Wüst bei den CDU-Anhängern.

Die CDU profitiert neben der guten Bewertung der Arbeit des Ministerpräsidenten auch davon, dass man ihr von allen Parteien am ehesten landespolitische Kompetenz zuschreibt.
Peter Matuschek

Für die SPD fällt der NRW-Check desaströs aus. 89 Prozent der Wahlberechtigten können nicht einmal einen einzigen politischen Akteur der Partei in NRW nennen. Was macht die SPD da falsch?

Das ist für die NRW-SPD in der Tat ein niederschmetternder Befund. Allerdings hat die Krise der SPD in NRW nicht erst gestern, sondern schon vor vielen Jahren – auch auf der kommunalen Ebene – eingesetzt und wurde durch die Regierungszeit unter Hannelore Kraft nur vorübergehend überdeckt. Dramatisch ist zudem, dass auch von den SPD-Anhängern im Land fast drei Viertel keinen politischen Akteur der NRW-SPD benennen können. Andererseits zeigt dies in aller Deutlichkeit, dass die Partei auf Landesebene offenbar einen Mangel an zugkräftigen Politikern hat.

Was müsste die Partei tun, um sich aus diesem Tief wieder herauszuziehen?

Wie jede Partei, die bei der Landtagswahl – wie die SPD 2022 – das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat, müsste die SPD zuallererst eine ehrliche Fehleranalyse betreiben. Dazu würde – anders als in der von der Partei 2023 vorgelegten „Wahlanalyse“, die sich in weiten Teilen eher wie eine Verdrängungshilfe liest, woran es alles nicht gelegen hat – gehören, dass man untersucht, warum nur noch so wenige der SPD in einem Land wie NRW die Lösung der Probleme zutrauen.

Und ob man sich wirklich mit den Themen beschäftigt hat, die die Menschen am meisten bewegen, wie Einwanderung, Bildung, Verkehr, die Zukunft des Wirtschaftsstandorts, und ob man tatsächlich immer die am besten geeigneten Kandidaten aufgestellt hat.

Kommt die Kommunikation der SPD zum Ukrainekrieg in der Bevölkerung an?

Mit seiner ablehnenden Haltung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine befindet sich Olaf Scholz im Einklang mit einer großen Mehrheit der Bevölkerung, die der Krieg in der Ukraine zurzeit wie kaum ein anderes Thema beschäftigt und beunruhigt.

Allerdings hat eine große Mehrheit der Bundesbürger den Eindruck, dass es den Parteien beim Streit um die Taurus-Lieferungen weniger um die Ukraine oder um „Krieg und Frieden“ in Europa geht, sondern dass dabei eher innenpolitische und parteitaktische Überlegungen im Vordergrund stehen. Daher ist eher fraglich, ob die SPD – oder eine andere Partei – mit diesem Thema wirklich punkten kann.

Die Meinungen zur AfD sind im NRW-Check sehr kritisch. Nur 18 Prozent der Befragten sehen sie als normale demokratische Partei an und zwei Drittel halten sie sogar für eine Gefahr für die Demokratie. Das sieht in NRW anders aus als zum Beispiel in Ostdeutschland. Warum ist das so?

Es sieht gar nicht so anders aus als in Ostdeutschland, wo ebenfalls eine Mehrheit die AfD ablehnt und sie nicht für eine normale demokratische Partei hält. Allerdings haben die demokratischen Parteien in Ostdeutschland größere Probleme als im Westen, diejenigen, die die Positionen der AfD nicht teilen, auch zur Wahl zu bewegen.

Wo dies gelingt – wie bei einigen Landrats- und Bürgermeisterwahlen in den neuen Bundesländern unlängst zu beobachten – hat die AfD auch im Osten keine Chance, ihren Kandidaten durchzubringen. Richtig ist aber, dass in NRW – wie in der gesamten alten Bundesrepublik – die Abwehrkräfte gegen rechtsradikale Parteien stärker sind als das im Osten der Fall ist.

Trotz der Skepsis gegenüber einer sehr migrationskritischen Partei wie der AfD sieht eine Mehrheit der Befragten Migration und Flüchtlinge als das größte Problem in NRW an. Wie passt das zusammen?

In der Tat wird die Zuwanderung von den Menschen in NRW mittlerweile deutlich häufiger als Problem wahrgenommen als noch vor zwei Jahren. Das ist aber nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer generellen Ablehnung von Zuwanderung, sondern die Menschen sehen, dass die Kommunen mit der Unterbringung der Flüchtlinge und ihrer Integration im Alltag häufig überfordert sind und erwarten, dass diese Probleme gelöst werden.

Dass die Zuwanderung Probleme mit sich bringt, die gelöst werden müssen, meinen im Übrigen nicht nur die Anhänger der AfD – wenn auch die besonders häufig – sondern auch die Anhänger der demokratischen Parteien.