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Debatte des TagesWie sicher wird die Europameisterschaft in NRW?

Lesezeit 4 Minuten
2006: Tausende Zuschauer verfolgen auf der Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin das WM-Fußballspiel zwischen Deutschland und Argentinien.

2006: Tausende Zuschauer verfolgen auf der Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin das WM-Fußballspiel zwischen Deutschland und Argentinien.

Der islamistische Terroranschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau wirft nun die Frage auf: Wie steht es eigentlich um die Sicherheit einer solchen Riesenveranstaltung?

Knappe drei Monate vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland drängen Sicherheitsfragen immer stärker auf die Agenda der Politik. Nach dem islamistischen Terroranschlag von Moskau bemühte sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag um so etwas wie gelassene Wachsamkeit: Den Sicherheitsbehörden lägen gegenwärtig keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung der EM hindeuteten, hieß es aus seinem Ministerium. „Die gesamte Veranstaltung unterliegt insoweit einem abstrakten Gefährdungspotenzial, das solchen internationalen Sportgroßveranstaltungen grundsätzlich innewohnt.“ Und auch EM-Turnierdirektor Philipp Lahm betonte im ARD-„Morgenmagazin“: „Sicherheit hat die höchste Priorität bei uns.“ Mit den Behörden stehe man im ständigen Austausch.

NRW als Knotenpunkt des Turniers

NRW ist mit den Spielorten Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln das Zentrum der EM. In Neuss ist zudem das „International Police Cooperation Center“ (IPCC) angesiedelt, in dem die europäische Polizei-Zusammenarbeit koordiniert wird. Es soll für die Auswertung sicherheitsrelevanter Informationen rund um das Turnier sorgen sowie für den Austausch von Informationen zwischen Bund und Ländern sowie mit Kräften aus dem europäischen Ausland. Dabei geht es laut Bundesinnenministerium um allgemeine, organisierte oder politisch motivierte Kriminalität, Hooliganismus oder die Begleitung von Demonstrationen im Umfeld der Spielstätten.

Im Deutschlandfunk hatte Landesinnenminister Reul verschärfte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. „Wir brauchen ein sauberes Lagebild, wir brauchen genug Informationen. Das ist das Allerwichtigste. Das wird immer unterschätzt“, sagte er. Polizisten in NRW hätten während des Turniers Urlaubssperre. Das gilt ebenso in Berlin – und auch für die Bundespolizei, wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für diesen Bereich, Andreas Roßkopf, der „Rheinischen Post“ sagte.

Seit Monaten werden von Experten europaweit allerlei Szenarien durchgespielt. Dabei gibt es laut NRW-Innenministerium eine klare Aufgabenteilung. „Für die Sicherheit im Stadion anlässlich der UEFA EURO 2024 liegt die Zuständigkeit grundsätzlich bei der Veranstalterin, der EURO 2024 GmbH.“ Die Polizei nehme ihre gesetzlichen Aufgaben zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wahr. Sie habe Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. „Damit ist sie insbesondere für den öffentlichen Raum zuständig“, so das Innenministerium.

Zehntausende bei Fanfesten erwartet

Das ist gleichwohl während einer EM deutlich anspruchsvoller als an einem normalen Bundesliga-Spieltag. Laut Turnierdirektor Lahm, der im November dem Landtag Rede und Antwort stand, werden neben den Fans in den Stadien bundesweit über zehn Millionen Besucher der offiziellen „Fanzones“ in den Austragungsstädten („Host Cities“) erwartet. Dortmund wird Fanfeste im Westfalenpark (Kapazität: 25.000 Besucher) und auf dem Friedensplatz (6200) anbieten, Köln am Heumarkt (8000), Alter Markt (6000) und am Tanzbrunnen (12.500), Düsseldorf am Burgplatz (7950), am Gustav-Gründgens-Platz (1200) und der Unteren Rheinwerft (9200), Gelsenkirchen am Nordsternplatz (5000) und im Amphitheater (7000).

Polizei: Auf Terror-Abwehr vorbereitet

Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, sagte, die Terror-Abwehr gehöre grundsätzlich zur EM-Planung. Die Bedrohungslage habe sich in den vergangenen Monaten allerdings dynamisch entwickelt, und die Polizei werde alles unternehmen, um dieser Bedrohung Herr zu werden. „Eine 100-prozentige Sicherheit kann aber niemand versprechen“, sagte Mertens unserer Redaktion.

Für unproblematisch hält der Polizeigewerkschafter die Sicherheit in den Stadien: „Sie werden die sichersten Orte während der EM sein.“ Schwieriger sei der Schutz vor Anschlägen an den Orten für Public Viewing, auf den Fanmeilen, auf den Wegen zu den Stadien. Es gebe trotz der guten Vorbereitung der Polizei auch noch einige Unwägbarkeiten. Sollte sich zum Beispiel Griechenland für die EM qualifizieren, dann gäbe es ein Spiel Türkei-Griechenland mitten im Ruhrgebiet, in Dortmund.

Mertens spricht zudem ein grundsätzliches Problem bei der Terror-Abwehr an: „Zuletzt haben wiederholt ausländische Nachrichtendienste über mögliche Anschläge in NRW informiert. Hierzulande ist die Überwachung von Terroristen schwierig, weil zwischen Datenschutz und Sicherheit für die Bevölkerung abgewogen wird.“ Mertens plädiert für Vertrauen in den Staat und fordert zugleich: „Die Sicherheitsbehörden benötigen mehr Kontrollmöglichkeiten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung.“

Islamisten seit längerem im Fokus

Schon vor Monaten hatte das EM-Organisationsteam das Bedrohungsszenario islamistischer Anschläge auf dem Radar. Damals stand man unter dem Eindruck des Hamas-Überfalls auf Israel und des eskalierenden Nahost-Konflikts. „Sicherheit ist für uns ein Riesenthema. Hier ist sicherlich auch herausfordernd, was in den letzten Wochen leider zu sehen ist“, sagte der Geschäftsführer der Euro GmbH, Markus Stenger, seinerzeit im Sportausschuss des Landtags.

Inzwischen ist es um Islamisten-Aufmärsche in NRW ruhiger geworden. Dafür bereitet der besonders kaltblütige IS-Ableger ISPK, der gerade erst in Moskau massenhaft gemordet haben soll, Sorgen. Internationale Großveranstaltungen wie Fußball-Europameisterschaften gehören als Orte von Konsum und Feierfreude immer zu möglichen islamistischen Anschlagszielen.