AboAbonnieren

Nach der LandtagswahlWie grün sind die Grünen in NRW?

Lesezeit 4 Minuten
Wüst Neubaur 310522

Wollen in die Koalitionsverhandlungen einsteigen: Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU).

Düsseldorf – Vor allem die Grünen sehen sich als Umwelt- und Klimapartei. Das Sondierungspapier von CDU und Grünen in NRW geht vielen Verbänden in dieser Hinsicht jedoch nicht weit genug. Opfern die Grünen zugunsten einer Regierungsbeteiligung zu viele ihrer Ziele?

Große Erwartungen sind zu erfüllen

Noch vor dem Start der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen am heutigen Dienstag bekommen die beiden Wahlsieger einen Vorgeschmack darauf, was es für sie bedeuten könnte, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Vor allem die Grünen müssten sich in Regierungsverantwortung wohl warm anziehen.

NRW Landtagswahlen - Kein Korrekturbedarf

Kein Korrekturbedarf am Landtagswahlergebnis in NRW: „Die Differenzen zum vorläufigen Wahlergebnis sind außerordentlich gering“, teilte Landeswahlleiter Wolfgang Schellen am Montag bei der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses in Düsseldorf mit. Die CDU hatte die Wahl deutlich gewonnen. Von den insgesamt 195 Sitzen im neuen Landtag entfallen 76 auf die Christdemokraten und 56 auf die SPD. Jeweils zwölf Sitze gehen an FDP und AfD. Die Grünen haben 39 Mandate. Das entspricht exakt dem nach der Landtagswahl am 15. Mai bekanntgegebenen vorläufigen Ergebnis. (dpa)

„Wir brauchen nichts Verschwiemeltes“, sagte am Montag Reiner Priggen, Chef des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) in NRW und Ex-Fraktionschef der Grünen im Landtag, über einen möglichen schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Neben ihm stellte Dirk Jansen, NRW-Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND, klar, dass Grüne in der Regierung an ihren Forderungen vor der Wahl gemessen würden. Die größten Knackpunkte:

Ausbau von Windenergie

Zwar taucht der geltende 1000-Meter-Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung nicht im Sondierungspapier von CDU und Grünen auf, stattdessen die „Abschaffung der pauschalen Abstandsregelung“. Es bleibt aber offen, was genau künftig gelten soll. Die dreifache Windrad-Höhe als Mindestabstand zu geschlossenen Siedlungen wird erwähnt. Das wären bei modernen Windrädern rund 750 Meter.

„In einem Koalitionsvertrag muss klar drinstehen: Wie groß ist der Abstand, und für was genau gilt er?“, forderte Priggen. „Sonst gucken wir uns hinterher an und sagen: Das war nette Lyrik.“ Tricksereien und Spitzfindigkeiten mit den Abständen dürfe es nicht geben: „Wenn nachher herauskommt: Wir nehmen die 1000 Meter weg und machen 800 Meter, die aber zu jedem einzelnen Haus, dann haben wir mit Zitronen gehandelt.“ Die Betreiber von Windkraftanlagen benötigten Planungssicherheit. BUND und LEE fordern die Streichung der 1000-Meter-Regel.

FDP-Landtagsfraktion stellt sich personell neu auf

Die FDP-Landtagsfraktion hat sich zwei Wochen nach der Wahlniederlage personell neu aufgestellt. Der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Henning Höne (Bild) wurde am Montag einstimmig zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Der 35-Jährige aus Coesfeld löst damit Christof Rasche ab, der zunächst im Amt bestätigt worden war, aber nun auf den Posten eines Landtagsvizepräsidenten rücken soll. Angela Freimuth, die in den vergangenen Jahren im Parlamentspräsidium die Liberalen repräsentierte, soll dafür zusammen mit Ralf Witzel und Marc Lürbke als Fraktionsvize fungieren.

Der Ringtausch kommt unerwartet, da sich FDP-Landeschef Joachim Stamp zuletzt gegen Personaldebatten ausgesprochen hatte. Ob Stamp trotz des Wahldebakels weiter den FDP-Landesverband führen kann, blieb offen. Höne erhob zunächst keinen Anspruch auf den Landesvorsitz. (tb)

„In den kommenden fünf Jahren sollen mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen entstehen“, steht im Sondierungspapier. Aber Windrad ist eben nicht gleich Windrad. LEE und BUND fordern jährlich 200 neue Anlagen der modernen „Fünf-Megawatt-Klasse“, mehr als 200 Meter hoch, um die Klimaziele zu erreichen. Im vergangenen Jahr seien es in NRW gerade 60 gewesen.

Datteln, Hambacher Forst, Garzweiler

Die Grünen in NRW rühmen sich, für den „Hambi“ gekämpft zu haben, sie nennen das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln IV einen „Schwarzbau“ und haben sich vor Abrissbagger gestellt, die Dörfer vernichten. Und jetzt? Würde diese Lust auf Protest auch zur DNA einer grünen Partei in Regierungsverantwortung gehören? „Der Hambacher Forst taucht gar nicht auf im Sondierungspapier“, wundert sich Dirk Jansen. Obwohl dieser Wald mitnichten gerettet sei.

Das Kraftwerk Datteln IV hat seiner Meinung nach „mehr als eine symbolische Bedeutung“. Der Bebauungsplan wurde gerichtlich gestoppt, und sollte das Bundesverwaltungsgericht demnächst die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abweisen, „dann muss das Kraftwerk stillgelegt werden“, so Jansen. „Und da erwarte ich, dass das unverzüglich von der Bezirksregierung Münster gemacht wird, ohne dass die Landesregierung das torpediert. Im K-Vertrag muss stehen, dass das Land keine Versuche mehr unternimmt, um das Kraftwerk noch länger künstlich am Netz zu halten.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch die Formulierung im Sondierungspapier, dass die Dörfer des dritten Umsiedelungsabschnittes des Tagebaus Garzweiler „erhalten werden sollen“, ist Jansen zu lasch: „Wir fordern eine Bestandsgarantie. Wir brauchen eine Leitentscheidung, die festlegt: Kein Dorf wird mehr umgesiedelt.“

Photovoltaik auf die Dächer

Zwar soll der Solar-Ausbau überall ermöglicht werden, doch die von den Grünen geforderte Solarpflicht „für alle geeigneten Dächer“ steht nicht darin. „Uns fehlt eine klare Aussage zur solaren Baupflicht, und zwar nicht nur für Neubauten, sondern auch im Bestand“, sagt Jansen vom BUND.

Was sonst noch drückt

Der Naturschutz sei im Sondierungspapier „unterbelichtet“, so Jansen. Schwammig bleibe auch, ob und auf welche Weise Schwarz-Grün den Flächenverbrauch deutlich reduzieren und das Artensterben stoppen würde. Und selbstverständlich müsse „für die Rahmedetalbrücke eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Bürgerbeteiligung gemacht werden“.