Die Einführung der „Social Card“ für Geflüchtete scheitert in NRW-Städten, da viele Kommunen bürokratischen Aufwand fürchten.
„Social Card“ wird zum FlopBezahlkarte für Geflüchtete wird zum Ladenhüter

Eigentlich sollte die Bezahlkarte bundesweit eingeführt werden.
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Was sich schon vor Monaten in Großstädten wie Dortmund, Düsseldorf, Leverkusen, Köln und Münster andeutete, wird nun zur Gewissheit: Die Bezahlkarte für Geflüchtete, auch als „Social Card“ bezeichnet, entwickelt sich zum Flop. Laut einer Tabelle des Flüchtlingsrates NRW haben sich in den vergangenen vier Wochen etwa zwei Dutzend Stadträte, Stadtverwaltungen oder Ausschüsse gegen die Einführung einer Bezahlkarte entschieden. Sie nutzen die sogenannte „Opt-Out-Lösung“: Kommunen haben in NRW demnach die Möglichkeit, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – zum Beispiel erhält ein alleinstehender Flüchtling insgesamt 441 Euro im Monat – nicht über eine Bezahlkarte zu erbringen.
Zuletzt hatte der Rat der Stadt Aachen Nein zur Bezahlkarte gesagt. „Die Einführung bringt aus Sicht des Rates keine Vorteile gegenüber der aktuellen Praxis, jedoch viele Nachteile für die Nutzerinnen und Nutzer“, heißt es in der entsprechenden Vorlage. Solche Entscheidungen gab es zuletzt auch in Ahlen, Bad Berleburg, Bielefeld, Dinslaken, Minden, Bonn, Kamen und in vielen anderen Städten.
Kritiker stört vor allem der bürokratische Aufwand
Auch in Bochum entschied sich vor wenigen Tagen eine Ratsmehrheit gegen die sofortige Einführung der Karte. Geflüchtete, die in der Obhut des Sozialdezernates sind, erhalten dort ein Konto bei der städtischen Sparkasse. Die Kritiker stört vor allem der befürchtete bürokratische Aufwand, den ihnen die Bezahlkarte bescheren würde. Es gebe zudem keine Anzeichen, dass Geflüchtete übermäßig Geld ins Ausland überwiesen. Allerdings ist die Ablehnung mancher Räte in NRW nur vorläufig. In einem Jahr wollen einige Kommunalparlamente das Thema erneut auf ihre Tagesordnungen setzen.
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Union und SPD im Bund haben die Bezahlkarte noch nicht abgeschrieben. Im frisch ausgehandelten Koalitionsvertrag steht: „Wir wollen, dass die Bezahlkarte deutschlandweit zum Einsatz kommt, und werden ihre Umgehung beenden. Groß angelegter Sozialleistungsmissbrauch im Inland sowie durch im Ausland lebende Menschen muss beendet werden.“
In NRW haben sich einige Stadträte schon für die Einführung der Bezahlkarte entschieden. Marl zum Beispiel Ende März, Herten schon Ende 2024. In Essen sind CDU und Grüne bei diesem Thema uneins. In den 55 Landesunterkünften für Geflüchtete wird die „Social Card“ an Bewohnerinnen und Bewohner ausgegeben.
„Kommunen müssen selbst über beste Lösung entscheiden können“
Die Co-Chefin der Grünen in NRW, Yazgülü Zeybek, sieht in den vielen Ablehnungen einen Beleg dafür, dass die Opt-Out-Lösung der schwarz-grünen Landesregierung für die Bezahlkarte richtig sei. „Die Kommunen müssen selbstständig entscheiden können, was für sie die beste Lösung ist. Viele haben bereits gut funktionierende Systeme vor Ort. Die Umstellung auf die Bezahlkarte kann für viele Kommunen einen zu hohen bürokratischen Aufwand bedeuten“, sagte sie unserer Redaktion.
SPD-Landtagsfraktionsvize Lisa Kapteinat hält die Opt-Out-Regel für ein grünes „Feigenblatt“, das zu einem „K.o.-Kriterium“ für die Bezahlkarte geworden sei. „Die Landesregierung hat den Kommunen damit einen Bärendienst erwiesen. In den Städten und Gemeinden herrscht das reinste Durcheinander. Ein Trauerspiel, wenn man bedenkt, wie sehr Ministerpräsident Wüst das Instrument als Allheilmittel seiner Flüchtlingspolitik gepriesen hatte“, sagte Kapteinat. Am Ende werde außer Spesen nichts gewesen sein.
Die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich im November 2023 mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber verständigt. Mit ihr sollen Asylbewerberinnen und Asylbewerber einen Teil der staatlichen Leistungen als Guthaben erhalten und nicht mehr als Bargeld. Maximal 50 Euro im Monat können auch bar abgehoben werden.
Vor einem Jahr entschied die NRW-Landesregierung, die Kommunen dürften selbst über die Einführung der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber entscheiden. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gehörte von Beginn an zu den Befürwortern dieser Karte, deren flächendeckende und schnelle Einführung er vehement einforderte. Sein grüner Regierungspartner leistete allerdings Widerstand.