Die Verblüffung war groß im Sozialausschuss, als Sozialdezernent Harald Rau verkündete, dass die Bezahlkarte nicht kommen wird.
Unklare RahmenbedingungenWarum die Stadt Köln die Bezahlkarte für Asylbewerber ablehnt
Nach der kurzen Anfrage von Jörg Detjen (Die Linke) und der noch kürzeren Antwort von Sozialdezernent Harald Rau im Sozialausschuss am Donnerstag war die Verblüffung im Saal mit den Händen greifbar. „Gehe ich recht in der Annahme, dass die Zweifel an der Bezahlkarte in der Verwaltung inzwischen so groß sind, dass sie nicht kommen wird?“, hatte Detjen gefragt. Der Dezernent antwortete schlicht mit „Ja.“ Damit schließt sich die Verwaltung dem mehrheitlichen Votum der Ratsmitglieder an. Zuvor hatte sie der Einführung der Karte positiv gegenübergestanden.
Auf die Bezahlkarte werden die Asylbewerberleistungen überwiesen; in bar abgehoben werden können lediglich 50 Euro pro Monat. Gezahlt werden kann mit der Karte ausschließlich in den Geschäften, die sich am elektronischen System beteiligen.
Die Bezahlkartenverordnung NRW beinhaltet Regelungen, die dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung entgegenstehen, teilte die Stadt auf Anfrage einen Grund für ihre Entscheidung mit. Sie sieht in der Umsetzung einen erheblichen Mehraufwand, vor allem im Vergleich zu den aktuell bewährten Formen der Leistungserbringung, die zu knapp 90 Prozent bargeldlos auf Girokonten erfolgen. Zudem sind die Rahmenbedingungen, insbesondere der Umgang mit Überweisungen, noch nicht final geklärt. „Zum jetzigen Zeitpunkt nehmen wir von der Einführung der Bezahlkarte Abstand“, so Rau. „Wenn uns Erfahrungswerte des Landes oder anderer Kommunen vorliegen, werden wir die Einführung für Menschen ohne Zugang zu einem Girokonto prüfen.“
Köln: Ratspolitiker mehrheitlich gegen Kartensystem
Anfang Januar war in fünf Landesunterkünften mit der Umstellung auf die Karte begonnen worden. Ob sie auch in kommunalen Unterkünften, in denen geflüchtete Menschen oft über einen längeren Zeitraum leben, eingeführt wird, ist den NRW-Kommunen freigestellt. Sie können sich per Ratsbeschluss dagegen entscheiden. In Köln sprechen sich Grüne, Linke, Volt und SPD gegen die Karte aus, CDU und FDP sind dafür.
„Wir sind sehr froh, dass es jetzt eine klare Mehrheit in der Politik, aber auch in der Verwaltung gegen die Karte gibt“, erklärte Detjen. „Die große Mehrheit der Geflüchteten in Köln hat eine Girokarte. Eine Bezahlkarte würde Doppelstrukturen und unnötige Kosten für die Stadt schaffen.“ Erwerbstätige Flüchtlinge bräuchten eine Überweisungsmöglichkeit für ihren Lohn, die es bei der Bezahlkarte nicht gibt. Die Betroffenen bräuchten dann doch wieder eine zusätzliche Girokarte.
Die FDP schreibt der Bezahlkarte eine erhebliche Verringerung des Verwaltungsaufwandes zu. „Auch wird der missbräuchliche Umgang mit Leistungen durch Überweisungen in Herkunftsländer unterbunden“, argumentierte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. Die Landesregierung dürfe die Kommunen mit Umsetzung und Finanzierung des Systems nicht im Stich lassen. „Wir erwarten, dass die Verwaltung sich beim Land dafür einsetzt.“
Das sieht Dîlan Yazicioglu, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, anders. Denn die Karte biete den Kommunen weder Mehrwert noch Entlastung, sagte sie. „Das hat die Verwaltung deutlich gemacht. Stattdessen schafft diese Karte unnötige Parallelstrukturen, stigmatisiert Geflüchtete und behindert ihre Integration nachhaltig.“
Kölner CDU-Fraktion befürwortet Bezahlkarte
Die CDU-Fraktion befürwortet die Bezahlkarte und hat einen entsprechenden Antrag für die nächste Ratssitzung eingebracht. Auch sie verweist auf eine Verringerung des Verwaltungsaufwands, ihre Einführung sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Schlepperkriminalität, so Martin Erkelenz, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Eine flächendeckende Einführung in NRW sei dringend erforderlich.
Die Bezahlkarte sei eine bürokratische Mammutaufgabe, die den Blick auf das Wesentliche verstelle. Es gebe mit dem Basiskonto bereits ein etabliertes System, die Schaffung von Doppelstrukturen sei „das Gegenteil von Bürokratieabbau“, sagte Volt-Ratsmitglied Isabella Venturini. „Diskriminierende Einschränkungen lehnen wir ab. Wir müssen zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren, die im Blick behält, dass es um Menschen geht, deren Lebensumstände unverschuldet aus den Fugen geraten sind.“
Gegen die Karte ist auch die SPD, teilte Fraktionschef Christian Joisten mit: „Die Landesregierung schafft hier mehr neue Probleme als gelöst werden. Nachdem sie die Mittel für die Flüchtlingsberatung zusammen gestrichen hat, schafft sie nun ein neues Bürokratiemonster.“