Köln – Diese Woche ist es soweit gewesen: Hochrangige Vertreter des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln und der Stadtspitze haben sich getroffen. Das Thema: Der umstrittene Ausbau des FC am Geißbockheim im Grüngürtel.
Von einer Elefantenrunde ist nach dem Treffen die Rede, unter anderem, weil Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) als Kölns erste Bürgerin daran teilgenommen hat. „Man spricht wieder miteinander“, das wurde schon vor einigen Wochen als wichtige Neuerung auf beiden Seiten festgestellt. Doch die mittlerweile bedeutendere Entwicklung: Der FC freundet sich wohl langsam mit dem Standort Marsdorf an.
Der Bundesligist erwägt das Areal an der Toyota-Allee als vorrangige Alternative zum Geißbockheim: Dieser Eindruck ist zumindest im Rathaus und bei anderen Beteiligten angekommen. Der Club könne sich die noch zu erschließende Brachfläche nahe dem Industriegebiet besser vorstellen als noch vor einigen Monaten, heißt es (siehe Grafik). Die Bezirkssportanlage in Bocklemünd, im Frühjahr in der Diskussion, ist selbst als Übergangslösung eher unwahrscheinlich.
Schon im März und April hatte der neue FC-Geschäftsführer Philipp Türoff den „eingefroren Status“ in der Causa Geißbockheim als „Katastrophe“ bezeichnet. Er sagte damals, der Club beleuchte aktuell „intensiv und lösungsorientiert“ seine Möglichkeiten. Aussagen, die sich nicht mehr anhören nach dem Duktus vergangener Tage: Geißbockheim und sonst nichts.
Offiziell bleibt das Geißbockheim Plan A, der Club weicht auch nicht von der Linie ab, so sagt Club-Sprecher Michael Rudolph: „Der 1. FC Köln steht derzeit mit zahlreichen politischen Vertretern in einem konstruktiven Austausch, in welcher Form eine realistische zukünftige Entwicklung der Infrastruktur des 1. FC Köln möglich sein kann. Wir hören uns auch alternative Konzepte an, wie der Stillstand der vergangenen Jahre überwunden werden kann.“ Dazu gehörten auch Konzepte für eine Übergangszeit. Der Club geht davon aus, Anfang 2023 eine „größere Planungssicherheit“ zu haben.
Grafik: Die Fläche in Marsdorf
Aber trotz Plan A am Geißbockheim ist klar: Acht Jahre Planen und Zanken haben keinen Zentimeter neuen Rasen, keinen Zentimeter neue Umkleide gebracht. Es geht um 25 bis 30 Millionen Euro für vier Kunstrasenplätze auf den Gleueler Wiese sowie einem Leistungszentrum am Geißbockheim.
Henriette Reker: „Es hat keinen Sinn, sich etwas zu wünschen, das unrealistisch ist"
Für eine Annäherung an Marsdorf sprechen mehrere Faktoren: Reker hatte im Vorjahr klar gemacht, der Club möge sich nach Alternativen umschauen. Zum Geißbockheim sagte sie: „Es hat doch keinen Sinn, sich etwas zu wünschen, das unrealistisch ist.“ Reker hatte für dieses Jahr eine Lösung angekündigt. „Das ist weiter das erklärte Ziel“, sagt eine Stadtsprecherin. „Die Gespräche laufen weiter und werden in alle Richtungen ergebnisoffen geführt.“
Die Frage ist für den Verein: Was lässt sich schnell umsetzen? Trainer Steffen Baumgart sagte zuletzt: „Wichtig ist, eine Lösung zu finden, die uns möglichst schnell weiterbringt.“ Und was kostet das den FC?
Ein wichtiger Termin folgt in fünf Monaten: Am 24. November entscheidet das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG), ob es den Klagen von Umweltschützern gegen den Ausbau stattgibt. Ein Vorwurf: Die Stadt habe Marsdorf als Alternative unzureichend untersucht, 2015 hatte das Gelände an der A1 Platz zwei der Standorte hinter dem Geißbockheim belegt.
Laut einer OVG-Sprecherin fällt das Gericht in der Regel am Tag der ersten Verhandlung ein Urteil. Rudolph sagt, dass Urteil werde „den Fortgang der bisher vorgestellten Pläne entscheidend beeinflussen“. Eine bemerkenswerte Aussage – denn: Lehnt das OVG die Klage ab, nützt selbst das dem Verein wenig. Denn er hat die Fläche für die Kunstrasenplätze noch nicht gepachtet. Und dazu wird es ziemlich sicher nicht kommen, weil es einen Beschluss des Stadtrates braucht. Indem Gremium sind nach der Kommunalwahl 2020 die Grünen als stärkste Kraft hat, sie lehnen das Vorhaben ab. Trotzdem gilt der 24. November als wichtig, weil das Urteil auf jeden Fall eine der beiden Seiten, Club oder Kläger, stärkt.
Dem Vernehmen nach soll die Zeit bis November genutzt werden, die Option Marsdorf vorzubereiten – auch auf dem grünen Acker sind eine ganze Reihe zu klärender Fragen, unter anderem die Konkurrenz zum Lebensmittel-Großmarkt, der dort hin ziehen soll (siehe Seite 2 dieses Artikels).
"Bedeutet das Aus für den Großmarkt"
Für die Händler am Großmarkt ist es eine schlechte Nachricht, dass der FC nun wohl doch Marsdorf als Standort ins Auge fasst. Damit bliebe dem Großmarkt bei seinem Umzug von Raderberg in das Gewerbegebiet am westlichen Stadtrand statt der Gesamtfläche von 27 Hektar nur noch zehn Hektar über. Michael Rieke, Sprecher der Interessengemeinschaft Großmarkt: "Das reicht hinten und vorne nicht." Auf dieser Fläche würden alleine schon die Händler nicht ausreichend Platz finden, geschweige denn die sogenannte Großmarkt affine Infrastruktur, wie Logistiker, Kühltechniker oder Vollsortimenter für den Gastronomiebedarf. "Allein die Vollsortiment-Märkte benötigen bis zu 2000 Quadratmeter", so Rieke.
60 Händler vom Großmarkt hatten zum vergangenen Jahreswechsel eine Petition unterschrieben, in der sie unter anderem versicherten, bei einem Umzug nach Marsdorf mitzugehen. IG-Sprecher Rieke geht aber von einer weit größeren Zahl an Interessenten für eine Neuansiedlung aus. "Weil wir teils eine komplizierte Struktur mit Untermieterverhältnissen haben, haben nicht alle Umzugswilligen unterschrieben. Ich rechne mit bis zu 120 interessierten Händlern."
Den Platzmangel attestieren sich die Händler laut Rieke nicht allein. "In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung gab es vier Szenarien für die Planung eines neuen Großmarktes auf dem zehn Hektar großen Teilbereich", berichtet er. Eben weil der Platz in keinem der Fälle gereicht habe, sei von Seiten der Verwaltung eine neue Idee ins Spiel gebracht worden.
Eine zweigeschossige Halle soll demnach die Antwort auf den Platzmangel sein. Diese Überlegung wird der Rundschau aus den Reihen des Wirtschaftsausschusses bestätigt. Der Idee kann Rieke allerdings nichts abgewinnen. "Das wird viel zu teuer." Zumal sich aus seiner Sicht die Stadt aus der Finanzierung zurückziehen will.
"Einen Investor sollen wir uns für den Bau eines neuen Großmarktes suchen", berichtet der IG-Sprecher aus den Verhandlungen mit der Stadtverwaltung. Die argumentiere, eine Finanzierung durch die Stadt müsse auf EU-Ebene abgeklärt werden, damit nicht eine wettbewerbsverzerrende Förderung als Vorwurf im Raum stehe. Ein solches Verfahren würde aber Jahre benötigen und gefährde damit das Bauprojekt "Parkstadt Süd", dem der Großmarkt in Raderberg weichen muss. Rieke fasst zusammen: "Nur zehn Hektar, ein Bau über zwei Etagen, der Ausstieg der Stadt aus der Finanzierung: Das bedeutet das Aus für den Großmarkt." (ngo)