Serie zu KVB-EndhaltestellenMit der Linie 12 nach Merkenich – Natur pur
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In unser Serie "Expedition Endstation" fahren wir die KVB-Bahnlinien bis zum Ende durch.
Mit der Linie 12 fuhr Gabi Bossler bis Merkenich und traf auf Gegensätzliches: einen gigantischen Autobahnausbau und ein faszinierendes Naturschutzgebiet.
Köln – Nicht mehr leicht zu beeindrucken ist, wer an der Endstation der Linie 12 in Merkenich aus der Bahn steigt. Ist er doch schon über drei Kilometer an der scheinbar menschenleeren "Ford-Stadt" mit ihren ummantelten Produktionsstraßen, Lagern und Versorgungswegen entlanggefahren - dem drittgrößten Autoproduzenten im Land. Trotzdem.
Ein paar Dutzend Meter vom Haltepunkt ragen überdimensionale Baukräne in den Himmel, und die Dimension der Megabaustelle erschreckt: Unmittelbar neben den kleinen Häusern am Ortsrand wird die Leverkusener Autobahnbrücke von sechs auf zehn Fahrspuren verbreitert.
Wer vom Megabauprojekt fasziniert ist, folgt zunächst der Edsel-Ford-Straße bis zur Römerstraße und kann sich dort Bauzaungewirr und Verkehrschaos von Nahem ansehen. Vom Kasselberger Weg und der Rheinaue aus lassen sich die Arbeiten an dem stockenden Mammutprojekt gut aus der Ferne beobachten.
Weg vom Baulärm führen zwei Wege, die man mit dem Rad auch hintereinander abfahren kann. Gleich hinter der Endhaltestelle führt die Edsel-Ford-Straße auf den Oranjehofweg, die am Erholungsgebiet Fühlinger See entlang verläuft. Hier kann auf einer der großem Liegewiesen eine erste Rast eingelegt werden, mit Blick auf Surfer oder Angler. Im Blackfoot Beach mit Strandbad und Cocktail-Bar darf gechillt werden. Und wer Kraft zuviel hat, powert sich im Hochseilgarten nahe am Wasser aus.
Wirklich ruhig wird es, wenn man sich vom Kasselberger Weg in Richtung Norden wendet - der Weg führt durch ein faszinierendes Naturschutzgebiet am Rhein mit mächtigen Schwarzpappeln, Langgraswiesen bis zum Flussufer und verwilderten alten Obstbäumen. 28 seltene und geschützte Pflanzenarten, darunter den Sumpf-Storchenschnabel und die Schwanenblume, gibt es hier zu entdecken. Schon bald verliert das Rauschen der Autobahn an Gewicht, Vogelgezwitscher aus den Büschen und Wind versetzen in Urlaubsstimmung. Dass hinten im Süden eine Millionenstadt liegt, kann man schon an Rheinkilometer 701 kaum noch glauben.
Von hier gelangt man auf einem Weg ans Ufer, auf einem Pfad kann das Naturschutzgebiet erkundet werden - beide Wege dürfen jedoch nicht verlassen werden, Hunde müssen angeleint bleiben. Ist man zurück auf dem Kasselberger Weg und ihm auf seinem weiten Bogen am Rhein entlang gefolgt, lohnt sich kurz vor dem sachten Anstieg zur Kirche St. Amandus ein Abstecher nach links.
Wasserleiche hatte die Taschen voller Gold
Hier betreibt Bauer Gerd Fuchs seinen Hof. Was auch kaum zu übersehen ist. "Spargel und Erdbeeren" wirbt ein großes Banner, werden im Hofladen angeboten. Und rund ums Dorf Rheinkassel angebaut. Das aber nicht "schon immer", sondern erst seit rund zwei Jahrzehnten. "Man muss seinen Betrieb spätestens alle 20 Jahre auf die veränderten Bedürfnisse ausrichten", erzählt Gerd Fuchs. "Jetzt probiere ich Süßkartoffeln aus und hiesigen Knoblauch. Und Ingwer - aber das ist in die Hose gegangen." Ersetzen sollen die neuen Sorten die Zuckerrüben, "der Markt dafür ist tot, Zucker gilt als ungesund". Immer sehr gefragt sind Erdbeeren.
Die machen allerdings höllisch viel Arbeit. "Ein Hektar mit Getreide braucht vier Arbeitsstunden pro Jahr. Bei Erdbeeren sind es 2500 Stunden. Kein Witz", sagt der Bauer und schmunzelt.
Unterdessen haben sich ein paar Verwandte um den Holztisch versammelt. Es gibt Kaffee aus einer voluminösen Thermoskanne. "Unseren Hof gibt es hier seit 255 Jahren", sagt Fuchs. "Und jeder aus der Familie kommt einmal am Tag vorbei. Das war schon immer so." Heute erinnert man sich an den legendären Dorfhund Kucki. "Der fuhr immer mit dem Bus nach Nippes. Dort wurde er dann abgeholt; sein Herrchen hat ihm Telefongeld für den Finder ans Halsband gebunden", erzählt Christa Fuchs, eine Tante väterlicherseits.Einen Bus können auch Spaziergänger nehmen, die den Weg am Rhein bis Langel nicht ganz zu Fuß gehen möchten. Die Linie 121 fährt alle spannenden Punkte in den Rheindörfern an.
So auch die romanische Kirche St. Amandus, aus deren rosafarbenem Mauerwerk ein kleiner Totenkopf auf den Betrachter herabblickt. Einer Überlieferung zufolge steht er für den "Dode Mann", der als Wasserleiche an den kleinen Kirchenhügel geschwemmt worden sein soll - mit Taschen voller Gold und einem Testament mit der Bitte, man möge auf seinem Grab ein Gotteshaus errichten. Bei Erdarbeiten kamen dann tatsächlich Gebeine unter St. Amandus zum Vorschein. Nach kurzem Gruseln geht es Richtung Norden weiter - mit freiem Blick auf den Rhein, vorbei an zahlreichen Gärten hinter Häusern am Damm. Der Weg ist gut befahrbar, unterhalb der Schutzmauer grasen Pferde im hohen Gras. Weiter vorne leuchtet das Langeler Pumpwerk, ein Kubus in grellorange. Einfach vorbeigehen, umdrehen und sich dann vom Spiel der Farben überraschen lassen!
Jetzt ist der Weg bis zu Langeler Riviera nicht mehr weit, Kinder können ihn kurzweilig auf der breiten Damm-Mauer bis zum Anleger der Langeler Fähre laufen. Danach Schuhe ausziehen und die Zehen im feinen Ufersand vergraben. Mit etwas Glück gibt's am Rheinufer blökende Schäfchen zu zählen. Oder einen Sonnenuntergang zu bestaunen - vom Ufer oder der Terrasse des Restaurants "Zur Fähre".
Tipps für den Besuch
HOFLADEN FUCHSKasselberger Weg 157, täglich 9 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags 10 bis 13 Uhr und 15 bis 17 UhrRESTAURANT "ZUR FÄHRE", Cohnenhofstraße 132, werktags 11.30 bis 22 Uhr, am Wochenende 10 bis 22 Uhr
BLACKFOOT BEACHStrandbad am Fühlinger See mit Bar und Hochseilgarten, Stallagsbergweg 1, täglich 10 bis 20 Uhr
FÄHRE LANGEL-HITDORF
alle 15 Minuten, werktags 6 bis 19.30 Uhr, samstags 9 bis 19.30 Uhr, sonntags 10 bis 19.30 Uhr.