Köln – Den Besuch beim Italiener am Abend vor dem Generali Köln-Marathon hat Raymond Damerow (65) schon fest eingeplant. Nudeln wird er essen, keinesfalls nochmal Scampis in Öl, wie vor einigen Jahren. Bei Kilometer 15 wollten die Meeresfrüchte plötzlich wieder raus, der Rest der Strecke war dann eine ziemliche Quälerei.
Die Brustwarzen wird er sich am Sonntagfrüh abkleben, damit das Shirt nicht scheuert, hier und da werde er Vaseline auftragen. „Nicht zu viel essen, nicht zu viel trinken“, sagt Damerow. Alles soll passen. Denn in Köln läuft er seinen 100. Marathon.
Stand schon auf dem Montblanc
Raymond Damerow hat sich immer hohe Ziele gesteckt im Leben, und viele davon auch erreicht. Bei Ford hat er es zum Verkaufsdirektor geschafft, in seiner Freizeit hat er von vielen hohen Bergen Europas hinabgeschaut, auf dem Großglockner stand er, auf dem Gran Paradiso und dem Montblanc. Einmal im Jahr steigt er mit Freunden aufs Fahrrad und fährt einfach los. Nach Turin ist er bereits geradelt. Und nach Oslo. „Da ist es wie beim Laufen. Es geht nicht ums Tempo, sondern um die Geselligkeit“, erzählt Damerow.
Änderungen gibt es bedingt durch Baustellen bei der diesjährigen Marathonstrecke. In der Südstadt wird durch Löwengasse und Georgstraße gelaufen, in Nippes gehört die Gellertstraße zur Strecke, auf der Venloer Straße wurde eine Spitzkehre eingebaut. Der Start ist wieder am Deutzer Bahnhof, das Ziel in der Komödienstraße.
Freie Fahrt besteht für den Verkehr am Sonntag auf der gesamten Gürtelstrecke, auch die Nordsüd-Fahrt in der Innenstadt gehört nicht zur Laufstrecke. Die Verbindung von der Zoobrücke über die Innere Kanalstraße zur A 57 ist ebenfalls frei.
Start für den Halbmarathon ist am Sonntag, 2. Oktober, um 8.30 Uhr. Der Marathon beginnt um 10 Uhr. Bereits am Samstag findet rund um den Dom ein Kinderlauf statt.
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Aussteller beteiligen sich an der Marathon-Expo, der Laufmesse in der Motorworld am Butzweilerhof. Die Messe ist am Freitag von 10 bis 20 Uhr und am Samstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Alle Teilnehmenden müssen hier auch ihre Startunterlagen abholen. Startnummer und Ausweis gelten Sonntag als VRS-Ticket. (tho)
Seinen ersten Marathon ist Damerow in Berlin gelaufen, weil es ihn beruflich in den Osten verschlagen hatte. Die Strecke führte noch nicht durchs Brandenburger Tor, Ost und West waren im Jahr 1982 noch streng getrennte Welten. Eine Verwechslung sorgt dafür, dass er bis heute in der Ergebnisliste mit einer Zeit von 3:05 Stunden geführt wird. „Das ist sehr schmeichelhaft, aber die richtige Zeit war 3:52 Stunden, wie es auch auf meiner Urkunde steht“, erzählt er und lächelt.
Zwischen seinem ersten und zweiten Marathon vergingen zehn Jahre
Zwischen seinem Entschluss zur Marathonkarriere und dem heutigen Tag liegen 4177,3 Kilometer, viele Liter vergossener Schweiß und 40 Jahre. Allein zehn Jahre ließ er tatenlos verstreichen, bevor er sich zum zweiten Marathon an die Startlinie stellte. In London war das, auch dort lag eine seiner beruflichen Stationen. „Das Ziel waren damals nie die 100. Anfangs wollte ich einen Marathon im Frühjahr laufen und einen im Herbst“, sagt er.
Irgendwann wurden es mehr, sein Rekord sind elf Marathons in einem Jahr. Dieses Jahr hat er bereits sechsmal die Königsdisziplin bewältigt, in der Fränkischen Schweiz war er am Start, die Nummer 99 führte zuletzt durch die Weinberge im baden-württembergischen Niedernhall. 500 Höhenmeter, Muskelkater inklusive. Das Treppensteigen fällt ihm nach einer solchen Strapaze tagelang schwer. Ein strammes Programm, „aber der 100. Lauf sollte auf jeden Fall in Köln sein“, erklärt er.
Lief bereits in New York, London oder Tokyo
Alle 99 Marathonläufe hat Raymond Damerow akribisch archiviert. Sämtliche Urkunden befinden sich in einem Aktenordner, dazu ein Erinnerungsfoto – aufgenommen von Fotografen am Streckenrand. In Berlin und London ist er schon gelaufen, zweimal auch in seiner Geburtsstadt New York. „Von den sechs Majors fehlen damit nur noch Tokyo, Boston und Chicago“, sagt er sehnsüchtig. Auch in allen deutschen Landeshauptstädten will er unbedingt Marathon laufen, die Hälfte hat er schon geschafft.
Wenn der Dauerläufer etwas gelernt hat, dann dies: „Beim Marathon gibt es keine Routine. Es sind immer wieder 42,1 Kilometer“, stellt er fest. In Berlin musste er einst – stark unterzuckert – einen kleinen Jungen anbetteln, der mit einer Tafel Schokolade am Streckenrand stand. In Köln hatten ihm Bekannte mal auf der Hohe Straße, einen Kilometer vor dem Ziel, frisch gezapftes Kölsch gereicht.
Mehr Allrounder als klassischer Läufer
Übermütig trank er ein Glas. Und noch ein halbes. „Das hat im Magen gewirkt wie eine Bombe. Beim nächsten Gulli kam es wieder raus“, erzählt er. Ein ernüchterndes Erlebnis.Raymond Damerow ist eher Allrounder als Läufer. „Meine Grundkondition hole ich mir immer noch beim Squash“, sagt er, auch Fußball hat er lange gespielt. Dienstags trifft er sich mit seiner Laufgruppe am Fühlinger See.
Ohnehin schätzt er die Abwechslung. „Mal einen Stadtlauf, dann wieder einen Lauf in der Natur, das macht den Reiz aus“, erzählt er. Auch beim Ragnar-Lauf ist er schon gestartet, zehn Läufer teilen sich als Staffel die 250 Kilometer-Strecke zwischen Hamburg und Sankt Peter-Ording. Im Sauerland hat er schon mal eine 24 Stunden-Wanderung über 101 Kilometer absolviert. „Auch das ist Kopfsache“, meint er.
Sonntag ist Marathontag. Nur in Luxemburg war das einst anders, der Nachtmarathon startete an einem Samstagabend. Und vor der Reise ins benachbarte Ausland machte Raymond Damerow das, was man halt samstags so erledigt. Einkaufen, Rasenmähen, Baumarkt. Als er schließlich fernab vom Start einen Parkplatz ergattert und den Kleiderbeutel im Kofferraum deponiert hatte, hörte er plötzlich aus der Ferne den Startschuss. Nachts um drei kam er schließlich völlig abgekämpft und ungeduscht zu Hause an.
Damerow vor Eintritt in besonderen Marathon-Klub
Diesen Sonntag steht nun Marathon Nummer 100 an. Anschließend will Raymond Damerow dem „100 Marathon Club Deutschland e. V.“ beitreten, dem bislang 420 Bezwinger der Schallmauer von 100 Läufen angehören. Als Nachweis muss er seinen Urkunden-Ordner vorweisen. Der Lohn der Ordnung.