Neubaugebiet in Köln stocktWird Mülheim-Süd jetzt zur Betonwüste?
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Köln – Der Umbau der alten Industrieflächen im Mülheimer Süden zum neuen Quartier für tausende Menschen kommt seit Jahren nicht voran – und die immer wieder veränderten Wünsche der Investoren gefährden laut Stadtverwaltung die städtebauliche Qualität.
Entwickelt sich also eines der größten Kölner Neubaugebiete zur Betonwüste, damit die Investoren mehr bauen können, um mehr Geld zu machen? In einem Gebiet, in dem viele frühere Industriehallen mit Denkmalschutz stehen, die zum kulturellen Erbe der Stadt gehören (siehe Info-Text)?
Das ist der Mülheimer Süden
100 Fußballfelder groß ist umgerechnet das Gebiet des Mülheimer Südens. Früher produzierte dort unter anderem Nicolaus August Otto den gleichnamigen Motor, auch Deutz war hier aktiv. Mittlerweile ist die Fläche auf mehrere Besitzer aufgeteilt, im Laufe der Jahre wechselten die Eigentümer. In dem Gebiet sollen Wohnungen, Arbeitsplätze und Kultureinrichtungen gebaut werden, eine Bahn soll Messe und Wiener Platz verbinden. (mhe)
Seit dem Werkstattverfahren 2013 haben die Investoren die Bruttogeschossfläche der geplanten neuen Häuser um 68 Prozent auf 713 000 Quadratmeter hochgeschraubt. Das bringt zwar mehr Wohnungen (plus 220 Prozent), geht aber zu Lasten der Freiflächen, der grünen Wegeverbindungen, des Denkmalschutzes und auch der Position der Hochhäuser. So urteilt die Verwaltung in einer Analyse für den Stadtrat.
Die Stadt sagte: „Die wechselnden Eigentümer und in Teilen divergierenden Projektziele führten dazu, dass das Ergebnis des Werkstattverfahrens zum Teil erheblich verändert wurde. Trotz einer deutlichen Steigerung der Baumasse konnten die qualitativen Ziele nicht im gleichen Maß aufrechterhalten werden.“ Frei übersetzt aus dem Behördendeutsch heißt das: Es wird größer, aber weniger schön.
Eigentlich müsste die Stadt sagen: Alles zurück auf Los
Deshalb hat die Stadt voriges Jahr eine Jury gegründet, sie soll sicherstellen, dass die städtebauliche Qualität gewährleistet wird – acht Jahre nachdem das Werkstattverfahren beendet war. Auch ein Gestaltungsleitfaden ist aktuell in Arbeit. Beides sind Indizien, dass die Verwaltung nach vielen Jahren die Einsicht gewonnen hat, dass es wie bislang nicht weitergehen kann. Ein Beteiligter des gesamten Verfahrens sagte am Montag: „Eigentlich müsste die Stadt jetzt die Reißleine ziehen und zurück auf Los gehen.“ Also auf die Pläne von 2013.
Doch das würde weitere Jahre kosten – obwohl der Bau sich ja jetzt schon seit Jahren verzögert, weil Grundstücke den Besitzer wechseln, es Klagen gibt, die Werft im Hafen ihren nächtlichen Betrieb gesichert wissen will. Mülheims Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs (SPD) sagte am Montag: „Irgendwie geht da nichts richtig voran.“
Aber warum ist es möglich, dass so wenig im Mülheimer Süden passiert? Unter anderem Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nennt das Gebiet stets, wenn es um neue Wohnungen geht. Muss die Verwaltung nicht strenger sein, die Investoren stärker kontrollieren? Baudezernent Markus Greitemann sagte am Montag: „Meine Geduld ist an der Ecke am Ende.“ Insgesamt gibt es laut Stadt sieben Bebauungspläne, ein Teil ist schon aufgestellt, ein Teil folgt noch. Greitemann sagte: „In den bestehenden Verfahren schauen wir, was rechtlich möglich ist, in den neuen werden wir noch restriktiver sein.“
Ein Beispiel ist „Cologneo I“: 2018 hat die Stadt die Baugenehmigung für die CG Gruppe ausgestellt, doch mittlerweile hat sich die Situation geändert: Ein Teil gehört nun CG Elementum, der neuen Firma von Christoph Gröner (CG), der andere Teil gehört unter anderem Consus Real Estate, einer Tochtergesellschaft der Adler Group. Die steht im Fokus aufgrund von Vorwürfen, sie setze zu hohe Immobilienwerte in den Bilanzen ein. Die Firma weist das zurück, es läuft aber eine Sonderuntersuchung.
Die Stadt urteilte zu „Cologneo I“: „Die Bauarbeiten auf den Baufeldern an der Deutz-Mülheimer Straße ruhen augenscheinlich seit mehreren Wochen.“ Kann die Verwaltung dann nicht tätig werden? Sie sagte: „Die Stadt Köln hat nach Erteilen der Baugenehmigungen jedoch keinen weiteren Einfluss auf den Baubeginn oder Baufortschritt der einzelnen Vorhaben.“
Das Unternehmen selbst begründet die Verzögerungen mit Material- und Personalknappheit sowie gestörten Lieferketten aufgrund der Pandemie. Eine Sprecherin wies auf laufende Baumaßnahmen im südlichen Teil des Gebietes.
Der frühere Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) hatte 2014 gesagt: „Die Umsetzung der Ideen der Eigentümer soll zeitnah erfolgen.“ Das ist jetzt acht Jahre her.