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Nach tödlichem Unfall in KölnPrüfer übersahen Pfusch an der Lärmschutzwand der A3

Lesezeit 4 Minuten
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Bei dem Unfall auf der A3 hatte eine 66-jährige Kölnerin ihr Leben verloren.

Köln – So würde es jeder Handwerker bezeichnen, was auf den Bildern zu sehen ist, die heute dem Verkehrsausschuss des NRW-Landtages vorgelegt wurden. Sie zeigen die Befestigung der Schallschutzelemente entlang der A3 auf der Höhe von Köln-Dellbrück. Statt die vorgesehene massiven  Halterung einzubauen, wurde aus Metallteilen ein Winkel zusammengeschweißt und eingesetzt. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Und das ging auch nicht gut. Vergangen Freitag löste sich eines der Elemente, fiel auf ein Auto und erschlug die Fahrerin. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

2007 wurde die Schallschutzwand mit ihren eingehängten Elementen errichtet. Das Konstruktionsprinzip ist kaum anders als bei einem Bilderrahmen. In die rechteckige Aussparung einer Betonwand wurde das über fünf Tonnen schwere Element eingesetzt. Eine massive Schraubenverbindung soll verhindern, dass es nach vorne kippt. Damit die Platz findet, ist eine Lücke zwischen Wandaussparung und Schallschutzplatte vorgesehen. Doch wie sich nun durch einen ersten Bericht eines unabhängigen Ingenieurbüros herausstellt, stimmte wohl etwas mit den Maßen nicht.

„Da hat etwas nicht gepasst, und das ist dann passend gemacht worden“, sagt NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). Aber das Versagen dürfte vielschichtiger sein. Ja, am Anfang stand der handwerkliche Fehler: „Die Platte war offenbar zu groß ausgefallen“, sagt Wüst im Ausschuss. Es herrschte Platzmangel, ist dem Prüfbericht zu entnehmen. Die Monteure verfielen auf die Lösung, sich selber eine schmalere Halterung zu bauen. Aus Ermittlerkreisen heißt es, sie hätten dazu Elemente genommen, die sie vor Ort gefunden hatten. Und das nicht nur einmal. Die Prüfer fanden bisher sechs weitere  notdürftig befestigte Schallschutzelemente. 5,3 Meter ist jedes breit. Das Versagen fand also auf einer Gesamtlänge von über 37 Metern statt.

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Risiko Lärmschutzwand? Auch auf der gegenüberliegenden Seite der Unfallstelle wurden die Betonplatten untersucht.

Pfusch im großen Ausmaß, und keiner hat etwas gemerkt? Die Bauaufsicht hatte damals der Landesbetrieb Straßen NRW. Er nahm 2007 die Wand anstandslos ab. Auch wenn der Pfusch zur Bauzeit leichter zu entdecken gewesen wäre als später: Auch nach 2007 hätte es die Chance dazu gegeben. Alle drei Jahre müssen die Schallschutzwände durch Prüfingenieure untersucht werden. 2013 fand die letzte Hauptprüfung statt. Der Zustand der Wand galt als „sehr gut“.

2016 gab es eine Nebenprüfung. 2019 hätte eine weitere Hauptprüfung folgen sollen. Doch die wurde laut Bericht wegen „Prüfüberhängen“ aufgeschoben. Das sei aufgrund des guten Zustandes „verträglich“ gewesen. Straßen NRW wiegelt in einer Pressemitteilung ab: Selbst bei einer weiteren Prüfung wäre der Fehler nicht augenfällig geworden. Der Metallwinkel habe sich im Wesentlichen hinter dem Schallschutzelement, im Zwischenraum zwischen Wand und Platte befunden. Nur bei Demontage der Platte wäre der Pfusch zu erkennen gewesen.

Allein, die Bilder zum Prüfbericht lassen einen anderen Schluss zu. In der Tat ist der Winkel bei einem Blick von vorne durch den oberen Spalt zwischen Wandausparung und Schallschutzplatte nicht in Gänze zu sehen. Jedoch lässt sich an der Verbindung der Platte durchaus erkennen, dass es sich nicht um die vorgeschrieben Halterung handelt. Das hätte  zumindest stutzig machen sollen.

Die Rundschau hat den Landesbetrieb dazu befragt. Der lässt zurzeit nur noch schriftliche Anfragen zu. Bis zum Redaktionsschluss blieben die Antworten aus.

Interview mit Markus Kattenbusch

Markus Kattenbusch ist Professor für Baubetrieb in Bochum. Mit ihm sprach Ingo Schmitz

Wer stellt am Bau sicher, dass alles fachgerecht ausgeführt wird?

Das ausführende Unternehmen ist für die Qualität verantwortlich. Dabei wird es von der Objektüberwachung (auch Bauüberwachung genannt) kontrolliert. Die übernimmt der Bauherr. Bei den Wänden an der A3 ist das der Bund, der die Aufgabe an Straßen NRW delegiert. Der Landesbetrieb hatte also zu kontrollieren, ob korrekt gearbeitet wird.

Wozu dient die Bauabnahme?

Bei der Bauabnahme wird formal die Konformität, also die Übereinstimmung, der erbrachten Bauleistung mit den vertraglichen Anforderungen bestätigt. Die eigentliche Kontrolle muss bei der Bauausführung stattfinden. Bei der Bauabnahme kann nicht alles nochmals von A bis Z kontrolliert werden. Der wesentliche Punkt bei der Bauabnahme ist, die Beweislast kehrt sich um. Bis zur Abnahme muss das ausführende Unternehmen beweisen, dass es keinen Fehler gemacht hat. Danach muss der Bauherr beweisen, dass das Unternehmen einen Fehler gemacht hat.

Wo liegt nun das Versagen bei den Schallschutzwänden an der A3?

Aus meiner Sicht liegt ein Zusammenspiel mehrerer möglicher Ursachen vor. Die Fehler hätten nicht passieren dürfen, sie hätten sowohl durch die Bauüberwachung auffallen müssen als auch bei den nach der Fertigstellung stattfindenden Prüfungen. Hierfür gibt es extra ein Regelwerk, das ist die DIN 1076. Befestigungen wie an der A3 geben in der Regel nicht ohne Vorzeichen nach. Ich hätte erwartet, dass sich ein Versagen der Befestigungen z.B. in Form von Lageänderungen der Wandelemente ankündigt. Genau aus diesem Grund wird ja die regelmäßige Bauwerksprüfung durchgeführt. (ngo)