Köln – Als die Demonstranten „En unserem Veedel“ anstimmen, wird es doch ein bisschen viel für Anja Kolacek. Eben hat die Geschäftsführerin der Kunstinitiative „Raum 13“ noch tapfer und gefasst am Mikro gestanden, sich bei den Helfern bedankt und daran erinnert, wie sie und ihr Kompagnon Marc Leßle zusammen mit anderen Kreativen elf Jahre lang einen in Köln einzigartigen Ort für Kunst, Kultur und Theater aufgebaut haben. Jetzt kämpft sie mit Rührung und Wehmut, als würde ihr erst in diesem Augenblick die Tragweite bewusst. Die beiden Künstler nehmen sich fest in den Arm.
Seit Donnerstagmorgen ist das „Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“ in der ehemaligen Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz Geschichte. Nach einer Räumungsklage des Eigentümers Gottfried Eggerbauer mussten die Künstler und ihre Mitstreiter das denkmalgeschützte Gebäude an der Deutz-Mülheimer Straße 147-149 verlassen und dem Gerichtsvollzieher die Schlüssel aushändigen. Wie berichtet, waren die Verhandlungen zwischen Eggerbauer und der Stadt Köln über einen Ankauf der Immobilie durch die Kommune an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert.
Protest am Morgen gegen das Aus
Rund 60 Personen protestieren an diesem Morgen gegen das Aus für das Kunstprojekt auf dem Otto-Langen-Areal, darunter Mitglieder des Stadtrats und der SPD-Landtagsabgeordnete Jochen Ott. Sie sprechen von einem „traurigen Tag für Köln“, einem „Desaster für die Stadt“, beklagen, dass die Stadtverwaltung die Ratsbeschlüsse zum Erhalt von Raum 13 nicht umgesetzt habe. „Köln, du bist Deutscher Meister im Chancen auslassen“ steht auf einem Plakat. Auf anderen heißt es: „Gier frisst Kunst“ oder „11 Jahre Aufbau zerstört“.
Wie berichtet, hatte die Stadtverwaltung trotz mehrfacher Aufforderung des Rates den Künstlern über Monate keinerlei Perspektive aufgezeigt. Nicht mal Lagerraum wurde ihnen angeboten. In ihrer Not fanden sie immerhin Hilfe in Wuppertal – der dortige Oberbürgermeister Uwe Schneidewind (Grüne) organisierte binnen drei Tagen zumindest eine Lagerhalle für sie.
Kunstwerke mussten zerstört werden
„Nach dem Räumungsurteil haben wir lange gehofft, dass es noch klappt mit dem Ankauf des Geländes durch die Stadt Köln“, erzählt Anja Kolacek. Diese Hoffnung habe sich vor vier Wochen endgültig zerschlagen. Seitdem sei man mit dem Umzug beschäftigt, dafür habe man Kunstwerke und Installationen zerstören müssen. „Kunst ist zu Material geworden“, sagt Kolacek. Das Einzige, was ihnen noch bleibe, sei das Netzwerk von Helfern und Unterstützern, das über die Jahre entstanden sei.„Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt Köln uns rechtzeitig geholfen hätte, auf das benachbarte Gelände, das dem Land NRW gehört, umziehen.
Das hätte vieles erleichtert“, meint Kolecek. Das sei nicht möglich, hatte Baudezernent Markus Greitemann vor zwei Wochen mit Verweis auf die Landesgesellschaft NRW Urban betont. Denn die habe auf seine Anfrage hin erklärt: „Nach intensiver Prüfung aller Möglichkeiten müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass egal an welcher Stelle des Gesamtgeländes auch immer, wir aus haftungs- und verkehrssicherungspflichtiger Verantwortung keinesfalls eine Fläche zur Verfügung stellen können. Ohne Gefahr für Leib und Leben ist die Nutzung von Flächen derzeit nicht möglich.“
Angebot von OB Reker kurz vor Räumung
Jetzt soll es plötzlich doch eine Möglichkeit geben. Am Mittwochnachmittag – nur wenige Stunden vor der Räumung – flatterte den Künstlern ein Angebot aus dem Büro der Oberbürgermeisterin auf den Tisch: NRW Urban sei nun doch bereit, der Stadt Köln einen Teil der Außenfläche seines Geländes für eine Anmietung und Weitervermietung an Raum 13 zur Verfügung zu stellen. Und zwar „für die interimistische Unterbringung der Exponate“. Bevor das Teilgelände genutzt werden könne, müssten aber noch „verschiedene bauliche Maßnahmen zur Verkehrssicherung durchgeführt werden“. Gemeint ist wohl die Einzäunung der Freifläche.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Raum 13 längst einen Großteil der Exponate, Objekte und Geräte eingepackt und nach Wuppertal gebracht. Zum Rest, der sich noch im Gebäude befindet, haben Kolacek und Leßle seit Donnerstag nur noch in Absprache mit dem Eigentümer Zugang. Ihnen bleiben nur noch vier Wochen, um die Sachen abzuholen. Was er vom Angebot der OB hält? Marc Leßle zuckt übernächtigt die Schultern. „Ich habe 48 Stunden durchgearbeitet. Das schaue ich mir später an.“
Tatsächlich ist in der Offerte von OB Henriette Reker, die das Thema in letzter Minute an sich gezogen hat, nur von einer Fläche unter freiem Himmel die Rede. Wer dort etwas witterungsgeschützt lagern will, müsste erst Container oder Leichtbauhallen aufstellen. Ob Raum 13 unter diesen Umständen die künstlerische Arbeit vor Ort fortsetzen und Veranstaltungen durchführen kann, steht in den Sternen.
Man hat die Künstler erst mal vor die Tür gesetzt. Der Wunsch des Stadtrats und der Unterstützer, dass Raum 13 als Anker und Nukleus für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung und künftige Nutzung des ehemaligen Industrieareals dienen soll, greift vorerst ins Leere.