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Erdbeben in der TürkeiDeshalb kritisieren einige türkischstämmige Kölner die Stadt

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Peter Bach und Meral Sahin sitzen in ihrem Geschäft in der Keupstraße. Im Hintergrund sind Blumen zu sehen.

Peter Bach und Meral Sahin im Gespräch in ihrem Geschäft in der Keupstraße.

Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien organisiert die türkische Community in Köln weiterhin Hilfe. Manche fühlen sich alleingelassen vom Kölner Umfeld.

„Ich brauche jetzt auch Mitgefühl. Ich glaube, die Leute haben nicht geschnallt, was für eine Situation in der Türkei herrscht“, Sevtap Ö. ist maßlos enttäuscht, wie sich ihr Umfeld angesichts der Erdbeben-Katastrophe verhält. Die 38-Jährige, die in vierter Generation in Deutschland lebt, fühlt sich alleingelassen.

Fahnen auf Halbmast würde sie sich in Köln, einer Stadt, in der fast jeder Zehnte türkische Wurzeln hat, wünschen. „Ich fühle mich nicht akzeptiert. Ich möchte so schnell es geht meinen türkischen Pass wiederhaben“, wettert die aufgebrachte junge Mutter am Telefon.

Meral Sahin hört zu. Sie sitzt inmitten von Dekoration für das schöne Zuhause und fröhliche Feiern in ihrem Geschäft in der Keupstraße. Der Laden der Vorsitzenden der IG Keupstraße ist zwar offen, aber statt ums Geschäft dreht sich hier fast alles darum, wie man den Menschen im Erdbebengebiet in der Türkei helfen kann. Sahin ist fast ununterbrochen am Telefon, versucht, Fäden zu ziehen, zu organisieren - und bei all dem Entsetzen einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren.

Materialspende scheitert an hohen Transportkosten

Sahin versteht, wie sich Sevtap fühlt. „So geht es nicht wenigen türkischstämmigen Kölnern“, sagt sie, „Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Mich haben auch Deutsche angerufen. Es sind viele Hilfsangebote eingegangen.“

So habe auch eine deutsche Firma angeboten, Werkzeuge zu spenden. Allerdings: Momentan kämpfen die türkischstämmigen Kölnerinnen und Kölner, die unbedingt helfen wollen, gegen bürokratische Hürden. Nur Neuware konnte in einem Frachtflugzeug, das Dienstagnacht startete, mitgenommen werden. Stundenlang sortierten Sahin und viele Helferinnen und Helfer den riesigen Spendenberg, beschrifteten Kartons und füllten Listen mit dem Inhalt und dem Wert der Gegenstände aus.

„Ich würde mir Unterstützung wünschen von Organisationen, die sich mit so etwas auskennen und helfen“, sagt Sahin. So scheitere der Transport der angebotenen Werkzeugspende momentan daran, dass für den Transport 128.000 Euro nötig wären. „Der Frachtweg muss vereinfacht werden“, fordert Sahin.

Schnell etwas alleine zu organisieren, läge vielen türkischstämmigen Kölnern jetzt näher, als selbstbewusst Unterstützung zu fordern, glaubt die gebürtige Kölnerin. Sie versucht den Spagat: Augenmaß trotz des tiefen Schocks.

Würdigung wohl auch durch das Festkomitee

Sahin steht im Kontakt mit Bettina Baum, Leiterin des Amts für Integration und Vielfalt. Von ihr erfuhr sie auch, dass Oberbürgermeisterin Henriette Reker plant, am Donnerstag im Rat eine Gedenkminute für die Erdbebenopfer vorzuschlagen. Ein Zeichen, das Sahin wichtig ist. Ebenso wie der spontane Besuch von Peter Bach von der Geschichtswerkstatt.

Er ist seit dem Nagelbombenanschlag den Menschen auf der Keupstraße verbunden und wünscht sich, dass auch der Karneval die tiefe Betroffenheit eines großen Teils der Kölner würdigt. Wie vom Festkomitee zu erfahren war, laufen dort Planungen, genau das zu tun.