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Bezirksbürgermeister Fuchs„Aufpassen, dass wir kein Schickimicki-Viertel werden“

Lesezeit 6 Minuten
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Norbert Fuchs ist der dienstälteste Bezirksbürgermeister Kölns.

Über 30 Jahre sind Sie nun Bezirksbürgermeister. Noch nicht amtsmüde?

Nein, man gewöhnt sich dran (lacht). Aber im Ernst, ich wollte nie eine berufspolitische Laufbahn angehen – auch wenn ich gekonnt hätte. Wichtig war mir immer Familie, Beruf und die Dinge vor Ort. Dort, wo ich lebe, da wollte ich tätig sein.

Zur Person

Norbert Fuchs ist am 17. November 1948 in Opperzau (Sieg) geboren, ist in Buchforst aufgewachsen und lebt in Mülheim. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.1982 trat er der SPD bei.

Seit 1984 ist er Mitglied in der Bezirksvertretung Mülheim und seit 1989 Bezirksbürgermeister. In den Ruhestand ging Fuchs im Februar 2014. Bis dahin war er Leiter des Fachbereichs Gesundheitspolitik bei einem großen Pharma-Unternehmen. (rde)

Und wollen es noch immer. Sie führen im Kommunalwahljahr die Liste der SPD für die Bezirksvertretung an.Ja, ich bin nominiert. Mal schauen, was bei der Wahlkreiskonferenz am 15. Februar raus kommt.

Warum wollen Sie weiter machen?

Es macht mir Spaß. Ich hab ja einige Dinge angestoßen und möchte die noch umsetzen oder soweit auf die Schiene bringen, dass sie fertig werden können.Das heißt, Sie sind noch nicht fertig. So kann man es sagen. Nehmen wir den Mülheimer Süden als Beispiel. Ein riesiges Entwicklungsgebiet, was dort entstehen wird. Es gibt viele Pläne, etliche Gespräche, aber mit dem Euroforum Nord/Coloneo I ist nur ein Bebauungsplan umgesetzt. Für die anderen fünf Bereiche müssen noch Bebauungspläne her.

Gerne vor der Kommunalwahl, dass da endlich angefangen werden kann. Aber bei der Personalsituation im Stadtplanungsamt habe ich da Zweifel. Wenn wir die politischen Beschlüsse nicht auf den Weg bringen, ist meine Befürchtung, dass sich das bis 2021 verzögern wird. Was ich mit meinen Mitteln tun kann, werde ich tun, um die Verfahren zu beschleunigen. Wir brauchen den Wohnraum, der neben der gewerblichen Nutzung entsteht.

Da hilft Ihre Erfahrung?

Ich denke, dass ich sehr gut vernetzt bin – mit Investoren, mit der Verwaltung. Ich denke ich kann vermitteln, als Lobbyist für den Stadtbezirk.

Der Mülheimer Süden ist das eine, das andere der Norden.

Im Bereich Schanzenstraße, Carlswerkstraße gibt es hervorragende Entwicklungen. Auch beim Güterbahnhof-Gelände. Da wird Siemens mit 1000 Mitarbeitern hinkommen.

Und die IHK.

Ja, das ist sensationell. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass die IHK auf die Schäl Sick und gerade nach Mülheim kommen wird. Es gibt aber auch schon vorliegende Pläne für die S-Bahn-Station Berliner Straße. Das passt ja auch gut zu der Entwicklung im Schanzenviertel. Da gehen wir jetzt in die Planungsphase rein, das möchte ich auch noch mit begleiten.

Das sind alles Projekte im Stadtteil Mülheim selbst. Wie sieht es in anderen Stadtteilen des Bezirks aus?

In Höhenhaus haben wir das Bauprojekt der LEG. Dort werden die knapp 200 Wohnungen abgerissen und rund 400 neu gebaut. Beim Thema Egonstraße in Stammheim vermittle ich zur Zeit zwischen der Liegenschaftdezernentin und der Rechtsanwältin der Anwohner. Wir müssen mal schauen, wie die Sache weiter geht.

Der Bezirk: Mülheim

Im Jahr 1914 wurde Mülheim nach Köln eingemeindet. Zuvor hatte es 1785 bereits Stadtrechte erhalten.

Zum heutigen Stadtbezirk Mülheim gehören neun Stadtteile mit einer Gesamtfläche von 52,23 Quadratkilometern und laut städtischen Angaben 149 564 Einwohner (Stand: 31. Dezember 2017).

Dann gibt es noch das Haberlandhaus – eine unendliche Geschichte. Hier sind zwei Bewerber übrig, die das Haus entwickeln wollen, einer von denen wird ausgeguckt werden. Auch das Verkehrskonzept Holweide ist in der Verwaltungsabstimmung und wird 2020 in die Gremien kommen.

Womit sind wir beim Thema Verkehr und der Mülheimer Brücke wären.

Da werden wir noch Probleme bekommen. Die Mülheimer Seite, ist wohl so marode – da bin ich mal gespannt, ob das ohne Verzögerung und Kostensteigerung machbar ist. Positiv sehe ich, dass das Verkehrschaos durch die einspurige Führung über die Brücke ausgeblieben ist. Da müssen wir weiter dran arbeiten, dass das auch so bleibt. Auch die Feinstaubbelastung am Clevischen Ring ist im Zuge der einspurigen Verkehrsführung zurückgegangen. Offenbar hat sich der Verkehr in dem Bereich tatsächlich reduziert.

Zum Verkehr gehören aber nicht nur Autos.

Auch im ÖPNV tut sich was. Die neue Stadtbahn über die Deutz-Mülheimer-Straße mit Erschließung des KHD-Geländes über Stammheim, Flittard bis nach Leverkusen – eventuell bis Opladen. Da stehe ich im engen Kontakt mit dem Oberbürgermeister von Leverkusen. Dasselbe gilt auch für Linie 4 nach Dünnwald und Schlebusch. Da gibt es auch Überlegungen mit der Stadt Leverkusen zusammen, die Linie bis zum Krankenhaus weiter zu führen.

Wie steht es um das Krankenhaus Holweide?

Die Schließung des Krankenhauses Holweide wäre für uns fatal. Jetzt ist die Rede davon, den Standort zu erhalten. Doch das Ganze ist ein Missmanagement. Wie lange ist Frau Reker Gesundheitsdezernentin gewesen, bevor sie OB wurde? Was hat sie in der Zeit im Aufsichtsrat der Kliniken gemacht? Diese finanzielle Situation, gerade was Holweide betrifft, das hat ja schon zu ihrer Zeit als Sozialdezernentin angefangen.

Und die Notfallpraxis an der Genovevastraße?

Die ersatzlose Schließung ist ebenso fatal. Die Notfallpraxis am Kalker Krankenhaus gab es neben der Notfallambulanz des Kalker Klinikums schon vorher, sie ist jetzt nicht entstanden. Es fehlt jetzt eine Notfallpraxis. Und die in Mülheim war stark frequentiert. Ich hab große Sorgen, was die medizinische Versorgung angeht, dass der Bezirk Mülheim hier abgehängt wird.

Dabei bedeuten die Bauprojekte auch mehr Einwohner.

Der Bezirk wächst und wird jünger. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir nicht so ein Hipster- oder Schickimicki-Viertel werden. Die Durchmischung ist wichtig, Wohnraum muss bezahlbar sein. Das kann er nur, wenn es auch innerhalb der Verwaltung rund läuft. Die Verzögerungen wie etwa bei Mülheim-Süd sind nicht den Investoren anzulasten, sondern dem Personalmangel in der Bauverwaltung.

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Bald ist der Abriss der Gebäude abgeschlossen – nur geht es dann auf der Baustelle nicht voran, weil die Planungen seitens der Verwaltung nicht abgeschlossen sind. Die Verzögerung kommt uns teuer zu stehen. Henriette Reker hat zwar gesagt, dass in ihrer Amtszeit 2000 neue Leute eingestellt worden sind. Doch wo sind die? Nicht beim Stadtplanungsamt, nicht bei der Bauaufsicht, nicht beim Ordnungsamt. Wichtige Projekte bleiben auf der Strecke.

Wie der Dellbrücker Marktplatz?

Genau. Wann haben wir den beschlossen? Vor drei, vier Jahren? Da ist noch immer nichts gesehen. Die Kohle wird immer von Jahr zu Jahr weitergeschoben. Ich fürchte, irgendwann ist sie weg und der Parkplatz dennoch nicht gemacht.

OB Reker hatte die Stärkung der Bezirke ausgerufen.

Die Stärkung der Bezirke habe ich in dieser Legislaturperiode nicht gesehen. Im Gegenteil, da sind in der Zuständigkeitsordnung ein paar Sachen geändert worden, mehr nicht. Aber die Bezirke kannst du nur stärken, wenn du ihnen Mittel zur Verfügung stellst. Ich meine nicht ein paar hunderttausend Euro, sondern da muss richtig Kohle her. Dann kannst du die Bezirke stärken. So heißt es immer wieder neu kämpfen. Mal schauen, was am Rosenmontagszug zu sehen ist, da haben die Bezirksbürgermeister einen eigenen Wagen.