Eins gleich vorweg: Kandidieren Sie im September bei der Kommunalwahl wieder für das Amt der Bezirksbürgermeisterin?
Ja, das werde ich tun. Die Partei hat mich gefragt, und ich bin optimistisch, dass ich im Februar nominiert werde.
Sie konnten im vergangenen Jahr zwei Jubiläen feiern. 25 Jahre in der Bezirksvertretung, 20 Jahre als Bezirksbürgermeisterin. Ist es heutzutage schwierig, Leute für so ein Mandat zu gewinnen?
Viele, die Interesse haben, sind halt beruflich sehr eingespannt. Und es kostet viel Zeit, all die komplexen Vorlagen zu lesen. Deshalb sitzen in der Bezirksvertretung Lindenthal viele Rentner. Mich eingeschlossen.
Was hat sich aus Ihrer Sicht in den 25 Jahren gravierend verändert?
Die medialen Kontakte. Am Anfang bekam man Briefe und Anrufe. Jetzt erhalte ich sehr viele Mails. Und da ich Wert darauf lege, den Leuten möglichst schnell zu antworten, gerate ich manchmal in Zeitnot. Ich rufe die Mail-Schreiber am liebsten zurück, weil ich glaube, dass ein persönliches Gespräch meistens zielführender ist als eine Mail.
Haben Sie außer in der Bezirksvertretung noch andere Mandate?
Ich bin Mitglied ohne Stimmrecht im Verkehrsausschuss und mit Stimmrecht im Aufsichtsrat der KVB. Es gehört nach meiner Meinung zu den wichtigsten Aufgaben in dieser Stadt, den Menschen gute Angebote im öffentlichen Verkehr zu machen.
Zur Person
Helga Blömer-Frerker wurde geboren in Dinklage. Das liegt an der A1 auf halber Strecke zwischen Osnabrück und Bremen. Sie ist verheiratet und hat nach ihrem Englisch- und Biologiestudium in Bonn als Realschullehrerin zuletzt in Mülheim gearbeitet.
Seit 1994 ist sie für die CDU Mitglied der Bezirksvertretung, seit 1999 Bezirksbürgermeisterin in Lindenthal. (ran)
Nur dann werden sie ihre Autos stehen lassen und Bus, Bahn und Rad fahren. Im Verkehrsausschuss habe ich in den vergangenen Jahren immer öfter erlebt, dass bei Entscheidungen gefragt wurde, wie die jeweils betroffene Bezirksvertretung abgestimmt hat.
Wie hat sich denn die Idee von Oberbürgermeisterin Henriette Reker in den vergangenen Jahren entwickelt, die Bezirke zu stärken?
Das läuft alles besser, seit sich die Oberbürgermeisterin persönlich intensiv darum kümmert. Es gibt ja eine Kommission, der die OB, Ratspolitiker, Bezirksbürgermeister und Leute aus der Verwaltung angehören. Diese Kommission definiert, was Sache der Bezirksvertretungen und was Sache des Rates ist. Für die Themen Schulen und Straßen haben wir das bereits festgelegt. Die Haltung des Rates, möglichst wenig Kompetenzen an die Bezirksvertretungen abzugeben, gibt es nach meiner Meinung kaum noch. Schließlich haben die im Rat so schon genug zu tun.
In der Bezirksvertretung Lindenthal werden aus meiner Sicht viele Entscheidungen in der sogenannten Fraktionsvorsitzendenbesprechung getroffen. Diskutiert wird während der öffentlichen Sitzungen dann kaum noch.
Jetzt, wo Sie das sagen, fällt mir auf, dass das wirklich so ist. Für uns im Bezirk ist es wichtig, einstimmige Beschlüsse in die Ratsausschüsse zu geben. Damit dort nicht der Eindruck entsteht, dass man uns nicht ernst nehmen müsse, weil wir uns vor Ort selbst nicht einig sind. Vielleicht müssen wir über die Fraktionsvorsitzendenbesprechungen noch einmal nachdenken.
Der Bürger ist über die Entscheidungsfindung und über die Argumente, die ausgetauscht werden, nicht informiert.
Die Sitzungen dürfen aber auch nicht einen angemessenen zeitlichen Rahmen sprengen. Vielleicht sollten wir festlegen, dass immer nur ein Mitglied pro Antrag und Fraktion zur Sache spricht.
Der Bezirk: Lindenthal
Der Stadtbezirk Lindenthal ist mit 152 000 der bevölkerungsreichste in Köln. Er umfasst die Stadtteile Braunsfeld, Junkersdorf, Klettenberg, Lindenthal, Lövenich, Müngersdorf, Sülz, Weiden und Widdersdorf. In der Bezirksvertretung haben sich CDU und Grüne zu einem Bündnis zusammengeschlossen.
In Lindenthal liegen die Universität zu Köln und der Melaten-Friedhof. Die Uni gehört mit ihren über 50 000 Studierenden zu den größten in Deutschland. Ihre Bauten dominieren den Stadtteil Lindenthal. Die Aachener und die Dürener Straße im Stadtteil Lindenthal sowie die Berrenrather und die Luxemburger Straße im Stadtteil Sülz gehören zu den wichtigsten und größten Straßen im Stadtbezirk, an denen viele Geschäfte, Unternehmen und Schulen liegen.
Auch der 1. FC Köln hat seine Heimat im Stadtbezirk. Die Trainingsstätten rings um das Geißbockheim liegen in Sülz, das RheinEnergie-Stadion ist das Wahrzeichen von Müngersdorf. (ran)
Die Fraktionen müssen sich auch noch intensiver um die Themen kümmern. Ich werde meinen Kollegen in der CDU-Fraktion vorschlagen, dass wir uns in der nächsten Legislatur-Periode öfter treffen.
Überspitzt gefragt: Kann man in der Bezirksvertretung Lindenthal Beschlüsse fassen, gegen die etwa der Bürgerverein Müngersdorf oder die Bürgerinteressengemeinschaft Junkersdorf Sturm laufen?
Aus meiner Sicht müssen Kompromisse möglich sein. Und das schließt ein, dass beide Seiten von Maximalforderungen abrücken. Ich war schon ein wenig befremdet, dass die Verwaltung in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung eine Vorlage einbrachte, in der sie den Verzicht auf die neue Rampe vom Militärring auf die Aachener Straße mit dem Ärger begründete, den die Müngersdorfer angedroht hatten.
Noch ein paar Stichworte: Bus-Express-Linie auf der Aachener Straße?
Die befürworte ich. Wir müssen den Bürgern solche Angebote machen. Wir werden im Februar eine Veranstaltung mit den Braunsfelder Bürgern und insbesondere den Geschäftsleuten haben. Ich bin mal gespannt.
P & R-Platz Weiden-West.
Es ist ein Skandal, dass der nicht schon längst ausgebaut wurde. Da muss doch lediglich eine Parkfläche geplant werden.
FC im Grüngürtel.
Die Verwaltung muss jetzt über 7200 Einwendungen bewerten. Die Gegner haben schon entschieden, dass sie vor Gericht ziehen werden. Ob sich der FC das alles antun will?
Großmarkt in Marsdorf.
Da hat die Verwaltung es jahrelang versäumt, die richtigen Weichen zu stellen. Die Bezirksvertretung hat den Großmarkt in Marsdorf abgelehnt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Anfang 2024 dort ein Großmarkt steht. Zumal ja immer noch nicht geklärt ist, wer dort investiert.
Radschnellweg Köln-Frechen.
Das wird ein Highlight, weil er der erste innerstädtische Radschnellweg in Nordrhein-Westfalen wird. Es gibt Abschnitte auf der Bachemer Straße, auf denen es sehr schwierig wird, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen.
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Die Einbürgerungen gehören eindeutig zu meinen Lieblingsterminen. Hier sitzt die ganze Welt am Tisch. Jeden Freitag durchschnittlich acht Leute. Im Moment viele Briten wegen des Brexits. Aber auch Menschen aus Venezuela, Burkina Faso und so weiter. Und die Menschen, die ich einbürgere, sind fast alle wirklich sehr nett.