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Mo-Torres im Interview„Ich will nicht der Kölsch-Rapper sein“

Lesezeit 7 Minuten

Ehrenfeld war früher eine Dorfgemeinschaft, findet Mo-Torres. Aber auch heute noch fühlt er sich in dem mittlerweile pulsierenden Veedel wohl.

  1. Mit „Liebe deine Stadt“ ist Moritz Helf alias Mo-Torres bekannt geworden.
  2. Mit dem Musiker sprach Bernd Imgrund über Themen wie sein Veedel Ehrenfeld oder die Liebe zum FC.

Auf der Venloer Straße tobt der Verkehr. Autos hupen, Fahrräder mogeln sich durch die Lücken, Fußgänger hetzen von hier nach dort – ein perfektes Terrain für Musiker, die nach neuem Stoff für ihre Songs suchen.

Sie sind in Ehrenfeld und Bickendorf aufgewachsen und leben noch immer hier. Wieso?

Es gab ein achtmonatiges Intermezzo in Dellbrück, da habe ich mich wie in einer anderen Welt gefühlt. Ich habe in Ehrenfeld alles, was ich brauche: meinen Bäcker, mein Büdchen, ich gehe beim Türken essen, beim Libanesen oder in einem der italienischen Geldwäscheläden. (lacht) Das ist halt mein Viertel hier.

Spüren Sie die Veränderungen im sozialen Mischmasch?

Als ich klein war, fand ich Ehrenfeld familiärer. Ich habe im Nonniweg und dann in der Landmannstraße gewohnt, das war wie eine Dorfgemeinschaft. Und heute komme ich aus einem kurzen Urlaub, und es haben wieder drei neue Läden aufgemacht.

Zur Person

Mo-Torres wurde als Moritz Helf 1989 in Köln geboren. Er wuchs in Ehrenfeld auf und besuchte das Montessori-Gymnasium in Bickendorf. 2011 veröffentlichte er sein erstes Album namens „Moralapostel“. Weitere Veröffentlichungen folgten und machten ihn auch überregional bekannt.

Sein zur Melodie von L“amour toujours (im Original von Gigi D“Agostino) komponierter Song „1. Bundesliga, wir sind wieder da! (Döp Dö Dö Döp)“ mutierte zum inoffiziellen Aufstiegssong 2014. Die Maxi-CD nahm er zusammen mit Eko Fresh, Sülo der Boss, Venloerstross und Jumbo Star auf. Unter anderem präsentierte er das Lied bei der Saisoneröffnung des 1. FC Köln, für den er auch bereits zweimal im Stadion auftrat.

2016 veröffentlichte Mo-Torres mit Cat Ballou und Lukas Podolski die Single „Liebe deine Stadt“, eine Hymne auf Köln. Die Single erreichte Platz 26 der deutschen Singlecharts.

2017 schloss er sein Studium des Medienmanagements mit dem Bachelor-Titel ab und arbeitet seitdem Profi-Musiker. 2018 veröffentlichte er sein bislang erfolgreichstes Album „4 Wände“, 2019 folgte die EP Rochuspark, die mit einem ausverkauften Konzert im E-Werk garniert wurde.

Sie waren auf dem Bickendorfer Montessorigymnasium. Klingt nicht gerade nach Straßenköter.

Ich hatte einen Abi-Durchschnitt von 3,0. War okay, aber mir ist halt ziemlich spät klargeworden, dass Lernen was bringt.

Gibt es hier eine Rapperszene?

Klar, mit Leuten wie Splinta823 oder Jascha habe ich meine ersten musikalischen Schritte gemacht. Aber ich bin auch ein Einzelgänger. Meine Mucke kommt nicht von der Straße. Und ich habe auch nie Drogen vertickt oder zu den Leutchen gehört, die das von sich behaupten, um cool zu sein.

Was sind denn Ihre Themen?

Kann man meinetwegen ruhig Mittelstandsding nennen. Bei mir geht es oft um Alltagssituationen und andere Normalo-Themen, die mich beschäftigen. Wenn einer mit mir nen Song machen will und in der ersten Line mit „drei Kilo Koka“ ankommt, kann ich damit nichts anfangen.

Muss man als Rapper gefährlich sein?

Nö, wieso das denn? Cro, Sido oder auch Disarstar aus Hamburg – die sind ja alle null gefährlich beziehungsweise machen nicht auf gefährliche Gangster. Es funktioniert also auch ohne.

Sie haben mal gesagt: „Ich hasse das Business. Ich hab selten in so kurzer Zeit so viele Arschlöcher kennengelernt.“

Bei Britney Spears interessiert niemanden, ob sie erlebt hat, wovon sie singt. Aber bei mir müssen die Texte authentisch sein. In meinem Fall gibt es keine große Trennung zwischen Künstler und Privatperson, die Themen sind dieselben. Wenn mich da einer verbiegen will, clasht das halt mit meinen romantischen Vorstellungen der selbstbestimmten Musik. Aber ich verstehe natürlich, dass es der Musikindustrie um Verkäufe geht, nicht vorrangig um Authentizität.

Aus Ihrem allerersten Song stammt die Zeile: „Wir sind so süß, dass uns sogar die Bienen lieben.“ Wirkt wie ganz harte Rap-Ware.

(lacht) Und ich war sogar schon 19 und kann mich nicht mit meiner Jugend rausreden. Ich habe den Song für meine damalige Freundin geschrieben. Vor zwei Jahren habe ich ihn nochmal gehört. Zum Glück war niemand dabei . . .

Als Rapper sind Sie Mo-Torres, studiert haben Sie als Moritz Helf.

Ja, und zwar Medienmanagement mit dem Schwerpunkt Musikmanagement. Wobei ich sagen muss: In Musikrecht hätte ich besser aufpassen sollen. Allein managen kann ich mich sowieso nicht, sonst käme ich nicht mehr zum Musikmachen. Da greifen mir inzwischen ein paar Freunde unter die Arme.

Sind Sie Profimusiker?

Seit dem Studiumende im Mai 2017, ja. Läuft mal besser, mal schlechter, aber ich klage nicht. Ich habe das Privileg, das zu machen, was ich wirklich liebe, und damit auch noch meinen Lebensunterhalt verdienen zu können!

Spüren Sie den Druck, erfolgreich sein zu müssen?

Der ist immer mit im Gepäck, aber ich denke, das geht jedem so, der kreativ ist. Es gibt halt die Angst, nie wieder eine richtig gute Nummer zu schreiben. Und man weiß nie, wie lange es gut geht mit der Karriere. Das sind Kriege, die man mit sich selbst führt. Und für die man ein Umfeld braucht, das einen ab und zu wieder runterholt.

Arbeiten Sie von 8 bis 5?

Mein Album nehme ich gerade in Essen auf. Da fahre ich eine Stunde hin und zurück, das muss dann also richtig knallen im Studio. Der Bürokram frisst einen manchmal auf, und am Wochenende kommen dann meistens die Auftritte. Eine Sechs-Tage-Woche habe ich safe, drunter geht gar nichts.

Sie absolvieren wenige Karnevalsauftritte. Wieso?

Ich habe den Karneval früher als Konsument geliebt. Als man noch mit Leuten zusammen Ostermannlieder singen konnte. Heute grölen sie auf der Zülpicher Helene Fischer und werfen sich Biergläser an den Kopf. Ausschließen würde ich Karnevalsauftritte nicht. Aber ich will das ganze Jahr über auftreten und nicht der Karnevals- oder Kölsch-Rapper sein. Mir gefällt diese Stempel- und Schubladen-Mentalität nicht so wirklich.

Können Sie Kölsch?

Der Ostermann würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn er mich hört.

Der stammte aus Mülheim und hat auch kein Hoch-Kölsch gesprochen.

Für manche Songs muss ich immer mal ein Wort ergoogeln. Eigentlich traurig, dass kaum noch jemand Kölsch spricht. Beim Bäcker höre ich gern den alten Leuten zu.

Sehr kölsch ist Ihre Fußball-Leidenschaft. Seit Ihrem 12. Lebensjahr besitzen Sie eine Dauerkarte für die Südkurve. Sind Sie ein Ultra?

Das nicht. Ich gehe ins Stadion, um meine Mannschaft anzufeuern, und bin dabei eher unpolitisch. Aber dass aus der Szene Gegenwehr gegen die Kommerzialisierung des Fußball kommt, verstehe ich gut. Jeder Einwurf, jede Ecke, die letzten 20 Minuten und die Nachspielzeit werden von irgendwem präsentiert.

Sie hatten während der Matches schon zwei Auftritte.

Am schärfsten fand ich, vom Rasen wieder in die Südkurve zu laufen, um bloß nicht den Anpfiff der Partie zu verpassen. War schon ne besondere Kiste, und ich war auch sehr nervös beim ersten Mal. Die Anlage vom FC ist zwar nicht die beste, aber als Rapper singt man kein Playback, das würde ich nie im Leben machen.

Hatten Sie eine eigene Fußballkarriere?

Ich war bei Roland West und danach bei Yurdumspor – die spielten damals Oberliga. Mein erstes Tor habe ich gegen Mönchengladbach gemacht, da war Marko Marin noch dabei. Ich hab gejubelt wie bekloppt, aber die 90 Prozent Türken in meiner Mannschaft haben gar nicht kapiert, dass Spiele gegen Gladbach das Nonplusultra sind.

Sind Sie wirklich ein Kumpel von Lukas Podolski?

Das hat sich so ein bisschen gelegt, aber da gibt es nicht viel zu zu sagen. (lacht)

Sie haben mal von einem Traum erzählt, in dem 20 000 Kölner im Bernabéu bei Real Madrid stehen. Wann ist es soweit?

Ich glaube, es sollte noch ein bisschen dauern. Wäre gesünder für den Verein, gerade in Köln, wo nach drei Siegen am Stück alle ausflippen und von der Champions League reden. Das ist einfach nicht normal hier. Aber sagen wir es so: Ich war vor zwei Jahren mit bei Arsenal und in Belgrad. Wäre schön, wenn ich die Fahrt nach Madrid auch noch erleben würde.