Die Architektur der Radwege verändert Städte, es geht längst um Erlebnisräume.
Eine Schau in Ehrenfeld zeigt neue Wege und Ideen auf.
Köln – Ein neuer Ring für Köln. Radfahrer und Fußgänger können über eine neue Verbindung zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke „kreisen“, die Wege des geschwungenen Bauwerks verlaufen über dem Wasser und schließen an die beiden Brücken an. Ein Traum? Ja, und zwar ein kühner. „Kölns Straßennetz basiert auf einer Ringstruktur“, sagt Marco Hemmerling vom Kölner Büro „Spade-Studio“. „Zwischen den Brücken liegt das Zentrum, hier fällt der Stein ins Wasser und zieht seine Ringe.“
Das Architekturbüro hat die Idee entwickelt. „Sie ist aus der Beobachtung entstanden, weil die Wegführungen nicht auf Radfahrer und Fußgänger ausgerichtet sind“, so Hemmerling. Das wollten die Planer ändern. Statisch sei das Bauwerk kein Problem, die Traglast werde auf die Ufermauer und die Brücken gelegt. Der Schiffsverkehr könne weiter fließen, einige Anleger müssten auf die Schäl Sick wechseln. Der Radweg als Brückenschlag.
Stiftung für Kunst und Baukultur
Zu sehen ist der Ansatz in der Schau „Bicycle Architecture Biennale“ in der Stiftung für Kunst und Baukultur von Britta und Ulrich Findeisen in Ehrenfeld. Die Ausstellung zeigt Arbeiten und Ideen von Architekten aus aller Welt, wie Städte dem Radverkehr neue Wege öffnen können. Dass moderne Großstädte sich in dieser Hinsicht verändern müssen, gilt inzwischen als gesetzt.
Die Reduzierung des Autoverkehrs im Zentrum, verbunden mit dem Ausbau anderer Verkehrsträger wird in Berlin, München und Hamburg als Maxime verfolgt. Gemeinsames Ziel: mehr Lebensqualität im verdichteten Stadtraum. Auch die wiedergewählte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich für die zweite Amtszeit vorgenommen, dem Radverkehr mehr Raum zu geben, ein Baustein, um die Stadt „enkeltauglich“ zu machen, wie sie sagt. Soweit die Theorie.
Umsetzung im Detail unklar
Über die Umsetzung im Detail wird erbittert gestritten. Mehr Kopenhagen? Mit tollkühn gezogenen Wegen quer über den Fluss und an Häuserfronten vorbei? Ja, unbedingt. Aber doch nicht hier! Ein aufgestelzter Radweg vor dem Altstadtpanorama, den der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) vor einem Jahr präsentierte, verschwand schnell wieder in der Schublade. Zu raumgreifend, zu prägend, überhaupt: zu frech.
Die Schau versteht sich als Inspiration, aber sie dokumentiert auch gebaute Visionen. Etwa den Schwung einer doppelten Brücke in der niederländischen Stadt Purmerend, nördlich von Amsterdam. Wie eine DNA-Helix verschränken sich die Überwege für Fußgänger und Radfahrer auf der Melkwegbrug. Dass das Bild neben dem Kölner Ring zu Beginn der Schau zu sehen ist, dürfte kein Zufall sein. Die Botschaft: geht alles. Wenn man will. „Es geht nicht mehr nur um Verkehr, sondern um die räumliche Qualität, die gestärkt wird“, sagt Felix Feldhofer von der Stiftung für Kunst und Baukultur. Die Auswahl der Projekte stammt vom niederländischen Büro „Next architects“.
Soziale und wirtschaftliche Vorteile
Die Beispiele sollen zeigen, wie sich Städte ökologische, aber auch soziale und wirtschaftliche Vorteile erschließen können, wenn sie den Radverkehr in den Mittelpunkt rücken. 15 Einzelbeispiele setzen Impulse für eine modern gestaltete Radinfrastruktur. So etwa 600 Meter leuchtend pink gestrichene Autobahnkilometer in Auckland (Neuseeland). Die Abfahrt der Schnellstraße wurde mit 300 LED-Lichtmasten erhellt und zu einem grellen Stück des Radrundwegs umfunktioniert.
Die Ausstellung
Die „Bicycle Architecture Biennale“ ist bis 6. November zu sehen im Forum der Stiftung für Kunst und Baukultur Britta und Ulrich Findeisen. Der Eintritt ist frei. Besucher werden gebeten, sich online anzumelden. Alternativ gibt es einen gelungenen 3D-Rundgang im Netz. Die Stiftung (gegründet 2007) widmet sich der „gebauten Umwelt“ sowie künstlerisch gestalteter Bildung und Arbeit.
Stiftung für Kunst und Baukultur, Venloer Straße 19.
Mo bis Fr: 10 bis 17 Uhr. Sa, 10. Oktober: 10 bis 14 Uhr, Sa, 24. Oktober: 14 bis 18 Uhr.
Das größte Fahrradparkhaus der Welt steht in Utrecht und bietet 12 500 Velos auf drei Etagen Platz. Direkt neben dem Hauptbahnhof gelegen, können Besucher bis zu den elektronisch ausgewiesenen Stellplätzen fahren. Treppenhäuser und andere Lichträume lassen Tageslicht einfallen und die Architektur des Hauses leuchten. Blickfang ist auch die Ölhafenbrücke im südhessischen Raunheim, ein elegantes Bauwerk, nachts leuchtend in Szene gesetzt.
Andere Städte sind viel weiter
Verkehrsdezernentin Andrea Blome sagte zur Eröffnung, man nehme bei der Stadt die spektakulären Beispiele „begierig“ auf. „Weil auch wir uns auf den Weg gemacht haben, weg von der autogerechten Stadt.“ Andere Städte wie Kopenhagen seien viel weiter, aber dort sei man seit Jahrzehnten mit dem Ausbau beschäftigt. Aber die Richtung stimme. „In der Innenstadt haben wir in den letzten Jahren zehn Kilometer Autospuren in Radwege umgewandelt.“
Und sie macht eine klare Ansage: Es gebe noch einige überdimensionierte Straßenräume, die neu aufgeteilt werden könnten. Da sei noch die eine oder andere Radspur über.