Schwarze Schafe in Corona-ZeitenWie illegale Partys zum Problem für Köln werden
Köln – In einem Club auf der Zülpicher Straße ist die Stimmung ausgelassen. Junge Menschen tanzen in einer Nacht zu Sonntag zu lauter DJ-Musik. Dicht aneinandergedrängt, Arm in Arm – so als gäbe es kein Coronavirus. Ein Video zeigt diese verbotenen Szenen. Partys dieser Art sind illegal. Während die meisten Clubs weiterhin stillstehen, finden Partys an jedem Wochenende im Verborgenen statt. Wie kann das funktionieren?
Wie ist die Ausgangslage in der Partybranche?
Seit über einem halben Jahr steht die Partybranche im ganzen Land still. Einnahmen gibt es seitdem nicht, die Mieten sind weiterhin fällig. Mit jedem Tag, an dem das so bleibt, schrumpfen die Rücklagen. In vielen Fällen wächst der Schuldenberg bereits. Und das unaufhaltsam, denn eine Perspektive haben die Clubs weiterhin nicht. Während Clubs mit Livemusik – wenn auch stark eingeschränkt – bereits weitermachen dürfen, geht in den reinen Partyclubs noch nichts. Auf engem Raum tanzen, singen, oft in Kombination mit Alkohol – all das passt einfach noch nicht in die Zeit.
Wie gehen die Clubbetreiber damit um?
Nach der ersten Schockstarre fingen viele schnell an, für eine bislang fehlende Perspektive zu kämpfen. Durch Posts in sozialen Medien, kleinere Demonstrationen oder Gespräche mit Politikern. Zustimmung und Lippenbekenntnisse gab es viele. Getan hat sich dennoch nichts. Einige Betreiber haben bereits aufgegeben, viele andere kämpfen weiter. Und dann gibt es einen kleinen Teil, der inzwischen einfach da weitermacht, wo es im März aufgehört hat. Mit illegalen Partys sträuben sie sich gegen die Corona-Schutzverordnung. Diese Partys kann jeder öffentlich besuchen. Vorausgesetzt man weiß, wo man danach suchen muss.
Wie gehen die Veranstalter von illegalen Partys vor?
Die sozialen Medien sind dabei das wichtigste Instrument, um Partys zu bewerben. Dies geschieht nicht über die offiziellen Kanäle der Clubs, sondern über kleinere, extra erstellte Kanäle. Zufällig stößt so kaum jemand auf die Seiten. Verbreitet werden die Seiten durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Beispielhaft kann das wie folgt aussehen: Auf Instagram nutzen die Betreiber die Story-Funktion, um auf Veranstaltungen aufmerksam zu machen. Die Beiträge, die über die Funktion laufen, verschwinden nach 24 Stunden. Ein Vorteil, um Spuren zu verwischen.
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Die Veranstaltungen sind in der Regel als private Feiern - Geburtstage oder Hochzeiten - getarnt. Da kommt es sogar dazu, dass um Mitternacht alle gemeinsam ein Geburtstagslied anstimmen, um den Schein zu wahren. Es gibt eine Gästeliste, für die sich im Vorlauf der Party jeder anmelden kann. Doch bei den Gästen auf der Liste ist am Partyabend selbst nicht das Limit gesetzt. Irgendwann nach Mitternacht öffnet eine Abendkasse. Spätestens dann wird die scheinbar private Feier zur öffentlichen Party. Videos, die Gäste oder DJs nach den Partys auf den sozialen Netzwerken hochladen, dokumentieren die Partynächte. Oft ist der Dunstkreis der Zülpicher Straße Ort des Geschehens, doch auch in der Altstadt finden regelmäßig illegale Partys statt. Der Instagram-Kanal eines DJs, der Ende September in Köln auflegte, zeigt: Nicht nur in Köln finden solche Partys statt.
Wie geht das Ordnungsamt gegen illegale Partys vor?
Illegale Partys seien eine Entwicklung, die der Ordnungsdienst der Stadt Köln beobachte, teilt die Stadt auf Anfrage mit. „Bereits seit Frühjahr sind die Menschen in Köln in ihren Freizeitaktivitäten aufgrund der Corona-Pandemie stark eingeschränkt. Insbesondere junge Menschen wünschen sich, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zu tanzen und zu feiern. Dass einige versuchen, heimlich diesen Wünschen nachzukommen und Partys selbst zu initiieren, kann nicht ausgeschlossen werden“, heißt es. Konkrete Zahlen gibt es nicht. Der Ordnungsdienst erfasst lediglich Verstöße gegen das Veranstaltungs- und Versammlungsverbot. Vom 23. März bis 22. September waren das 46. Den Anlass, zum Beispiel Partys, erfasst der Ordnungsdienst dagegen nicht.
Das Vorgehen gegen illegale Partys sei schwierig, da sie „in der Regel nicht über Flyer oder Plakate angekündigt werden und dass sie zwar ab und zu, aber nicht immer an denselben Orten stattfinden“. Ermittelt werde inzwischen auch im Internet und in sozialen Medien. Zum genauen Vorgehen und die Anzahl der Ermittler äußert sich der Ordnungsdienst aus einsatztaktischen Gründen nicht. Fliegt eine illegale Party in einem Club oder einer Diskothek auf, kostet das den Veranstalter laut Corona-Schutzverordnung 5000 Euro Bußgeld.
Die illegalen Partys ziehen auch junge Menschen aus dem Kölner Umland an. Dort scheinen illegale Partys zumindest von offizieller Seite kein Thema zu sein. In Euskirchen oder Bergisch Gladbach sind laut der Städte beispielsweise keine Fälle bekannt. Gleiches ist in Bonn der Fall. Dort heißt es: Auch eine seriöse Einschätzung einer möglichen Dunkelziffer sei nicht möglich.
Wie reagieren andere Clubbesitzer auf diese Partys?
Die Clubbetreiber, die sich seit März an das Party-Verbot halten, sind entsetzt. Über Facebook haben sich Clubbetreiber und Gastronomen aus dem Kölner Studentenviertel, dem Kwartier Latäng, zusammengetan, um über illegale Partys aufzuklären und sich von ihren Kollegen zu distanzieren.
Raves – Arm in Arm ohne Maske
Auch unter freiem Himmel fanden insbesondere im Sommer immer wieder illegale Partys statt. Diese sogenannten Raves sind kein neues Phänomen. In der Corona-Krise stieg das Interesse an den Raves aufgrund fehlender Alternativen.
Öffentlich bekannt werden diese Partys erst dann, wenn das Ordnungsamt sie auflöst und die Informationen verbreitet. Ende August war das unter einer Autobahnbrücke in Klettenberg der Fall, als rund 600 Menschen gemeinsam feierten.
Bereits im Juni stoppte das Ordnungsamt eine illegale Technoparty mit rund 250 Personen. Wieder unter einer Autobahnbrücke – dieses Mal in der Merheimer Heide. Der Rundschau liegt ein Video einer Party vor, die Mitte September in einem Waldstück nahe des Niehler Hafens stattfand. Einige Bäume sind mit Lichterketten geschmückt, zu lauter Hiphop-Musik springen die Party-Besucher um ein DJ-Pult, rempeln sich gegenseitig an oder tanzen Arm in Arm. Mit Bierflasche in der Hand und ohne Maske.
Beteiligt sind unter anderem die Roonburg, Das Ding, Venus Celler, MTC Cologne und Cent Club. Die Betreiber sind sich sicher, dass das Problem weitaus größer ist, als es die vom Ordnungsamt veröffentlichen Einzelfälle suggerieren. „Wir können nicht wortlos hinnehmen, dass einzelne schwarze Schafe unter den Betrieben, aber auch unter den Gästen, dafür sorgen, dass unsere ganzen Bemühungen umsonst waren, erneute Einschränkungen für alle Gastronomiebetriebe drohen und unser aller Ruf nachhaltig beschädigt wird“, heißt es in dem Statement. Die Betreiber appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der Betriebe, „aber auch an das der Gäste und an die Aufmerksamkeit der städtischen Behörden“. Bei allem Verständnis für die schwierige Arbeit des Ordnungsamts in der Krise, fordern die Gastronomen vor allem eines: Dass Rechte und Pflichten für alle gelten und von allen gleichermaßen eingehalten werden.