„Alles noch sehr fremd“Corona-Semester-Studierende schildern Probleme und Erfahrungen
Köln – Khanh und Linh Pham stehen ratlos am Service-Schalter der Mensa und wissen nicht , wie sie ihre Chipkarte zum bargeldlosen Bezahlen aufladen können. „Es ist alles noch sehr fremd für uns“, sagen die 18-jährigen Zwillinge aus Vietnam, die in Köln ab 2. November Wirtschaftsinformatik studieren.
Die Erstsemester haben eine Wohnung des Studierendenwerks bezogen und noch nicht viel anderes gesehen. „Wir gehen kaum weg, bleiben meistens im Zimmer“, sagen die Beiden und blicken schüchtern über ihren Mund-Nase-Schutz hinweg. „Es ist sehr schwierig, Leute kennenzulernen. Sogar Mentoren der Uni können nur online arbeiten.“
Der ziemlich einsam gewordene Campus belebt sich allmählich wieder. Statt großer Gruppen von Studienanfängern, die Entdeckungstouren durch die Uni machen, laufen die meisten Vorbereitungen zum Start ins Semester wie von unsichtbaren Fäden gezogen. Meist digital auf Distanz statt präsent vor Ort. Die Mensa Robert-Koch-Straße machte als erste wieder auf – eine gefragte Anlaufstelle nicht nur fürs Mittagessen. „Endlich mal Gelegenheit zum miteinander Quatschen“, sagt einer zum Hochschulalltag live – mit Maske und strikten Hygiene- und Abstandsregeln.
Es braucht viel Geduld
Khanh und Linh bräuchten gerade eine helfende Hand am Automaten, während erfahrenere Semester sich mit vollen Tablets wie auf einem Flughafen in Gates zu den Tischen einchecken. Karottenknusperstick in Sesampanade oder Asiatisches Hähnchengeschnetzeltes? Soweit kommen die Zwillinge an diesem Tag nicht. „Abstand halten!,“ mahnen Mitarbeiter und bitten um etwas Geduld. Khanh und Linh machen ein Victory-Zeichen und kommen ein anderes Mal wieder.
Jan Turowski (23) ist ein paar Semester weiter mit seinem Studium der Physik und Musik auf Lehramt. „Obwohl alle sehr bemüht sind, den Lehrbetrieb am Laufen zu halten, gibt es auch echte Probleme“, bilanziert er. Im Musikstudium zum Beispiel sei es sehr schwierig, da Orchester und Chöre nicht proben dürfen.
Und mit dem Lockdown im März habe er nicht mehr seinen WDR-Job als Technischer Assistent ausüben können. Nicht wenige geraten in finanzielle Schwierigkeiten durch die Folgen der Pandemie, verlieren Jobs, brauchen Überbrückungshilfe. Der Hauptfachunterricht nur mit Zoom „ist nicht Eins zu Eins mit dem Unterricht in normalen Zeiten zu vergleichen. Wir hoffen auf ein wenig mehr Normalität im Wintersemester.“
„Hat uns alle stärker gemacht“
Viele vermissen die persönlichen Begegnungen in Seminaren oder Cafeterien. Zahnmedizin-Studentin Diana Alamir (24) kommt ins fünfte Semester. Sie absolvierte ihre Kurse mit Erfolg und kann auch im Labor arbeiten. „Es läuft okay, aber ich wünsche mir mehr Vorlesungen. Die Kommunikation mit den Professoren läuft dann einfacher, schneller und persönlicher.“
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Adrian Weißer (25), Jurastudent, neuntes Semester, klagt nicht. Unter den Pandemiebedingungen laufe es „inzwischen an der Uni ganz gut. Wir haben viel gelernt, nämlich wie wir mit der schwierigen Situation umgehen können. Das hat uns alle stärker gemacht.“ Für internationale Studenten sei es deutlich härter, weil es kaum Möglichkeiten gibt, sich zu treffen.
„Von Vorteil“ sei es aber mit Blick auf den Digitalisierungsschub, „dass unsere privaten Realitäten sich auf die institutionellen Ebenen übertragen“. Finanzprobleme macht er in der „Mittelschicht“ aus, die durchs Bafög-Raster falle. Weißer ist während des Lockdowns arbeiten gegangen, kaufte für alte Leute ein und ist in der Kirchengemeinde aktiv. „Wenn man sich engagiert, macht man andere Menschen glücklich und sich selbst auch.“ Sehr „speziell“ findet es eine Kommilitonin, dass ihr erstes Semester fast nur Online laufen wird. „Es ist ein Sprung ins kalte Wasser .“