AboAbonnieren

Aufgeblähte StrukturWarum die Metropolregion Rheinland nicht in Fahrt kommt

Lesezeit 5 Minuten
Kölner Dom

Köln bei Nacht

  1. Seit über drei Jahren gibt es den Verein Metropolregion Rheinland.
  2. Das sollte reichen für eine erste gründliche Bilanz, so wie es die Vereinssatzung vorsieht.
  3. Doch der Vorstand hat ein Jahr Aufschub bekommen.
  4. Darum hat die Rundschau nun dem Verein auf den Zahn gefühlt.

Köln – Das Rheinland hat dem Verein Metropolregion Rheinland mit das Schönste gegeben, was es zu bieten hat. Durch die Fensterfront des Konferenzraums wird der Blick weit: der Rhein, der Dom, die Altstadt, die Hohenzollernbrücke. Beste Lage in Deutz. Und was gibt der Verein dem Rheinland? 2017 wurde er gegründet. 35 Mitglieder: Städte, Kreise, Kammern und Verbände. „Die vielfältigen Kräfte bündeln und gemeinsam an einem Strang ziehen, um das Rheinland weiterzuentwickeln“, so die selbstformulierte „Mission“. Nach drei Jahren sollte auf den Prüfstand, ob das im Land zwischen Wesel und Euskirchen, zwischen Aachen und Wuppertal auf dem richtigen Weg ist. So will es die Satzung. Doch der Vorstand hat sich ein Jahr Aufschub absegnen lassen. Es kam so viel dazwischen.

Ein Tanker auf Grund

Sebastian Schuster ist Landrat im Kreis Rhein-Sieg und bezeichnet sich selbst als einen der Gründungsväter der Metropolregion Rheinland. Er sitzt im Vorstand des Vereins. Er arbeitet in der Kommission mit, die im nächsten Jahr einen „Prüfbericht“ auf den Tisch legen wird. „Die Region kann zusammenarbeiten“, sagt er trotzig. Und meint: Sie sollte mal damit anfangen. Dass die Metropolregion Rheinland es noch nicht vermochte, einen Ruck durchs Land gehen zu lassen, dafür macht Schuster „handwerkliche Fehler“ verantwortlich.

„Der Tanker ist dadurch auf Grund gelaufen .“ Der erste Fehler sei der erste Geschäftsführer gewesen. Ernst Grigat. Ehemals Manager im Bayer-Konzern. „Eine völlige Fehlbesetzung“, sagt Schuster. Grigat hatte nach rund einem Jahr hingeschmissen. Er beklagte massiven Zugriff der Politik.

Der chinesische Volkskongress

Dass der Zugriff der Politik massiv ist, dementiert auch Schuster nicht. Weil auch die kleineren Parteien mitreden wollen, zählt die Mitgliederversammlung 200 Delegierte. „Ein Volkskongress“ sagt Schuster lachend. Und dennoch nur ein Teil der Struktur: Beirat, Kuratorium und Vorstand. „Ja, die Vereinsform ist suboptimal. Es war aber damals das naheliegendste Konstrukt“, so der Landrat. Und kaum war der erste Geschäftsführer weg, drehte sich das politische Karussell erneut. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker übernahm nach einigem hin und her den Vorsitz des Vereins, um sogleich Kirsten Jahn als neue Geschäftsführerin nach vorne zu schieben. Die damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Rat. Der Unterstützerpartei für die parteilose Kölner OB. Der Vorgänger wurde über ein Personalbüro gesucht. Das führte zu Streit. Der Kompromiss: Jahn teilt sich die Geschäftsführung mit Ulla Thönnissen, ehemals Kreisvorsitzende der CDU Aachen.

Im Dschungel der Organisationen

Es gibt ein Dickicht von Förderungsgesellschaften im Land. (siehe Kasten). Stolpern die nicht übereinander? Reimar Molitor ist Geschäftsführer des Regionalmanagements „Region Köln Bonn“. Seiner jahrelangen Arbeit bescheinigen Politiker aller Couleur Erfolg. Haben die selben Politiker ihm mit der Metropolregion einen Knüppel zwischen Beine geworfen? „Nein, der Verein ist absolut notwendig“, sagt Molitor. Er stehe an der „regionalen Bordsteinkante“. Was er nicht leisten könne: Werben fürs Rheinland auf Bundes- und Europaebene. Vor 2017 sei das Rheinland von der Metropolregion Ruhr „mitverwurstet“ worden. Und jetzt? Auch Molitor kennt die „Anlaufschwierigkeiten“. Was er dem Verein ins Hausaufgabenheft schreibt: „Mehr Präsenz in Brüssel. Das machen andere wesentlich besser. Die Infrastrukturprobleme: „Da stehen wir schlecht da.“ Auch sei zu wenig erkennbar, welch hohe Dichte an Spitzenbildung die Region biete.

Was kein Unternehmer mag: Ineffizienz

Es kommt darauf an, was von der Arbeit des Vereins an der Basis ankommt, in den Kommunen und Betrieben. Michael Bayer ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Aachen. Wie Molitor sieht er eine Notwendigkeit für den Verein. Wie Schuster beklagt er seine „Komplexität“. „Zu lange Entscheidungswege, zu wenig Schlagkraft“, sagt er. Die Struktur sei ineffizient . „Das mag kein Unternehmer“. Anders als Molitor sieht er Schnittmengen mit anderen Fördergesellschaften. „Die Kunst wird sein, Themen ausfindig zu machen, die noch nicht bedient werden.“

„Die laufen sich die Hacken ab“

Ulla Thönnissen und Kirsten Jahn sitzen am Konferenztisch. Der mit dem Bilderbuchpanorama. Für die Anlaufschwierigkeiten können sie nichts. Und: Sie können Projekte vorweisen. Eins, auf das sie besonders stolz sind: Sie haben ein Förderprogramm, das angehende Lehrer für die Studienbereiche Mathematik, Naturwissenschaften und Technik gewinnen soll.

„Die Landesregierung will das aufgreifen“, sagt Thönnissen. Lob von oben also. Und aus den eigenen Reihen? „Vieles ist schon viel besser geworden“, attestiert der Landrat Schuster. „Die sind keine Bürohengste. Die laufen sich die Hacken ab“, so IHK-Chef Bayer. Die Kärrnerarbeit, das sind nicht die Projekte, das ist „Struktur schaffen“, wie Thönnissen und Jahn selber sagen.

Struktur

Fünf Regionalmanagements gibt es im Gebiet der Metropolregion Rheinland.Dazu kommen Wirtschaftsförderungsgesellschaften auf Kreisebene. Daneben: Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Über allem: Dachorganisationen auf Bundes- und Europaebene.

22 000 Euro zahlt jedes Mitglied an die Metropolregion. Köln genauso wie der Kreis Heinsberg.

Die Region zieht nicht an einem Strang, verfällt immer wieder in alte Rivalitäten. „Wir können keinen zur Zusammenarbeit zwingen“, sendet Jahn ein Signal an die Mitglieder. Schuster funkt zurück: „Die Mitglieder erwarten, dass geliefert wird.“ Geliefert bis an die Ränder. „Bei uns kommt im Tagesgeschäft nichts an“, kritisiert Ralf Derichs, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag von Heinsberg. Seine Sorge: „Die großen Metropolen ziehen alles auf sich.“ Zu erkennen sei das am Vorsitz. Nach dem bisherigen Düsseldorfer OB Thomas Geisel folgte Kölns OB Reker. Die schlug nun in einem Rundschau-Interview vor, den Vorsitz sollte der scheidende Kölner Stadtdirektor und designierte Düsseldorfer OB Stephan Keller übernehmen. „Warum nicht mal einen Landrat“, fragt Derichs.