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Interview mit Marcus EisenbeisDer Kunsthändler spricht über Versteigerungen und mehr

Lesezeit 7 Minuten

Bei einer Auktion weiß man nie, wohin die Reise geht, sagt Markus Eisenbeis, Chef des Versteigerungshauses Van Ham.

Köln – Markus Eisenbeis ist Kunsthändler und auch Kunstliebhaber. Mit dem Chef des Kölner Auktionshauses Van Ham unterhielt sich Bernd Imgrund nicht nur über Versteigerungen.

Weiße Mauern, viel Licht, Wände voller Kunst: Das noch fast neue Bauhaus-Gebäude an der Brühler Straße ist ein echtes Schmuckstück für Köln.

Sie haben eine Lehre als Bankkaufmann absolviert. Wieso?

Ich bin das einzige Kind meiner Eltern, und da stand natürlich früh im Raum, das Geschäft zu übernehmen. Um nicht zu sagen. Die Eltern wünschten sich das. Anfangs hatte ich Probleme damit, mich „ins gemachte Nest zu setzen“. Also haben wir uns darauf geeinigt, dass ich zunächst diese Lehre mache und danach eine Entscheidung treffe.

Eine Versteigerung: Was ist das, abstrakt betrachtet?

Der reine Markt, das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage. Während jedoch an der Börse nach Möglichkeit rein rationale Entscheidungen getroffen werden, kommt bei uns die Leidenschaft für die Kunst hinzu: Man möchte ein bestimmtes Werk besitzen, weil man sich darin verguckt hat, weil man vielleicht alte Erinnerungen damit verbindet oder den Künstler so schätzt.

Und dann sitzt man da und wird womöglich überboten.

Man merkt, wie manche Bieter sich strecken und schmerzhaft feststellen müssen, dass es nicht reicht. Und dann weiß derjenige womöglich noch, gegen wen er verloren hat – unangenehmerweise. Andererseits ersteigert man manches Werk auch sehr günstig. So oder so, von einer Auktion werden Sie danach Ihren Freunden erzählen, das ist immer ein Erlebnis.

Ist das der entscheidende Unterschied zum Kauf in der Galerie?

Ja, würde ich so sagen. Auch Galerien schaffen Events, etwa in Form von Vernissagen und Künstlergesprächen. Aber bei uns ist die Adrenalinausschüttung höher. Wir versteigern 80 bis 100 Nummern die Stunde, da müssen wahnsinnig schnelle Entscheidungen getroffen werden.

Wer sitzt in Ihren Auktionen: eher der eiskalte Zocker oder der schwitzende Suchtspieler?

Da finden Sie alles: Händler, Sammler, Liebhaber, Anfänger, die sich zum ersten mal etwas Außergewöhnliches kaufen wollen . . . Ich erinnere mich an dieses Pärchen, dessen Interessenslage offensichtlich nicht so ganz homogen war. Er steigerte und steigerte, sie versuchte immer erregter zu bremsen. Bis sie schließlich in einen verzweifelten Schrei ausbrach. (lacht)

Hörte der Mann dann auf zu bieten?

Nein, er hat das Objekt schließlich bekommen.

Wie wichtig ist die Live-Atmosphäre bei Ihren Versteigerungen?

Das Schönste ist es, wenn der Saal bis zum letzten Stuhl gefüllt ist. So wie bei der Achenbach-Auktion vor zwei Jahren. Aber insgesamt sind die Zahlen rückläufig, das ist nicht zu leugnen. Viele steigern heute übers Telefon mit oder hinterlassen Maximalgebote. Spannend wiederum ist, dass Sie unsere Auktion inzwischen auch live im Internet verfolgen können. Jedes Gebot ploppt bei mir vorn auf dem Bildschirm auf. Ich weiß nicht, wer der Mensch ist, aber der Bieter nimmt live an der Veranstaltung teil – reale und virtuelle Welt werden auf faszinierende Art miteinander verknüpft.

Sie leiten auch Ihre Auktionen selbst vorn vom Pult aus. Haben Sie dafür Schnellsprech-Unterricht genommen?

Zügig bin ich schon, aber ich übertreibe es nicht. Ich bin irgendwann ins kalte Wasser gesprungen und habe festgestellt, dass mir das liegt.

Und macht es Ihnen auch Spaß?

Auf jeden Fall! Auktionen sind immer spannend, wir wissen ja vorher auch nicht, wo die Reise hingeht. Auf so einen Tag arbeitet man ein halbes Jahr hin, da wächst die Erwartung mit. Und letztendlich geht es ja auch immer um nicht wenig Geld dabei.

Die Werke, die Sie versteigern, gehören Ihnen nicht. Was haben Sie zu verlieren?

Nun ja, wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, hier muss ein Apparat mit Fixkosten und diversen Mitarbeitern am Laufen gehalten werden.

Teil Zwei des Interviews

Aus Ihrem Fenster blickt man auf Autosalons und das im Abbruch begriffene Deutsche Welle-Hochhaus. Warum sind Sie vor drei Jahren nach Raderthal gezogen?

Meine Mutter hat Van Ham 1959 in der Innenstadt gegründet, aber so eine Lage ist heutzutage für ein Auktionshaus uninteressant. Niemand will mit einem frisch ersteigerten 100.000-Euro-Gemälde über den vollen Bürgersteig zum Parkhaus laufen. Bei uns gehen im Jahr rund 10.000 Objekte rein und raus, dafür ist die Logistik hier in Raderthal viel besser zu bewältigen. Die Innenstadt zu verlassen, war also tatsächlich ein Befreiungsschlag.

Sie sind zugleich Kunsthändler und Kunstliebhaber. Ersterer steht dafür, Sachen loszuwerden, der Zweite hingegen möchte besitzen.

Ohne Leidenschaft für die Kunst wäre ich auch kein guter Kunsthändler. Und wenn mir etwas besonders gefällt, bleibt das auch schon mal bei mir hängen.

Dürften Sie bei Ihren Auktionen theoretisch mitbieten?

Nein, das ist uns nicht erlaubt. Aber natürlich gibt es im Vorfeld gewisse Mittel und Wege, um an etwas heranzukommen . . . (lacht)

Interessiert es Sie, ob die verkauften Werke in Museen oder in Panzerschränken landen?

Als Kaufmann und im Interesse der Besitzer geht es natürlich um den optimalen Ertrag. Und nicht jedes Werk, das wir versteigern, ist Museumsware. Aber wenn wir der Meinung sind, etwas gehört in öffentliche Sammlungen, dann sprechen wir die jeweilige Institution auch gezielt vorher an. Klappt leider nicht immer. Museumsbudgets sind nicht selten zu klein, oder sie können nicht in der Kürze der Zeit zur Verfügung gestellt werden.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch Kunstfälscher wie Wolfgang Beltracchi verändert?

Da kommt direkt noch das neue Kulturgüterschutzgesetz mit ins Spiel: Die Sorgfaltspflichten sind deutlich gestiegen. Das ist in vielfacher Hinsicht auch sicher berechtigt, wenn man bedenkt, dass Käufer nicht selten fünf-, sechsstellige Beträge für ein Kunstwerk hinblättern. Hundertprozentig sicher sein kann man sich auch danach nicht, aber wir versuchen, möglichst nah heranzukommen.

Kennen Sie sich auch mit Farbchemie und der Stoffhistorie von Leinwänden aus?

Nein, überhaupt nicht. Wenn der eingeschaltete Kunsthistoriker und der Restaurator Zweifel haben, kann eine technische Analyse Sinn machen. Als Anfang der 2000er Jahre so viele falsche russische Werke auf den Markt geschwemmt wurden, kamen die alle mit technischen Gutachten und Materialanalysen daher. Das ist also auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Es geht wohl auch um Erfahrung.

Genau so ist es. Man entwickelt über die Jahre ein Gespür für Verdachtsmomente. Jede Fälschung enthält Warnsignale, und die können auch außerhalb des Bildes selbst liegen. Indem etwa zu offensiv mit technischen Analysen umgegangen wird oder Bilder zu günstig sind. Wenn mir ein Picasso für 30 Millionen angeboten wird, muss ich mich als allererstes fragen: Warum kommen die damit ausgerechnet zu mir?

Ringt jemand wie Beltracchi Ihnen Bewunderung ab oder verachten Sie ihn eher?

Sagen wir mal so: Er weiß sich zu vermarkten. Und er ist raffiniert, weil er es verstanden hat, nicht nur die Bilder, sondern auch die Story drumherum zu fälschen. Aber unterm Strich bleibt er ein gnadenloser Betrüger. Und wenn Sie sich nun seine eigene Kunst ansehen, die er in den letzten Jahren veröffentlicht hat: Zumindest ich sehe da nichts Originäres, Künstlerisches drin.

Was ist der Unterschied zwischen einem echten und einem gefälschten Monet?

Etwas zu fälschen, ist Handwerk. Ein Kunstwerk hingegen besteht aus einer Idee und ihrer Ausführung. Gerade heutzutage sehen die Künstler in der Ausführung eher eine nachrangige Tätigkeit, während die Idee im Vordergrund steht. Und die fehlt eben bei jedem Kunstfälscher. Der kann schon mal originell sein, aber nie original.

Wenn ich etwas Originales kaufen will: Was ist zur Zeit relativ günstig zu haben?

Alte Möbel zum Beispiel. Sie bekommen für 5000 Euro eine gut erhaltene Barockkommode. Aber auch die Alte Kunst wird unter Wert gehandelt, sensationelle Bilder in hervorragendem Zustand. Selbst einen Breughel kann man für um die 100.000 Euro haben, dafür kriegen Sie gerade einmal ein oder zwei Grafiken von Damien Hirst. Angesichts dessen fragt man sich dann schon manchmal: Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

Zur Person

Markus Eisenbeis wurde 1968 in Köln geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre als Bankkaufmann und studierte von 1991 bis 1995 in Bonn und London Kunstgeschichte, Archäologie und BWL. Danach übernahm er das 1959 von seiner Mutter Carola van Ham gegründete Kunstauktionshaus Van Ham, das er zu einem der führenden in Deutschland entwickelte. Spektakulär zuletzt: Die Achenbach Art Auction im Sommer 2015. Ein Jahr zuvor war das Auktionshaus in einen schicken, am Bauhaus-Stil orientierten Neubau in Raderthal gezogen.

Markus Eisenbeis wohnt mit seiner Familie in Rodenkirchen. Weitere Informationen finden Sie unter www.van-ham.com.