AboAbonnieren

Serie

Musikalischer Leiter
Jura Wajda lässt im Hänneschen-Theater die Puppen tanzen

Lesezeit 4 Minuten
Wenn Jura Wajda in die Tasten haut, dann steht kein Puppenbein still. Hinger der Britz befindet sich sein kleines Reich der Töne.

Wenn Jura Wajda in die Tasten haut, dann steht kein Puppenbein still. Hinger der Britz befindet sich sein kleines Reich der Töne.

Vor neun Jahren spielte Wajda erstmals für die Stabpuppen auf. Aus der Übergangslösung wurde eine Institution.

Wenn Jura Wajda in die Tasten haut, sind die Reaktionen ungestüm. Wild fliegen Arme in die Höhe, heftig schlackern Zöpfe. Röcke fliegen hoch. Feinmotorischer geht es leider nicht. Sie können halt nicht anders, die Stabpuppen aus Holz. Jura Wajda ist nämlich der musikalische Leiter des Hänneschen Theaters. Den Namen noch nie gehört, das Gesicht noch nie gesehen? Kein Wunder. Denn wenn Jura Wajda und seine vier Bandkollegen die Puppen tanzen lassen, dann tun sie das im Verborgenen. Hinter der Britz. Also hinter der Wand, hinter der die Puppenspieler agieren.

Vor neun Jahren spielte Wajda erstmals für die Stabpuppen auf. Es war Schicksal, oder wie die Kölner sagen: et kütt wie et kütt. „Ich hatte die Vertretung für den erkrankten musikalischen Leiter übernommen“, erinnert er sich. Sein „Türöffner“ war der damalige Schlagzeuger. „Mit ihm war ich befreundet.“ Wie es halt so läuft in Köln: Man kennt jemanden, der jemanden kennt. Und dass eine Übergangslösung zur Institution wird, ist ja auch nicht ungewöhnlich für das Völkchen, das im Schatten des Doms lebt. Jura ist eingesprungen, um zu bleiben.

Hänneschen-Theater: Zwei Monate Vorbereitung für die Musik eines neuen Stücks

Für eine bloße Übergangslösung hatte der Vollblutmusiker auch einfach zu viel drauf. Ab dem Jahr 2000 hatte er in Köln Musik studiert. Er gab selbst Musikunterricht und war mit verschiedenen Bands unterwegs. So hat er von der Pike auf alles gelernt, was die Musikbranche so hergibt. Wirklich alles? „Für mich war Kölsch neu“, kann er nach neun Jahren hinter der kölschesten aller kölschen Bühnen offen gestehen. Das Liedgut, das in Köln mit der Muttermilch eingesogen wird, war nicht fester Bestandteil seiner Plattensammlung. Doch sich das anzueignen, sich in den Singsang der kölschen Sprache hineinzufinden, das war eine leicht zu bewältigende Fingerübung für den Musiker.

Zumal es eine grobe Verknappung wäre, Wajdas Arbeit aufs kölsche Liedgut einzugrenzen. Was von dem Musiker erwartet wird, ist durchaus so vielschichtig wie das Kostüm eines Lappenclowns. In der Regel braucht es zwei Monate Vorbereitung für die musikalische Begleitung eines neuen Stücks. „Der Regisseur äußert seine Wünsche“, beschreibt Wajda den ersten Schritt. Von da an wird es ein Wechselspiel zwischen dem musikalischen und dem dramaturgischen Leiter: welcher Schlager passt zur Szene, welche Stimmung braucht es bei der Hintergrundmusik und wo muss es ein kölscher Klassiker sein?

Die Freiheit zum Umgestalten

Wobei auch die Klassiker nicht sakrosankt sind. „Wir haben immer die Freiheit, umzugestalten“, betont Wadja. Das kann er zwar nicht an einem kölschen, aber an einem Schlager-Klassiker beispielhaft fest machen: „Zwei kleine Italiener hießen bei uns Zwei kleine Biber.“ Es muss halt zum Stück passen und mindestens für einen Lacher gut sein. Und es geht noch mehr: „Es gab auch schon Stücke, da habe ich einige Lieder selbst geschrieben. Das macht natürlich am meisten Spaß“, sagt Wajda. Sein persönliches Glanzlicht: „Vor einigen Jahren habe ich die Musik zu einem Kindermusical komplett selbst komponiert.“

Er mag zwar der musikalische Leiter sein, aber ohne seine Kollegen wäre er auf verlorenem Posten. Zumeist zumindest. Nur die Kindersitzungen bespielt er in der Regel solo. Bei allen anderen sitzt die ganze Hänneschen-Band hinter der Britz. Oder anders gesagt: hockt aufeinander. Denn hinter dieser Wand ist nicht viel Platz. Schlagzeuger Marcel Wasserfuhr könnte problemlos an den Basssaiten von Gregor Lindemann zupfen. Und Gitarrist Vytaliy Zolotov sitzt im Wind von Trompeter Volker Deglmann. „Das muss stimmen zwischen uns“, beschreibt Wajda den notwendigen Teamgeist. Die Enge und Abgeschiedenheit habe aber auch gute Seiten: „Wir können problemlos miteinander kommunizieren.“ Wie sehr es im Team stimmt, wie sehr die Arbeit ausfüllt, das könnte kaum besser gesagt werden, als mit den Worten des Combo-Chefs: „Wir sind hier wie eine kleine Familie. Ich bin hier mehr als in meinem Zuhause.“

Sein Einstieg im Hänneschen war ein Vertretungsjob. Aber was passiert, wenn Jura Wajda mal ausfällt? „Für den äußersten Notfall hat der Tontechniker eine Sicherheitsaufnahme für jedes Stück.“ Dann – und nur dann – kommt im Hänneschen die Musik vom Band.

Wenn Kasalla kommt, kann Wajda einfach nur mal zuhören

Aber ist es nicht dennoch ein bisschen bitter, dass bei so viel Engagement, bei so viel Leistung und Kreativität, Künstler und Publikum sich nie zu Gesicht bekommen? Nach nunmehr neun Jahren kann Wajda ganz entspannt sagen: „Das ist auch ein bisschen das Reizvolle an dieser Arbeit.“ Und das „Nie“, stimmt mittlerweile so auch nicht mehr. „Wir nutzen die Umbaupausen schon mal, um vor die Britz zu treten und uns vorzustellen.“

Und kann es nach der langen Zeit als musikalischer Leiter noch etwas Neues geben, etwas, auf das Wajda sich freut? „Oh ja“, geht ein Leuchten über das Gesicht des Musikers. Im Jubiläumsjahr zum 222-jährigen Bestehen des Hänneschen steht im Oktober eine Besonderheit an. Kasalla wird dann einmalig den Job der Hänneschen-Band übernehmen. Dann kann Jura Wajda sich mal ins Publikum setzen – und einfach nur mal zuhören.