Bernd Staatz wollte den Betrieb des Vaters übernehmen, heute lernen alle deutschen Maskenbildner aus seinen Lehrbüchern.
MaskenbildnerEitorfer ist der kreative Kopf hinter 1000 Gesichtern
„Starkstrom“ ist das einzige, was vom beruflichen Vorhaben des jungen Bernd Staatz geblieben ist. „Ich wollte den Betrieb meines Vaters übernehmen und Elektriker werden“, erinnert er sich mehr als 40 Jahre später. Heute lernen alle deutschen Maskenbildner mit den beiden Lehrbüchern, die er geschrieben hat: Bernd Staatz aus Eitorf ist Chefmaskenbildner an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg. Ihn selbst nennt man in der Branche den „Mann der tausend Köpfe“.
Kunden des Eitorfers sind in aller Welt zu finden
Die braucht er auch, allein in dieser Spielzeit betreut er mit seinem Team rund 280 Veranstaltungen in den Sparten Oper, Operette und Ballett. Hinzu kommen Projekte für andere Auftraggeber. Der 63-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren in Eitorf lebt, steht also tatsächlich immer unter Strom. „Ich liebe meinen Beruf, deshalb übe ich neben meiner Haupttätigkeit an der Deutschen Oper am Rhein viele maskenbildnerische Projekte und Aktivitäten im eigenen Atelier aus“, erzählt er. „Dort probiere ich neue Materialien und Techniken aus.“
Sein Können ist im In- und Ausland gefragt. Perücken und Maskenausstattungen fertigte er für die Metropolitan Opera New York, die Opernhäuser in Brüssel, Paris, Rom, Bergen, Los Angeles, Nizza, Strasbourg sowie für Film und Fernsehen an. Aber auch die Polizei und Rechtsmedizin sind seine Kunden.
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Auf Abwege kam der gebürtige Bergheimer, als er mit 14 Jahren ein Praktikum bei einem Friseur machte. Dort wollte er lediglich Geld verdienen, um sich teure Ölfarben fürs Malen kaufen zu können. „Der Friseurberuf interessierte mich nicht. Warum eine Frau die Lippen schminken soll, um schön zu sein, habe ich schon als Kind nicht verstanden.“
Der Friseur ließ nicht locker, er wollte unbedingt ihn als Lehrling haben, denn sein Praktikant erwies sich als äußerst geschickt und beliebt bei den Kundinnen. In der Hoffnung auf Sinneswandel nahm er den Jugendlichen mit auf die Deutsche Meisterschaft für Friseure. „Ich habe mich gelangweilt. Dann kam ein Maskenbildner und verwandelte hübsche Models als Außerirdische auf der Bühne – da wusste ich, das wollte ich auch. Ich wollte Menschen verändern können.“
Seit 40 Jahren macht er Perücken für das Hänneschen-Theater in Köln
Der Beruf des Maskenbildners war damals noch kein staatlich anerkannter Beruf, und die Friseurausbildung galt als Grundvoraussetzung für den Einstieg in die Ausbildung zum Maskenbildner.
Bei der anschließenden Ausbildung bei den Bühnen der Stadt Köln lernte Staatz bald seinen längsten und teuersten Auftraggeber kennen: Seit 40 Jahren fertigt er nun schon fürs kölsche Hänneschen-Theater sämtliche Haartrachten an. „Perückenmacher ist ein sehr alter, aussterbender Beruf. Kaum jemand in Deutschland stellt handgefertigte Puppenperücken in Echthaar in Originalfarbe und Frisur her.“ Gekaufte, maschinell hergestellte Perücken seien nie so individuell. „Auf dem Eitorfer Trödelmarkt suche ich gerne nach alten Bearbeitungswerkzeugen wie Onduliereisen.“
Die Bonner Oper holte ihn 1992 als Chefmaskenbildner, zeitgleich mit der Oper in Nizza. Daneben hatte er längst ein eigenes Atelier gegründet. 2001 bot sich der Wechsel als Chefmaskenbildner zur Staatsoper in Hamburg an, dort hatte er zudem die Berufsschule für Maskenbildner gegründet. Für vier Jahre übernahm er einen Lehrauftrag und saß im Prüfungsausschuss der Handelskammer der Hansestadt. 2005 kam er dann als Chef der Maske an die Deutsche Oper am Rhein.
Der Weltrekord scheiterte am Regisseur in Prag
Wie vielfältig die Arbeit ist, lässt sich an der jüngsten Produktion erahnen. Staatz und seine 27 Mitarbeiter setzen das Konzept des Ausstatters für 180 Personen um, die in Verdis Oper Nabucco auftreten. „Wir bekommen Figurinen, die uns zeigen, wie das Ausstattungskonzept und damit die Köpfe aussehen sollen. Dazu müssen wir die Oper und ihre Hintergrundgeschichte lesen, die Besetzungen durchgehen, denn manche Rollen benötigen von der Maske mehrere Hilfsmittel wie Perücken, Haarteile, Toupets, aber auch Glatzen und Prothesen“, schildert der Maskenbildner. Er hat selbst alle Werkstätten im Haus kennengelernt, Schneiderei, Schuhmacherei, Schlosserei und andere mehr.
Zeitgleich statten er und sein Team vier weitere Produktionen an beiden Häusern mit Perücken aus. „Wir arbeiten ausschließlich mit Echthaar. Rund 1000 Perücken haben wir in unserem Fundus, die wir bei Bedarf auch umfärben oder eine Dauerwelle machen. Eine Neue herzustellen dauert ein bis zwei Wochen“, verrät er.
Für die Oper in Prag knüpfte er 1993 für die Kinderoper „Rapunzel“ die längste Echthaarperücke der Welt und wäre damit ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen, wenn der Regisseur vor Ort sie nicht kurzerhand auf einen Meter abgeschnitten hätte. „Sie war aus hellblondem Kunsthaar gemacht, 15 Meter lang und war auf einer Schlauchrolle für den Transport aufgewickelt.“
Auf einer Bühne mit Strak-Trek-Maskenbildner
Staatz' Arbeitsfeld besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Haararbeiten, ein großer Teil ist Administration und die Unterweisung seiner vier Auszubildenden. Als Formbauer erstellt er nicht nur Masken, sondern auch Prothesen. Er arbeitet mit Spezial-Make-up, etwa für die Fernsehkrimireihe „Tatort“ oder für die Gerichtsmedizin der Uni Düsseldorf. Damit auf dem Sektionstisch vor laufender Kamera einer Leiche die Organe entnommen werden können, wird alles, was zu sehen ist, täuschend echt nachgebaut. Für das Landeskriminalamt bildete Staatz in Seminaren „Optische Veränderung“ aus.
Reizvoll findet er Lösungen für Aufgaben, die eigentlich nicht zu lösen sind. Für „Krabat“ gab es die Regieanweisung, dass ein Kopf auf der Szene abgerissen und auf dem Bühnenboden zu Staub zerplatzen soll. „Dafür haben wir eine Porzellan- Kunststoffmischung mit 3D-Technik dünn als Kopf ausgedruckt und mit Mehl gefüllt. Beim Wurf auf den Boden blieb nur eine Staubwolke übrig.“
Besonders stolz ist der Eitorfer Maskenbildner auf die „Goldene Maske national“, die ihm 2013 auf der Düsseldorfer Messe „make-up artist design show“ verliehen wurde. Neben ihm stand der internationale Preisträger, der US-amerikanischen Maskenbilder der „Star Trek“-Filme, Michael Westmoore.
Und was fasziniert Bernd Staatz so an der Arbeit mit Masken? Seine Antwort: „Tragen wir nicht alle eine Maske?“a