Interview

„Das andere Gespräch“
Hänneschen-Intendantin Mareike Marx: „Ich trage fast nur Kleidung aus zweiter Hand“

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In ihrem Lieblingsladen „Entlarvt“ wird Mareike Marx fast immer fündig. Und notfalls schneidert sie um.

In ihrem Lieblingsladen „Entlarvt“ wird Mareike Marx fast immer fündig. Und notfalls schneidert sie um.

Hänneschen-Intendantin Mareike Marx erzählt im ersten Teil unserer Sommer-Interview-Reihe von ihrer Leidenschaft für Second-Hand-Mode.

Im Hänneschen lässt sie die Puppen tanzen, dafür ist Mareike Marx als Intendantin des Theaters am Eisenmarkt bekannt. Zwar ist es augenfällig, aber dennoch kaum bekannt: Marx hat eine Vorliebe für besondere Kleidung, für Kleidung mit Geschichte. Ingo Schmitz sprach mit ihr.

Sie kleiden sich oft unkonventionell. Hat das System?

Ich habe ein großes Faible für Second-Hand-Kleidung. Besonders für Vintage-Mode. Ich trage fast nur Kleidung aus zweiter Hand.

Woher kommt das?

Sicherlich ein bisschen von meinem Hang zum Theater, zum Verkleiden. Ich finde aber auch, Kleidung wurde früher ganz anders gemacht, viel wertiger. Dem aktuellen Trend zur sogenannten Fast-Fashion kann ich nur wenig abgewinnen.

Wann haben Sie damit begonnen ausschließlich Second-Hand-Mode zu kaufen?

Das Faible habe ich schon früh entwickelt, schon in meiner Jugend. Später habe ich auch die Produktionsbedingungen von aktueller Mode hinterfragt. Oftmals kommt Massenware heute aus undurchsichtigen und richtiggehend brutalen Systemen. Damit hat der Aspekt der Nachhaltigkeit von Kleidung für mich an Bedeutung gewonnen: Das benutzen, was schon da ist.

Das heißt aber auch, wenn Sie Kleidung kaufen wollen, können Sie nicht im Voraus etwas ins Auge fassen. Sie müssen sich auf das einlassen, was zu haben ist.

Mareike Marx ist Theaterleiterin und Intendantin des Kölner Hänneschen-Theaters.

Mareike Marx ist Theaterleiterin und Intendantin des Kölner Hänneschen-Theaters.

Man muss so ein bisschen auf die Jagd gehen. Und manchmal finde ich auch ein ausgefallenes Stück, das mich sofort begeistert, ich aber doch wieder zurücklege, weil es irgendwie drüber ist, weil es zu sehr, wie ein Kostüm wirken würde, wenn ich das im Alltag trage.

Was muss denn Kleidung für Sie mitbringen, damit sie Vintage und trotzdem alltagstauglich ist?

Was für mich wichtig ist, sind die Materialien: Baumwolle, Seide, also natürliche Materialien. Die Machart weiß ich zu schätzen, beispielsweise wenn ein Rock sogleich auch einen Unterrock hat. Bequem muss es sein. Auch muss ich mich darin angezogen fühlen.

Ab welchem Alter der Kleidungsstücke fängt denn für Sie Vintage an?

Hmm, schwer zu sagen. Ich habe schon Werbung gesehen mit „Vintage aus den 2000ern“. Dann denke ich mir so: naja. Für mich sollte die Kleidung mindestens aus den 1980ern kommen, damit ich sie als Vintage durchgehen lasse.

Haben Sie eine persönliche Lieblingsepoche?

Ich mag die 50er und 60er Jahre ganz gerne. Für ein Theaterstück habe ich mal ein Kleid aus den 40er Jahren gekauft. Das zieht man an und es kommt einem wie kaum getragen vor. Die Kleidung, die heute produziert wird, überlebt doch kaum ein paar Jahre.

Mareike Marx setzt voll auf Kleidung, die bereits ein erstes Leben hatte.

Mareike Marx setzt voll auf Kleidung, die bereits ein erstes Leben hatte.

Verändert das Ihre Haltung, Ihr Lebensgefühl, wenn Sie ein solches Kleid anziehen?

Ich glaube schon, dass Mode unsere Haltung verändert. Man muss aber aufpassen, dass es kein Kostüm ist, dass man sich nicht verkleidet vorkommt. Wenn es das richtige Kleid für mich ist, habe ich eher das Gefühl, ich bin mehr ich selber.

Ist es nur die Kleidung aus den 50er und 60er Jahren, die Ihnen gut gefällt, oder ist es auch das Lebensgefühl von damals?

(denkt nach) Das kann ich so nicht sagen. Wenn ich beispielsweise das Bild von der Frau von damals so sehe, dann bin ich froh, dass ich heute lebe. Nein, ich finde vor allem das Optische gut.

Was für ein Stück haben Sie zuletzt erbeutet?

Vor kurzem habe ich eine Bluse gekauft… Na, wie würde ich die denn einschätzen? Vielleicht so 70er Jahre. Die musste ich noch ein bisschen ändern…

…weil es zu viel des Glücks wäre, dass man ein Vintage-Stück findet, das einem nicht nur gefällt, sondern das auch noch wie angegossen passt?

Ja, ich nähe und ändere vieles selbst.

Wie weit gehen Sie bei der Bereitschaft, noch selbst Hand anzulegen, wenn ein Stück Ihnen gut gefällt?

Gerade das Nähen macht mir schon Spaß. Dafür braucht es Muße. Und ja, ich bin da gerne bereit, etwas Aufwand zu betreiben.

Einer Ihrer größten „Jagd-Erfolge“?

Durch meinen Beruf habe ich eine wundervolle Dame aus der höheren Gesellschaft kennengelernt. Der habe ich von meiner Leidenschaft für Vintage-Kleidung erzählt. Da hat sie gesagt: „Das finde ich aber toll“ und hat mir wundervolle Ballkleider geschenkt, die sie selbst nicht mehr trägt. Davon habe ich eins bei der Prinzenproklamation getragen.

Wenn die Leidenschaft so groß ist, wie groß ist denn Ihr Kleiderschrank? Denn eigentlich dürften Sie ja im Sinne der Nachhaltigkeit nichts wegschmeißen.

Oh nein, ich schmeiße nichts weg. Wenn ich merke, das war ein Fehlkauf oder so etwas, dann gebe ich es wieder zurück in den Kreislauf. Tatsächlich ist mein Kleiderschrank nicht so groß und voll. Oft greife ich auf dieselben Sachen zurück.

Ihr Lieblingsstück?

Ich habe eine weiße Bluse, die dürfte so aus den 60er Jahren stammen. In der fühle ich mich einfach immer wohl – ich weiß auch nicht so richtig, warum. So geht es mir auch mit einem senfgelben Pulli, der fällt schon bald auseinander.

Werden Sie in Köln denn leicht fündig?

Es gibt hier gute Läden, auf jeden Fall. Es gibt beispielsweise den „Picknweigt“ auf der Ehrenstraße, da bin ich manchmal. Bei „Entlarvt“ auf der Zülpicher bin ich Stammgast. Und gerade erst habe ich einen neuen Laden für mich entdeckt…

Gibt es Vintage-Kleidung auch online?

Oh ja, aber ich bin auch da altmodisch und kaufe gerne im Laden, ich muss die Kleidung sehen, sie fühlen.

Gibt es denn auch eine Epoche, die Sie gar nicht mögen?

Könnte ich eigentlich nicht sagen. Ich finde auch, dass wir gerade in einer Zeit sind, in der man unheimlich verspielt mit Mode umgehen kann, in der man auch Sachen machen kann, von denen es früher hieß, geht gar nicht. Wie Socken in Birkenstocks. Das finde ich inspirierend. Einfach mal Mode in einen völlig anderen Kontext bringen.

Gibt es für Sie Grenzen bei Vintage-Klamotten?

Ja, Unterwäsche und Bademode kaufe ich neu (lacht).

Als Hänneschen-Intendantin haben Sie auch viele gesellschaftliche Termine. Da kommen Sie mit Vintage überall durch?

Gerade in der festlichen Kleidung gibt es aus vergangenen Epochen ganz viel Schönes, was auch heute noch zu besonderen Anlässen passt.