Interview

Kölner Rotarier
„Jeder ist bei uns willkommen – unabhängig von Bankkonto, Herkunft oder Geschlecht“

Lesezeit 8 Minuten
Rotarier Norbert Froitzheim

Im Rheinauhafen sitzt die Investmentbank Belgravia & Co., für die Norbert Froitzheim arbeitet.

Norbert Froitzheim engagiert sich bei den Rotariern — was die eigentlich tun und warum ihnen zu Unrecht Dünkel unterstellt wird, erklärt er im Gespräch.

Wir treffen uns vor dem ehemaligen Hafenamt im Rheinauhafen. Hier hat die Investmentbank Belgravia & Co., für die Norbert Froitzheim arbeitet, ihren Sitz.

Existiert Ihre Skatrunde aus der Studentenzeit noch?

Leider nein. Einer von uns ist leider viel zu jung verstorben, auch beruflich waren wir zu eingespannt. Aber wir halten noch eine Art Stammtisch aufrecht.

Was reizt Sie an dem Spiel?

Strategie, Spaß und ein paar frische Bier.

Und was lernt man vom Skat fürs Leben?

Verlieren! Und dass man nicht immer vier Buben haben muss, um einen Grand zu gewinnen.

Sie sind gelernter Drucker. Aus welcher technischen Entwicklungsphase?

Ich war einer der letzten Buch- und Offsetdrucker. Nach dem Abitur wollte ich zunächst Grafikdesign studieren. Nachdem ich aber sträflicherweise den Anmeldetermin verpasst hatte, bewarb ich mich auf ein Drucker-Praktikum − aus dem dann eine komplette Lehre wurde. Das Leben ist halt manchmal eine Komödie.

Hilft Ihnen das heute?

Ja. Es kommt vor, dass man als junger Gymnasiast mit einem Kopf voller Flausen gelegentlich über den profanen Dingen des Lebens zu schweben glaubt. Es hilft dann sicherlich, von den alten Gesellen und Meistern mal richtig eingenordet zu werden. Lehrjahre sind bekanntlich keine Herrenjahre, obwohl das heute vielleicht teilweise anders gesehen wird. Schon als Lehrling steht einem heute der Weg auf die große Bühne offen.

Sie waren also der klassische Brötchenholer?

Genau, ich habe den Müll rausgetragen und die Maschinen saubergemacht: Sozusagen „Schütze Arsch im letzten Glied“, zumindest im ersten Lehrjahr. Danach kamen ja neue Lehrlinge, und das Spiel ging von vorne los. (lacht)

Heute arbeiten Sie im Finanzsektor. In der Vergangenheit waren Sie jedoch immer wieder auch journalistisch tätig.

Vor den Toren Kölns, in meinem Heimatort Türnich, habe ich noch vor der Studentenzeit bei der Werbepost mein Taschengeld aufgebessert und die Schützenfeste und Ratssitzungen abgeklappert. Schwerpunkt „Brauchtum“ halt. Später habe ich unter anderem für die Sportredaktion der Kölnischen Rundschau geschrieben − vor allem über Amateurfußball auf Aschenplätzen und die Basketball-Bundesliga.

Gab es Highlights?

Ich erinnere mich gut an eine sehr erfolgreiche Mannschaft in der Bezirksliga, die BSG Macha Heppendorf, weil die oft sonntagsmittags spielte. Wenn man da im Winter im Schneeregen am Platz stand, hatte man seine paar Mark für den Bericht wirklich verdient.

Viele kennen das Wort, wenige wissen, was dahintersteckt. Also sagen Sie uns: Was ist ein Rotarier?

Ein Mensch, der der Gesellschaft einen Dienst des Helfens erweisen will. Das Motto lautet „Service above self“, selbstloses Dienen.

Mitglied wird, wer gefragt wird. Warum hat man Sie aufgenommen?

Traditionell gibt es in den Rotary Clubs viele Freiberufler wie Ärzte, Notare und Rechtsanwälte. Rotary ist aber der Diversität der Berufsgruppen verpflichtet, weil man sich breit aufstellen möchte. Als CEO eines mittelständischen Konzerns passte ich ins Suchprofil meiner Clubs. Zuerst wurde ich 2017 Präsident meines Clubs, bevor ich dann vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2024 unserem Distrikt, der ungefähr von Remscheid über Aachen und Trier/Saarburg bis Koblenz und Siegen reicht, als „Governor“ diente.

Ist man als Rotarier-Governor eher Präsi eines Sportvereins oder Parteivorsitzender?

Man ist eher eine Art „Prinz Karneval“. Scherz beiseite. Vergleichbar ist sicherlich das absolute zeitliche Commitment über einen längeren Zeitraum und der Spagat zwischen Beruf und Ehrenamt. Ich hatte ein Jahr lang praktisch kein Privatleben, eine sehr intensive Zeit mit zahllosen Terminen, auch im Ausland. Leitthema unseres Weltpräsidenten Gordon McInally war übrigens die „Mentale Gesundheit“, das er aufgrund einer privaten Tragödie gefunden hat.

Was war das Hauptziel Ihrer eigenen Jahres-Ägide?

Rotary attraktiver zu machen und den Mitgliederaustausch zu stärken. Die Kölner Clubs haben nun einen Koordinierungsausschuss. Gemeinsam sind wir stärker. So können wir große Projekte am besten gemeinsam stemmen, was sich während der Flutkatastrophe und der Ukraine-Hilfe eindrucksvoll gezeigt hat.

Offiziell sollen sich Rotarier einmal pro Woche treffen. Das klingt ambitioniert.

Sie sprechen ein wichtiges Thema an, das sicherlich viele Clubs bewegt. Manche Clubs sind deshalb auf 14-tägige Treffen umgeschwenkt. In der Regel werden auf diesen Treffen die anstehenden Projekte und Aktivitäten diskutiert. Oft ist ein Gast eingeladen, der einen spannenden Vortrag zu einem relevanten Thema hält. Man lernt viel.

Immer wieder liest man, Rotarier seien elitär. Wie kommt das wohl?

Das ist ein Klischee, das wir kennen. Jeder ist bei uns willkommen, unabhängig von der Höhe seines Bankkontos, seines Aussehens, seiner Herkunft, seiner sexuellen Orientierung und seines Geschlechts. Auch wenn Rotary mittlerweile eine Möglichkeit geschaffen hat, über die sich interessierte Menschen vorstellen können, sind die Clubs grundsätzlich autonom, was auch für die Frage gilt, wen sie in ihren Reihen aufnehmen.

Was können Gründe für die Ablehnung sein?

Wenn jemand zum Beispiel allzu offenkundig deutlich macht, dass es ihm im Wesentlichen nicht darum geht, der Sache zu dienen, sondern darum, Geschäfte zu machen. Für diese Motivation gibt es genügend andere Angebote, dafür ist ein Rotary Club sicherlich nicht der beste Ort.

Kann es sein, dass für Sie das Wort „elitär“ gar nicht negativ klingt?

Tut es tatsächlich nicht. Aber man muss unterscheiden: „Elitär“ bedeutet für mich nicht „dünkelhaft“, denn dann wird es unangenehm. Wenn es hingegen mit Exzellenz und Führungskompetenz zu tun hat, ist es okay. Das braucht jede Gesellschaft.

Bis 1989 waren die Rotarier zumindest in der Hinsicht elitär, dass Frauen ausgeschlossen blieben. Wie hoch ist der Frauenanteil Ihres Distrikts?

Ich denke, wir liegen bei um die 15 Prozent, was leider noch zu wenig ist. Und es gibt in der Tat noch ein paar reine Männerclubs, aber ich bin davon überzeugt, dass diese auf kurz oder lang auch Frauen aufnehmen werden.

Sie haben früher in einer Band gespielt. An welchem Instrument?

Ich war Gitarrist einer Schülerband namens Pastures of Heaven, was angemessen pathetisch klingt, und besitze eine wunderschöne Gibson Les Paul, die ich mir als Schüler vom Munde abgespart habe. In den 70ern haben wir eigene Songs im Stil von Wishbone Ash, Yes und Genesis gespielt, es zumindest versucht. Später waren Steely Dan unsere Idole, bevor die 80er mit New Wave alles änderten und die Synthesizer und Drum-Computer ihren Siegeszug antraten.

Lange Haare und schwarze Lederhose?

Ich hatte keine Lederhose. Gleichwohl glich meine Frisur der von David Cassidy, sofern den noch jemand kennt. Allerdings war David eindeutig hübscher.

Paar Platten verkauft?

Bis heute wurden unglücklicherweise noch keine Tantiemen überwiesen. (lacht)

Eine andere Leidenschaft gilt dem 1. FC Köln. Wie geht es Ihnen in der Hinsicht zur Zeit?

Das ist ein langes, schwieriges Kapitel. Wenn ich einen Wunsch bei einer guten Fee freihätte, würde ich mir wünschen, kein FC-Fan mehr zu sein. Denn täglich grüßt das Murmeltier, nach dem Abstieg ist vor dem Abstieg. Es gibt keine Feen. Also leide ich weiter.

Neben Ihrer Arbeit für Belgravia & Co. führen Sie eine eigene Firma namens „Anstell von Dautzenberg“. Wer war das?

Mein Vater hat bis zu seinem Tod der Leidenschaft gefrönt, in der Vergangenheit zu wühlen und die Ahnen zu erforschen. Dabei ist er bis weit hinter den Dreißigjährigen Krieg gekommen. Eine Linie mütterlicherseits führt ins alte Burgund, ins heutige südliche Belgien. Und dort gab es unter anderem die beiden Familien von Anstell und von Dautzenberg.

Gehören Sie und Ihre Kollegen bei Belgravia aus Arbeitnehmersicht zu den Guten oder den Bösen?

Wir beraten entweder den Verkäufer oder den Käufer eines Unternehmens im Rahmen des entsprechenden Transaktionsprozesses. Wir nehmen keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik.

Sie sind unter anderem Mitglied der Clausewitz-Gesellschaft. Sind Sie für die Wiedereinführung der Wehrpflicht?

Auf jeden Fall! Die Wehrpflichtigen waren unsere Basis für die Rekrutierung von Bundeswehr-Nachwuchs. Es ist allzu offenkundig, dass die Politik der letzten Jahre verteidigungspolitisch etwas leichtsinnig war. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir massiv gegensteuern müssen − wenn es nicht schon zu spät ist. Eines steht fest: Deutschland muss sehr schnell wieder verteidigungsfähig werden.

In den weltweiten Statuten der Rotarier steht der „Einsatz für Frieden und Völkerverständigung“ im Vordergrund. Also haben Sie in letzter Zeit viel zu tun?

Das stimmt. Wir sammeln zum Beispiel Gelder, um junge Menschen an Friedensuniversitäten studieren zu lassen. Nach ihrem Master können sie dann etwa in Krisengebieten zum Einsatz kommen.

Als Wirtschaftsfachmann wiederum sagen Sie, der „schwarze Schwan ist ein Riese.“ Was meinen Sie damit?

Die Globalisierung ist in vielerlei Hinsicht an ihre Grenzen gekommen, nicht zuletzt in Bezug auf unsere Umwelt. Die Auswüchse und die Umweltschäden werden bislang auf die Allgemeinheit und die Konsumenten umgelegt. Da scheint etwas nicht ganz zu stimmen.

Meinen Sie unsere Politiker, wenn Sie sagen, unsere Zukunft liege „nicht in den besten Händen“?

Sagen wir es so: Ich wäre dankbar, wenn wir uns alle gemeinsam an die Lösung der fundamentalen Probleme unserer Zeit machen würden. Wenn das Spielbein zu viele Pirouetten dreht, fällt man ohne Standbein um.

Für Kölner ist das Glas normalerweise halbvoll. Sie sehen es halbleer?

Ich bleibe auf realistische Weise optimistisch, ohne Fantasien zu meinem Leitmotiv zu machen. Die Politik ist wie das Wetter: Es gibt schöne und weniger schöne Tage. Aber wir wissen, dass es kein schlechtes Wetter gibt, nur falsche Kleidung. Ideal wäre es aber schon, wenn wir in Deutschland eine vorurteilsfreie Diagnose treffen und dann echte Konsequenzen daraus ziehen würden, jenseits von Ideologien und Befindlichkeiten.

Die Wetteraussichten sind also trübe. Wenn Sie heute noch ein Bäumchen pflanzen würden, welches wäre es?

Eine Eiche.

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