Denno Probst ist als Schachboxer bekannt. Bernd Imgrund hat er erklärt, was das Wichtigste an seinem Sport zwischen Brett und Ring ist.
Zwischen Brett und RingKölner Schachboxer Denno Probst über seinen ungewöhnlichen Sport
„Denno“ ist nicht nur ein Spitzname, sagt er. Sondern seine „Marke“. Denn als Denno Probst kennt man ihn in der Welt des Schachboxens.
Inwiefern ist Ihr Verein Chessboxing Cologne seit der Weltmeisterschaft 2023 die weltweite Nummer 1?
Wir sind neben Berlin einer der beiden führenden deutschen Clubs. Bei der WM in Rimini sind wir mit sechs Kämpfern angetreten und haben sechsmal Gold geholt. Mehr geht nicht.
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Ist dieser Sport vor allem ein deutsches Phänomen?
Er wurde vor 20 Jahren in Berlin erfunden − von dem Niederländer Iepe Rubingh. Es gibt zwei Weltverbände und rund zwanzig Mitgliedsländer. Als Kölner sind wir erst seit zwei Jahren dabei, vor allem die Franzosen und Russen sind sehr gut aufgestellt.
Werden die nun boykottiert?
Die diesjährige WM soll in Russland ausgetragen werden, aber wir treten dort aus verschiedenen Gründen nicht an. Ich will da allerdings kein Politikum draus machen. Wir setzen da aus, und nächstes Jahr in Frankreich sind wir wieder dabei. Außerdem planen wir parallel ein eigenes Turnier, um den Sport in Deutschland prominenter zu machen.
Dass Schachboxen in Köln so erfolgreich ist, geht vor allem auf Ihre Kappe.
Ich habe die Leute zusammengebracht. Ich organisiere viel und bin auch einer der Trainer. Aber die Medaillen haben die Jungs schon selbst gewonnen.
Sie sprechen diverse Sprachen, sogar ein wenig Chinesisch und Arabisch.
Ich bin gelernter Fremdsprachenkorrespondent. In Abu Dhabi habe ich schon als 19-Jähriger Englischunterricht gegeben − Work & Travel sozusagen. Ich liebe es zu verreisen. Die Pandemie habe ich in Thailand als Personal- und Online-Trainer verbracht.
In Zukunft könnten Sie das mit Chessboxing verbinden.
Tatsächlich habe ich ein Angebot, in Marokko ein Team aufzubauen. Aber ich habe eine Familie und echt viel Zeit in den Teamaufbau und die WM in Italien investiert. Ich will einfach mal wieder Urlaub machen.
Warum sind Sie als Dortmunder nach Köln gekommen?
Berlin mag ich nicht, das können Sie gern so schreiben. Köln ist die beste Stadt im Westen. Ich mag die Toleranz hier und dass die Leute nicht immer nach Regenwetter aussehen. Köln fühlt sich einfach gut an.
Welcher Menschenschlag begeistert sich für diesen seltsamen Cocktail aus Denken und Hauen?
Auf der einen Seite gibt es die Schachspieler, unter denen sich viele Intellektuelle und Künstler finden. Und auf der anderen Seite kommen die eben vom Boxen. Aber es gibt spannende Überschneidungen. Nehmen wir Lennox Lewis, der als unbesiegter Weltmeister im Schwergewicht abgetreten ist und sich später als Chessboxer bezeichnete.
Wie kommen Künstler zum Schachboxen?
Iepe Rubingh (1974−2020) war Aktionskünstler. Durch die Lektüre des Comics Froid Équateur von Enki Bilal kam er auf die Idee, seine beiden Hobbys Schach und Boxen zu kombinieren. Bei der ersten Weltermeisterschaft 2003 ist er noch selbst angetreten − lange vor unserem Einstieg in den Sport. In der Kunst steckt immer auch ein Aktions- und Aggressionspotenzial, das man beim Schachboxen ausleben kann.
Wenn Lennox Lewis gegen Schachlegende Magnus Carlsen anträte: Wer würde gewinnen?
Lennox Lewis! (lacht) Chessboxing geht abwechselnd über elf Runden und beginnt mit drei Minuten Schach. Mit ein bisschen Geschick überlebt Lewis die gegen Carlsen. Aber der nicht die drei Minuten im Ring gegen Lewis.
Aber sind die Boxer dann nicht klar im Vorteil?
Jein. Nicht jeder boxt wie Lennox Lewis, und die Schachspieler haben natürlich auch ihre Strategie. Die müssen möglichst defensiv an den Kampf herangehen. Doppeldeckung, Rausgehen, Pendeln, immer in Bewegung bleiben: Dann kann es gelingen, drei Minuten außerhalb der Reichweite des besser boxenden Gegners zu bleiben.
Der schlechtere Boxer muss der fittere Athlet sein?
Vor allem die Schachspieler brauchen Kardiotraining, also Ausdauer. Drei Minuten im Ring können verdammt lang werden, und die letzte ist immer die schlimmste. Da ist das Abtasten vorbei, der Boxer will zum K.o. kommen.
Sie kommen vom Boxen. Wie viele Schachzüge berechnen Sie im Voraus?
Man muss berücksichtigen, dass wir am Brett je nach Spielordnung auf nicht viel mehr als zehn Minuten kommen. Ich rechne vier, fünf Züge durch, für mehr reicht die Zeit nicht.
Haben Sie einen ELO-Wert?
Ich liege bei 1700, ganz okay. Unsere rund 40 Schachboxer sind Teil der Parkschachtruppe im Grüngürtel am Bahnhof West. Unter den etwa 150 Leuten dort sind FIDE-Meister und der amtierende deutsche Ärzte-Schachmeister.
Warum ist Schachboxen vor allem ein Männersport?
Es boxen halt mehr Männer als Frauen, im Schach dürfte es ähnlich sein. Immerhin hatten wir die mehrmalige WBO- und WBC-Boxweltmeisterin Christina Hammer im Team, eine absolute Granate.
Tangiert Schachboxen vielleicht vor allem das männliche Ego: Mann will der Klügste und der Stärkste sein?
Da ist wohl was dran. (lacht) Schach ist ein Fass ohne Boden, das kannst du ein Leben lang spielen, ohne damit fertig zu werden. Aber zumindest klüger als der Gegner zu sein, ist eine feine Sache. Und wenn man dann auch noch der Stärkere im Ring ist − perfekt.
Was passiert, wenn keiner von beiden schachmatt oder k.o. geht?
Viele Matches enden damit, dass dem Boxer die Schachuhr abläuft. Ein Remis habe ich noch nie erlebt.
Welche Niederlage schmerzt Sie mehr: die im Schach oder Boxen?
Im Boxen. (lacht) Man verliert, und die Schmerzen sind auch noch ganz real! Zweiter von Zweien zu werden, ist nie schön. Aber ich denke über Verlieren generell nicht nach. Unter zwei gleich guten Sportlern gewinnt immer der besser fokussierte, der ohne Wenn und Aber gewinnen will.
Spielt man anders Schach, wenn man vorher eine Runde geboxt hat?
Zunächst mal hat man locker einen um 400 kleineren ELO-Wert. Die Energie steckt nicht im Hirn, sondern ist auf die Atmung und Regeneration konzentriert. Wenn man einen harten Treffer bekommen hat, sieht man zudem manchmal nicht mehr die Brettseiten, sondern hat einen echten Tunnelblick. Die Kunst besteht darin, den Boxkampf sofort abzuschütteln und sich fokussiert wieder ans Brett zu setzen. Die meisten Patzer macht man beim ersten Zug nach dem Boxen.
Sie laufen Marathon und kommen vom Boxen. Wurde Ihnen der Wettkampfsport in die Wiege gelegt?
Ich komme aus einer Box-affinen Familie. Ein Cousin war Westdeutscher Meister, ein anderer Kickbox-Europameister.
Was fasziniert Sie am Schachboxen?
Mir gefallen die vielen Parallelen. Beim Schach musst du das Zentrum kontrollieren, beim Boxen die Ringmitte. Es gibt verschiedene Gewichtsklassen, und der Verlauf ist sehr transparent − alles hängt vom Können ab, ohne Glücksfaktor.
Nun ja, Weiß macht den ersten Zug.
Stimmt. Das wird ausgelost, wir erledigen das meist einfach mit einem Bauern in der Faust.
Warum ist Schachboxen gut für Heranwachsende?
Wenn Jugendliche nur vorm Bildschirm hocken, sind sie nicht fit. Schachboxen steigert Ausdauer, Kraft und strategisches Denken und fördert so das Selbstbewusstsein. Alles hängt am guten Mindset, das versuche ich auch in meinem Beruf als Personal Trainer zu vermitteln.
Als solcher hatten Sie es mal mit einer stark übergewichtigen, mehrfachen Mutter zu tun.
Oh, das war vor einigen Jahren während eines Outdoor-Gruppentrainings. Die Frau hatte fünf Geburten hinter sich und wog irgendwas im dreistelligen Bereich. Für sportliche Aktivitäten schien da nicht viel Spielraum zu sein. Aber sie wollte es wirklich − die erste und wichtigste Voraussetzung für Erfolg! Also bekam sie von mir einen individuellen Trainings- und Ernährungsplan, und wir blieben in Kontakt. Nach zwei Jahren, ich war gerade in Thailand, schrieb sie mir, dass sie ihren ersten Marathon gelaufen ist. Da waren wir natürlich beide stolz auf ihre Entwicklung.