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Nach 33 JahrenIngeborg Arians geht als Protokollchefin im Kölner Rathaus in Rente

Lesezeit 8 Minuten

Formvollendet: Ingeborg Arians diente verschiedenen OBs.

  1. 33 Jahre lang begleitete Ingeborg Arians die Kölner Oberbürgermeister im Rathaus
  2. In ihren Dienstjahren hat sie viel erlebt und berühmte leute getroffen
  3. Im Interview erzählt sie, was sie immer dabei hat, was das einschneidenste Erlebnis war und mit wem sie die schönste Begegnung hatte

Köln – Mehr als 33 Jahre lang leitete Ingeborg Arians (65) im Oberbürgermeisteramt den Bereich Repräsentation und Protokoll. Sie diente unter Norbert Burger, Harry Blum, Fritz Schramma, Jürgen Roters und Henriette Reker. Bald verabschiedet sie sich in den Ruhestand. Im Gespräch mit Michael Fuchs spricht sie über die Herausforderungen und besondere Momente.

Sie stammen aus dem Münsterland. Wie sind Sie Protokollchefin in Köln geworden?

Ich habe in Heidelberg Französisch, Spanisch und Englisch studiert, meinen Abschluss als Übersetzerin gemacht, war ein Jahr in Venezuela, habe dann für die Veba Oel AG den Besucherdienst aufgebaut. Damals wohnte ich schon mit meinem Mann in Köln, pendelte nach Gelsenkirchen. Das war viel Fahrerei. Da habe ich mir irgendwann gesagt: Du musst unbedingt einen Job in Köln finden.

Wie kam es dazu?

Ich habe in der Zeitung eine Stellenanzeige der Stadt Köln gelesen. Gesucht wurde jemand mit Organisationstalent, der bereit war, abends und am Wochenende zu arbeiten. Ich habe mich beworben und wurde eingeladen. Dann erfuhr ich, dass es um die Leitung des Protokolls ging.

Das war 1985, Sie waren damals 31 Jahre alt. Hatten Sie Angst vor der Verantwortung?

Ja, durchaus. Ich habe Oberbürgermeister Norbert Burger gefragt, ob es für ihn in Ordnung sei, wenn eine junge Frau aus dem Münsterland für das Protokoll der Millionenstadt Köln zuständig wird. Er war einverstanden und meinte, meine westfälische Ader könne bei dieser Aufgabe im lebensfrohen Rheinland von Vorteil sein. Er meinte das Zuverlässige und Genaue, das ich als Westfälin ja mitbringe.

Ingeborg Arians diente verschiedenen OBs, so auch Burger.

Wie würden Sie Norbert Burger charakterisieren?

Er war ein bodenständiger und gleichzeitig sehr weltläufiger Mann, der seine Aufgabe als oberster Repräsentant seiner Vaterstand Köln sehr ernst genommen und sich in seinem Amt kein bisschen geschont hat.

Hat sich Ihre Arbeit mit jedem Wechsel an der Stadtspitze verändert?

Jeder OB hat seinen eigenen Stil. Fritz Schramma hat die Gabe, sofort einen Zugang zu seinem Gegenüber zu finden. Ihm war die Improvisation aus der Begegnung mit den Menschen heraus wichtiger als das Festhalten an strengen Regeln. Harry Blum hielt nicht gerne Reden, deshalb haben wir mehr Programm in die Empfänge integriert. Jürgen Roters kann zuhören und ausgleichen. Henriette Reker hat einen sehr genauen Blick auf die Details, das ist für das Protokoll Herausforderung und Anerkennung zugleich.

Wann wurde es zum ersten Mal richtig ernst für Sie?

Ich habe am 1. Januar 1986 begonnen und kurz darauf erfahren, dass das spanische Königspaar Juan Carlos und Sofia im Februar zu Besuch nach Köln kommt. Da hatte ich Bammel. Ich habe mir dann Rat geholt bei den Protokoll-Kollegen von Land und Bund.

Was zeichnet ein gutes Protokoll aus?

Wir wirken unsichtbar im Hintergrund. Wenn ein Besuch reibungslos verläuft, haben wir gute Arbeit geleistet. Da steht immer ein ganzes Team dahinter. In Köln sind wir sieben Damen und ein Herr. Es fängt immer damit an, dass wir sämtliche Aspekte der Veranstaltung aus der Sicht der Gäste eruieren, seien es Ehrungen, Empfänge oder Trauerfeiern. Danach wird alles minuziös vorbereitet.

Worauf kommt es dabei an?

Es geht um Respekt, Höflichkeit, einen angemessenen Umgang mit dem Gast. Zentrale Frage ist: Was müssen wir tun, damit sich der Gast wohlfühlt? Kulturelle und religiöse Unterschiede sind zu beachten, aber auch persönliche Bedürfnisse. Gesetzt der Fall, der Gast ist starker Raucher, aber überall herrscht Rauchverbot: Dann müssen wir sehen, wie wir Rauchpausen ermöglichen.

Ingeborg Arians diente verschiedenen OBs, unter anderem Schramma.

Was hat sich im Vergleich zu früher geändert?

Als ich anfing, war die Politik sehr männerdominiert. Jetzt ist die Gleichberechtigung zum Glück viel weiter. Neben den technischen Änderungen wie Internet und Smartphones haben Unverträglichkeiten und Besonderheiten beim Essen zugenommen. Früher war das kein Thema, heute fragen wir das routinemäßig ab. Zu Burgers Zeiten haben die Menschen noch richtig zu einem OB aufgeschaut, heute gibt es kein Obrigkeitsdenken mehr. Da begegnen die Menschen einer Oberbürgermeisterin praktisch auf Augenhöhe. Und die Kleiderordnung ist viel lockerer geworden, das bedauere ich etwas.

Was war Ihr kuriosestes Erlebnis mit Abendgarderobe?

OB Burger trug seinerzeit ja noch Frack zur Prinzenproklamation. Den anzulegen, ist nicht ganz einfach. Einmal rief er mich ungeduldig zu sich: Frau Arians, bitte helfen Sie mir, ich habe mich verknöpft.

Haben Sie immer Sicherheitsnadeln dabei, falls mal ein Kleidungsstück reißt?

In der Tat. Ich habe auch ein Ersatzjackett oder -kleid und Ersatzstrumpfhosen. Warum? Ich kam mal zu einer Verdienstkreuzverleihung und trug exakt das gleiche Kleid wie die Dame, die geehrt wurde. Mir ist das Blut in den Adern erstarrt, so peinlich war mir das. Das passiert dir nie wieder, habe ich mir gesagt. Man braucht aber nicht nur Nadeln, sondern auch Ideen.

Improvisieren ist also ein wichtiger Teil des Jobs?

Genau. Ich erinnere mich noch an den Besuch des Bürgermeisters von Bethlehem anlässlich der Gründung der Städtepartnerschaft mit Köln 1996. Wir haben erst einen Tag vorher erfahren, dass er kommt. Die palästinensische Flagge sollte vor dem Rathaus wehen – was 1996 durchaus brisant war. Wir hatten aber keine. Ich habe abends die Flagge auf ein Blatt Papier aufgezeichnet, mit Farbbezeichnungen versehen und per Fax an den Fahnenhersteller geschickt. Am nächsten Morgen war sie fertig – nur leider wurde sie falsch herum gehisst. In dem Moment, als wir die Flagge umgedreht und hochgezogen hatten, kam die Limousine um die Ecke gebogen.

Zu protokollarschen Höhepunkten gehörte das Gipfeltreffen mit US-Präsident Clinton.

Was waren persönliche Erfolgserlebnisse für Sie?

Dass wir beim EU-Gipfel im Juni 1999 in Köln einen Empfang für die Staats- und Regierungschefs ausrichten durften, war ein Coup. Die Städte hatten bei EU-Gipfeln zuvor nie eine Rolle gespielt. Beim Weltjugendtag 2015 riet ich OB Fritz Schramma, bei der Ankunft von Papst Benedikt XVI. am Flughafen seine goldene Amtskette zu tragen, auf der bekanntlich die Heiligen drei Könige zu sehen sind. Der Papst gab allen die Hand, aber der Einzige, bei dem er stehen blieb, war Schramma. Das sind die kleinen Freuden des Protokolls.

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Beim G-8-Gipfel 1999 waren die mächtigsten Männer der Welt zu Gast in Köln, und US-Präsident Clinton eroberte die Herzen der Kölner im Sturm. Wie haben Sie das erlebt?

Bei dem Empfang in der Piazzetta warteten 300 handverlesene Gäste aus der Stadtgesellschaft hinter einer Absperrung auf die Staats- und Regierungschefs, die sich in das Goldene Buch eintrugen. Als das Band entfernt wurde, stürmten die Leute wie beim Winterschlussverkauf los und umzingelten die prominenten Gäste, um eine Unterschrift zu ergattern. Vor allem Bill Clinton war heiß begehrt. Der rettete sich vor den Autogrammjägern auf die Treppe zum Hansasaal, wo der Jugendchor St. Stephan „Oh happy day“ sang, und schunkelte einfach mit.

Zu protokollarschen Höhepunkten gehörte das Gipfeltreffen mit US-Präsident Clinton.

Gab es an dem Tag auch Pannen?

Wir hatten eine Situation, die bezeichnend für die Rolle der Ehefrauen der Staatsmänner war. Als der britische Premier Tony Blair sich ins Goldene Buch eintrug, setzte er seinen Namen ganz selbstverständlich nach links, ließ rechts daneben Platz für seine Ehefrau Cherie. Der japanische Ministerpräsident Keizo Obuchi, der seinen eigenen Tuschepinsel mitgebracht hatte, malte seine Schriftzeichen groß mitten auf das Blatt – dort wo sein Name und Titel in lateinischer Schrift standen. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass Oberstadtdirektor Klaus Heugel auch seine Gattin auffordern würde zu unterschreiben. Die arme Frau hat ihren Namen dann noch in ganz kleinen Schriftzeichen dazwischen gequetscht.

Was bedeutet Ihnen das Goldene Buch?

Sehr viel. Darin wird im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben, und ich durfte oft dabei sein. Ein herrliches Detail des prächtigen Einbands ist, dass auf den beiden Schnallen „Köllen Alaaf“ steht.

Sie haben die Patenschaft für die Restaurierung dreier Goldener Bücher übernommen.

Ja. Ein Goldenes Buch ist im Krieg im Rathaus verbrannt. Seitdem werden die Papierseiten nach einer Weile ins Historische Archiv gegeben, während der Einband immer im Rathaus bleibt. Nach dem Archiveinsturz war Band 5 des Goldenen Buches lange Zeit verschollen. Vor kurzem wurde er wiederentdeckt. Da haben mein Mann und ich entschieden, auch hierüber die Restaurierungspatenschaft zu übernehmen.

Was war Ihr einschneidendstes Erlebnis?

Die Terroranschläge vom 11. September 2001. An diesem Tag tagte der Stadtrat. Als die Nachricht kam, brachten wir OB Schramma einen Zettel herein, worauf er die Sitzung abbrach. Er ging als erstes zu einer Gruppe jüdischer Gäste aus New York, die sich in Köln aufhielt. Am nächsten Tag war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Hans Imhoff und Alfred Neven DuMont geplant. Das musste natürlich verlegt werden. Wir haben den ganzen Abend versucht, alle Gäste zu informieren. Die Menschen waren so aufgewühlt. Nach den Anschlägen haben wir zum ersten Mal ein Kondolenzbuch im Rathaus ausgelegt.

Zu protokollarschen Höhepunkten gehörte das Treffen mit Bond-Star Roger Moore (M.l.) .

Was war Ihre schönste Begegnung?

Die mit James Bond. Also mit Roger Moore, dem besten Bond-Darsteller von allen. Er kam als Unicef-Botschafter nach Köln. Am Ende seines Besuchs reichte er mir formvollendet die Hand und bedankte sich herzlich. Ein perfekter Gentleman.