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Interview mit Rhein-Kapitän„Ich bin nicht Sascha Hehn“

Lesezeit 6 Minuten

Volle Fahrt voraus: Auf der Brücke der MS RheinFantasie hat Kapitän Heiko Felix die Lage im Griff.

Köln – Sein Revier ist der Rhein. Heiko Felix ist Kapitän des Ausflugsschiffes MS RheinFantasie, das zur Flotte der Köln Düsseldorfer gehört. Mit dem gebürtigen Mecklenburger sprach Bernd Imgrund auch über den Klabautermann.

Morgens um 8 an der Frankenwerft: Heiko Felix hat sein Schiff inspiziert, mischt sich einen großen Teller Müsli an und klettert hoch in den Steuerraum. Jetzt ist Zeit für ein Interview.

Sie kommen aus Neustrelitz in Mecklenburg. Wie weit hatten Sie es bis zur Ostsee?

Rund eine Autostunde. Wir waren oft an der Ostsee: übers Wochenende, im Urlaub mit der Familie. Oft auch im Ferienlager zum Camping, das war ja in der DDR sehr beliebt.

Fühlten Sie sich früh zum Wasser hingezogen?

Ich konnte relativ schnell schwimmen, weil meine Eltern darauf gedrungen haben. Schiffe haben mich schon immer fasziniert, eigentlich alle Arten davon. Anfangs wollte ich gern zur Hochsee, aber das war in der DDR nicht so einfach.

Welcher Stein lag Ihnen im Weg?

Im Grunde hatte ich schon eine feste Zusage. Aber dann ergab eine Überprüfung, dass wir Verwandte im Westen haben, in Königswinter. Und deshalb war Schluss mit den Hochseeträumen.

Der verdammte Realsozialismus, gell?

Allerdings, für mich brach damals eine Welt zusammen. Mein Gott, habe ich mir gedacht, dass so eine Lebensentscheidung von ein paar Onkels oder Tanten in Königswinter abhängig gemacht wird, ist doch irre. Immerhin bekam ich dann das Angebot, mich zum Matrosen der Binnenschifffahrt ausbilden zu lassen.

Und das funktionierte reibungsloser?

Nicht durchgehend. Wenn wir über die Kanäle nach Berlin fuhren, musste ich an der Stadtgrenze aussteigen und mit der Bahn weiterfahren. Im Osten der Stadt durfte ich dann wieder aufs Schiff, und meine Ablöse ging von Bord.

Was war das für eine Ablöse? Ausgesuchte Leute ohne Verwandtschaft in Königswinter?

Wahrscheinlich. Oder Leute, bei denen es der Führung egal war, ob die abhauen. (lacht)

Hängen Sie den Hochseeträumen noch nach?

Ich bin bei der Köln-Düsseldorfer und hier auf dem Rhein sehr zufrieden. Aber ich fahre auch jedes Jahr einmal nach Norwegen zum Angeln.

Mit der Aida?

Nein, mit der normalen Fähre.

Hat man als Kapitän einen Schlag bei Frauen?

(lacht) Ich bin nicht Sascha Hehn, und die MS RheinFantasie ist nicht das Traumschiff. Kapitän zu sein, ist ein schöner Beruf. Sicher gibt es Frauen, die Kapitäne bewundern, aber andere stehen dann eben mehr auf ihren Schönheitschirurgen oder wen auch immer.

Wie realistisch ist die Traumschiff-Serie?

Sagen wir mal so: Ich sehe mir das so gut wie nie an. Das ist schon ziemlich schöngefärbt. Ein Schiff zu führen, ist harte Arbeit.

Die KD wirbt damit, Ihre MS RheinFantasie sei „das modernste Schiff Europas“. In welcher Hinsicht?

Wir waren beim Bau des Schiffes 2011 bereits so innovativ, dass wir auch heute noch über den besten Stand der Technik verfügen. Die Navigation, der Antrieb und natürlich alle Gastbereiche samt Bühne mit toller Bühnentechnik sind schon spitze.

Wofür braucht man auf einem Fluss Navigationstechnik?

Da geht es unter anderem um Vorschriften zu elektronischen Wasserstraßenkarten. Aber simpel gesagt: An einem sonnigen Tag wie heute wirkt das alles sehr überschaubar. Aber sitzen Sie hier mal in dickem Nebel! Der Rhein ist die meistbefahrene Wasserstraße Europas. Zehn Schiffe auf meinetwegen zwei Kilometern, und auf dem Radargerät sieht man die nur schemenhaft – da sind Sie über moderne Kommunikationstechnik durchaus froh.

Dabei fällt mir natürlich die Loreley ein. Was waren, was sind die Gefahren dieses Felsens mit der blonden Frau obendrauf?

Das Stück zwischen St. Goar und Oberwesel ist eine Gebirgsstrecke, die eine höhere Konzentration erfordert. Nicht zuletzt, weil der Rhein dort seine engste Stelle durchfließt. Gerade bei Niedrigwasser kommt es immer wieder zu Grundberührungen und Havarien.

Waren Sie immer „Felix“, wie Ihr Name sagt, oder haben Sie mal den Klabautermann kennengelernt?

Sie meinen im Sinne einer brenzligen Situation? Die Kennedybrücke in Bonn habe ich mal querstehend unterqueren müssen. Von jetzt auf gleich hatte ein Hagelsturm die Sicht versperrt. Ich konnte nicht anlegen, weil dort noch zwei unserer Schiffe lagen, die wegen des Wetters nicht losgemacht hatten. Also blieb mir nichts, als mein Schiff quer durch die Brücke fallenzulassen. Und weil zu dem Zeitpunkt so einige Kollegen unterwegs waren, musste man sich dann in Sekundenschnelle mit den anderen Kapitänen absprechen.

Die MS RheinFantasie gilt als „Eventschiff“. Was bedeutet das?

Dass hier viele Veranstaltungen stattfinden: Geburtstage, Firmenjubiläen, Partys, Konzerte und Ähnliches. Hier sind schon sämtliche Kölner Karnevalsbands aufgetreten, von Brings bis Marita Köllner. Auf der MS RheinEnergie, wo ich vorher war, durfte ich sogar mal Kim Wilde begrüßen.

Nervt die ewige Feierei nicht?

Nein, es ist toll. Außerdem habe ich hier mehr Abwechslung als auf einem Schiff, das ausschließlich nach Fahrplan fährt. Natürlich machen wir auch unsere regelmäßigen Touren. Aber wir werden eben auch häufig außer der Reihe gebucht.

Sie wohnen in Neustrelitz und übernachten in Köln direkt auf dem Schiff. Wie haben Sie die Stadt über die Jahre kennengelernt?

Inzwischen verbringe ich durch den Job mehr Zeit hier als in Mecklenburg. Manchmal ist man vier, sechs Wochen am Stück an Bord. An Liegetagen fahre ich viel Fahrrad und entdecke so die Stadt. Meistens radele ich allerdings Richtung Norden, am Rhein lang.

Säßen Sie statt auf diesem dicken Pott mal gern in einem kleinen, schnellen Motorboot?

In Norwegen beim Angeln leihen wir uns immer eins. Vorwärts kommt man damit, aber Wasserski könnte man mit denen auch nicht laufen. (lacht)

Entscheiden Sie sich am Kahnweiher eher für ein Ruder- oder Tretboot?

Ich würde ein Ruderboot nehmen. Als Jugendlicher bin ich Kanadier gefahren und war sogar ganz gut. Ich war immerhin Bezirks- und Vize-DDR-Meister.

Kölner Lichter oder Mülheimer Gottestracht – was gefällt Ihnen besser?

Mitfahren tun wir bei beiden Events. Die Lichter sind natürlich größer und spektakulärer. Feuerwerk und Musik, das ist schon cool. Den Schiffsführern wird an so einem Tag allerdings auch einiges abverlangt, weil sich halt viele Schiffe auf engstem Raum bewegen. Aber dass wir uns nicht falsch verstehen: Die Mülheimer Gottestracht ist eine schöne Sache, das macht mir jedes Jahr Spaß.

Ist man als Rheinschiffer abergläubisch?

(überlegt länger) Tja, abergläubisch. Ich würde sagen, auf mich trifft das nicht zu. Ich habe auch keine Rituale, also dass ich eine Kerze anzünden würde oder so. Da kümmere ich mich lieber genau um den morgendlichen Ablauf, was den Betrieb des Schiffes betrifft.

Haben Sie als Kind Schiffe versenken gespielt?

Habe ich, wie jedes andere Kind auch. Aber Spiel und Wirklichkeit liegen weit auseinander: Mit einem Schiff versinken würde ich ungern.

Aber nehmen wir an, es passierte. Wären Sie Robinson, was nähmen sie auf die einsame Insel mit?

(lacht) Ein Handy wäre wahrscheinlich sinnlos, weil es da keinen Empfang und Strom gäbe. Meinen schicken Kapitänsanzug bräuchte ich auch nicht. Ich denke, ich würde mir so viele Lebensmittel wie möglich einpacken.

Zur Person

Heiko Felix wurde 1970 in Neustrelitz geboren. Nach der Mittleren Reife und dem DDR-Wehrdienst absolvierte er eine Lehre als Matrose der Binnenschifffahrt. Nach der Wende und einem vierjährigen Intermezzo als Bauarbeiter begann er 1996 als Matrose bei der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt (KD).

Er stieg auf zum Steuermann, erwarb 1998 sein Kapitänspatent und übernahm schließlich 2006 sein erstes Schiff als Kapitän, die MS RheinEnergie. Fünf Jahre darauf wechselte er auf die MS RheinFantasie, das laut KD-Eigenwerbung „modernste Schiff Europas“.

Heiko Felix wohnt fest in Neustrelitz. In Köln schläft er auf der MS RheinFantasie.