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Kölner BahnhofsmissionFreiwillige helfen Geflüchteten zum Anschlusszug

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Freiwillige helfen Geflüchteten zum Anschlusszug.

Köln – Beklemmend. Und traurig. So fühle es sich an, wenn die Züge aus Berlin in den Bahnsteig einrollen, sagt Andrea Liebsch. In den vorbeigleitenden dunklen Scheiben spiegeln sich die blau-gelben Schilder, die zahlreiche freiwillige Helfer hochhalten. Als Signal: Hier gibt es Hilfe.

„Wenn die Menschen aus den Zügen steigen, geht es besser. Dann können wir etwas tun“, sagt die Seniorin. „Ihnen zeigen: Ihr seid nicht allein.“Seit einem Jahr ist sie im Team der Bahnhofsmission des Hauptbahnhofs. Gerade steigen Natalia, ihr kleiner Sohn Andriy und ihre Mutter Maria (Namen von der Redaktion geändert) als letzte aus dem Reisewagen. Man sieht ihnen die Strapazen der Flucht an. Und Erleichterung, als sie von Anton Chekanov auf ukrainisch angesprochen werden. Der Systemtechniker ist seit 15 Jahren in Deutschland; sein Arbeitgeber Ford hat ihn für zwei Tage freigestellt, weil er für die Bahnhofsmission übersetzen will.

Gemeinsam versuchen die Helfer zu klären, wohin es weitergehen soll. Zu ihren Verwandten. In Heinsberg? Oder hieß der Ort doch Rheinberg? Beides klingt so ähnlich, also muss erst über die Adresse geklärt werden, an welchem Ort die Verwandten Natalia, Maria und Andriy erwarten. Der sitzt in seiner dicken Thermo-Latzhose auf der Bank, auch seine Jacke behält er an, trotz 18 Grad Wärme. Wortlos nimmt er eine Mini-Schokolade von Praktikantin Klara Broich entgegen. Mit dem Übersetzer gehen die beide Frauen und der kleine Junge zum Ticketschalter, sie haben noch kein Help-Ukraine-Ticket.

Den Anschlusszug zu bekommen, ist ohne Hilfe oft unmöglich

Jetzt muss es schnell gehen. Wenn sie den Anschlusszug noch bekommen, müssen sie nur einmal umsteigen und sind nicht allzu spät in Heinsberg. Bei der nächsten Verbindung wären es zwei Umstiege. Mit einem schweren Koffer, den Anton Chekanov für die erschöpften Frauen trägt, und mit Taschen. „Aus manchen Zügen steigen 100 Menschen, manchmal sind es 50 oder auch mal nur einige wenige“, schildert die Leiterin der Bahnhofsmisson, Corinna Rindle. „Aber selbst einfach nur den Anschlusszug zu bekommen, ist ohne Hilfe oft unmöglich, denn viele Geflüchtete können die deutschen Schriftzeichen nicht lesen.“

Jede Stunde kommt ein Zug aus Berlin. „Wenn die Menschen hier in Köln bleiben wollen, bringen wir sie zur Anlaufstelle am Breslauer Platz“, so Rindle. Nicht wenige Geflüchtete fahren über Brüssel oder Paris weiter bis zu ihrem endgültigen Zielort. Für sie halten freiwilligen Helfer Getränke, Sandwiches und Hygieneartikel bereit. Auch wenn Geflüchtete dringend ein Medikament benötigen, versucht die Bahnhofsmission zu helfen.

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Weil das viel leichter ist, wenn ein Übersetzer zum Team gehört, sucht die Bahnhofsmission dringend Freiwillige, die Ukrainisch oder Russisch sprechen. Für die stark übermüdeten und verzweifelte Frauen, Kinder und älteren Menschen sei eine vertrauensvolle Ansprache äußerst wichtig, so Corinna Rindle.

Maria, Natalia und Andriy habe ihren Anschlusszug noch erreicht, Anton Chekanov wuchtet den Koffer in den Gang des Reisewagens. Als der Zug abgefahren ist, sagt er, dass die junge Frau schwanger ist und ihr Mann beim Militär. Man sieht ihm an, dass ihn das sehr bewegt. Sie habe einen Fluchtkorridor genommen, der jetzt längst zu ist. Und: „Sie kommt aus meiner Heimatstadt Sumy. Meine Mutter ist gerade nach Deutschland gekommen. Mein Vater nicht. Er wollte in Sumy bleiben.“