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Bestseller-Autorin Mariana Leky„Jede Stadt ist literaturfähig“

Lesezeit 8 Minuten

„Total verknallt“ in Köln und seine offenen und lebenslustigen Menschen: Die Schriftstellerin Mariana Leky.

Köln – Ihr Bestseller „Was man von hier aus sehen kann“ spielt im Westerwald. Im Interview mit Bernd Imgrund kommt die Schriftstellerin Mariana Leky aber vor allem auf ihre Heimatstadt Köln zu sprechen.

Gerade noch hat sie einer Schulklasse Rede und Antwort gestanden, jetzt ist die Rundschau an der Reihe. Gleich im Anschluss wiederum steht eine Lesung an – in Mariana Lekys Bestseller „Was man von hier aus sehen kann“ geht es da deutlich beschaulicher zu.

Wie sind Sie als Heranwachsende an Bücher gekommen?

Zum Teil in der Stadtbücherei am Neumarkt. Aber für Bücher haben meine Eltern auch gern was springen lassen, dafür musste ich kein Taschengeld opfern. In der Buchhandlung Kaiser auf der Dürener Straße bekam ich von der Buchhändlerin manchmal Leseexemplare. Die durfte ich dann behalten, wenn ich ihr im Gegenzug erzählte, wie ich das Buch fand.

Eher Karl May oder Hanni & Nanni?

Ich würde sehr gern „Karl May“ sagen, aber ehrlicherweise war es doch Hanni & Nanni. Mir haben auch Schinken wie Dolly gefallen, da konnte man sich so schön drin verlieren.

Karl May war zu wenig Liebe?

Damals schon. Später habe ich mal ein Karl-May-Hörspiel gehört und gedacht: Boah, hättest du damals mal lieber das gelesen.

Zur Person

Mariana Leky wurde 1973 in Köln geboren und wuchs in Lindenthal auf. Nach dem Abitur am Schiller-Gymnasium begann sie eine Buchhandelslehre und studierte ab 1993 Germanistik und Empirische Kulturwissenschaften in Tübingen. Beide Ausbildungen brach sie ab, um ab 1999 Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim zu belegen.

2001 wurde ihr Debüt „Liebesperlen“ veröffentlicht, ein Band mit Erzählungen. In der Folge brachte sie mehrere Romane heraus und gewann zahlreiche Preise und Stipendien. 2017 erschien dann der Roman „Was man von hier aus sehen kann“. Die im Westerwald spielende Geschichte entwickelte sich zu einem sensationellen Long- und Bestseller. Er stand 65 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde zum „Lieblingsbuch der Unabhängigen“ Buchhändler gekürt, in viele Sprachen übersetzt und verkaufte sich bislang an die 400 000 mal.

Mariana Leky wohnt mit ihrem Sohn in Berlin. Sie liest am Samstag, 4. Mai, ab 19 Uhr und um 21 Uhr in der Artothek.

Und worauf standen Sie in der Oberstufe?

Max Frisch: Stiller. Das war mein absoluter Favorit. Ich wollte ihn heiraten, also sowohl Stiller als auch Max Frisch.

Nicht Hermann Hesse, wie viele andere in dem Alter?

Mit dem hatte ich es nicht so. Den lasen alle, die ich ein bisschen doof fand. Tut mir im Nachhinein leid, aber bei Frisch schien es mir mehr darum zu gehen, was man als Schülerin für „Das Existentielle“ hält. Identifizieren konnte ich mich auch mit Sabeth aus Homo Faber, vor allem, weil ich damals auch so rote Haare hatte wie sie.

Gefärbt, nehme ich an.

Klar, Henna, Batikhose und so weiter, ich habe nichts ausgelassen. (lacht)

Poetische Begegnungen in Köln

In Lindenthal ist kneipenmäßig nicht viel los. Wo haben Sie sich damals rumgetrieben?

Ich war oft im LaLic am Rathenauplatz, eine Kellerdisco. Da taten wir cool, ohne das wirklich zu sein.

Haben Sie als Kölnerin auch einen Bezug zu Heinrich Böll?

In meinen Zwanzigern habe ich alles von ihm gelesen. Ich erinnere mich an den Tag, als die Nachricht von seinem Tod durch die Medien ging. Ich kam nach Hause, und meine Mutter weinte. Tränen tropften in ihren Kaffee.

Kaffee mit Schuss.

Sozusagen, ja. Ich dachte zunächst, es geht um einen Familienangehörigen, aber nein: Sie weinte um Heinrich Böll. Ich hatte gar nicht gewusst, dass meine Mutter ihn so gemocht hatte.

Zu Köln existieren zahllose Lokalkrimis, aber kein literarischer Großstadtroman à la Berlin Alexanderplatz. Ein Zufall?

Jetzt wo Sie es sagen: Das stimmt, schon seltsam. Soll ich das mal machen? (lacht)

Ist Köln vielleicht nicht literaturfähig?

Jede Stadt ist literaturfähig. Gerade in Köln habe ich immer sehr poetische Begegnungen.

Geografische oder menschliche?

Zweiteres. Zuletzt saß ich am Schreibtisch, es war tiefe Nacht, und ich hatte Durst. Gehe also runter zum Kiosk und greife mir irgendeine Flasche aus dem Regal, da sagt der Büdchenmann: „Junge Frau, dat is grüner Tee, da schlafen Sie diese Nacht aber nicht mehr.“ Das fand ich eine poetische Szene.

Mutter und Sohn halten zum FC Köln

Sie leben zur Zeit in Berlin. Kriegt man da einen anderen Blick auf die Heimatstadt?

Allerdings. Man ist total verknallt in Köln und möchte sofort wieder zurück. In Berlin rauschen die Leute eher aneinander vorbei. Ich kann nur die Klischees wiederholen: Die Menschen hier wirken im Ganzen offener und lebenslustiger.

Germanistik hätten Sie auch hier statt in Tübingen studieren können.

Mein Vater war auch in Tübingen und hat mir die Stadt empfohlen. Ich habe zu der Zeit immer gemacht, was mein Vater sagt, und es war auch wirklich schön in Tübingen.

Ist der Prenzlauer Berg, wo Sie wohnen, so schlimm, wie man liest?

Vor allem im Immobilienbereich, ja. Auf jedes Haus wird noch ein Loft gesetzt, viele Alteingesessenen müssen wegziehen, weil die Preise einfach unanständig geworden sind. Man bekommt im Prenzlauer Berg keine Kinderschuhe unter 85 Euro, und ich finde, das ist Grund genug, dort wegzuziehen.

Zu welchem Fußballverein halten Sie und Ihr inzwischen elfjähriger Sohn?

Zum 1. FC Köln, mein Sohn hat mich da angesteckt. Er ist häufig in Köln und sieht sich mit seiner Oma das Training der Profis am Geißbockheim an. Das ist eine echte, tiefe Liebe. Als der Modeste wegging, brach er in Tränen aus, und genauso, als Modeste wiederkam.

Was sehen Sie sich – jenseits der nächtlichen Büdchen – gerne an, wenn Sie heutzutage nach Köln zurückkommen?

Ich gehe vom Dom zum Rhein, Guten Tag sagen. Weil ich neuerdings einen Hund habe, spaziere ich gern durch den Stadtwald. Und ich liebe das Bauturm-Café, in dem ich früher schon oft gesessen habe. Früher habe ich da Mathe geschwänzt, heute schwänze ich andere Dinge.

Sie haben zwei Lehren und ein Studium abgebrochen. Waren Sie eine verkrachte Existenz?

Vielleicht drohte ich mal, eine zu werden. Das Germanistikstudium habe ich aber nur gelassen, weil Hanns-Josef Ortheil in Hildesheim den Studiengang Kreatives Schreiben einrichtete und mir vorschlug, mich da zu bewerben.

Wie würden Sie als Buchhändlerin einem Kunden Ihren Roman „Was man von hier aus sehen kann“ anpreisen?

Oh Gott, das kann ich nicht besonders gut! Wahrscheinlich würde ich furchtbar lange herumdrucksen und dann sagen: Es geht um Liebe und Tod und wie beides zusammengehört, und manchmal ist das Buch komisch, manchmal ziemlich traurig.

Die negativen Kritiken kommen mit dem Kitschvorwurf. Die positiven betonen, dass Sie nie in Kitsch abdriften. Aber das Wort „Kitsch“ fällt in Ihren Rezensionen fast jedes Mal. Warum wohl?

Ich weiß es nicht genau. Ich bin mir gar nicht sicher, was Kitsch ist. Vielleicht die Inszenierung eines großen Gefühls, ohne dass was dahintersteckt.

So wie beim „Bachelor“ und ähnlichen Formaten.

Genau. Ich weiß schon, dass ich manchmal nahe am Kitsch vorbeigeschrammt bin – vielleicht ist das auch nicht immer geglückt. Meistens kann man mit Komik eine Geschichte abfangen, bevor sie in die Kitschgrube fällt.

Okay, dann nach der schweren eine leichte Frage: Wie schreibt man einen Bestseller?

(lacht) Na, das ist ja ganz einfach, das mache ich jetzt immer.

Eine ernsthafte Antwort gibt es vermutlich nicht.

Nein, denn sonst würde ja jeder einen schreiben. Ich kann sagen, dass ich bei diesem Buch ein gutes Gefühl hatte. Im Sinne von: Besser kann ich nicht.

Irland ist ein Traumziel

Das Buch spielt im Westerwald, wo Ihre Großmutter wohnte und Ihre Familie ein Wochenendhaus besaß. Was ist das für eine Gegend?

Der Westerwald ist auf eine sehr malerische Weise hügelig. Es gibt tolle Wälder, und dort wohnen sehr nette Leute. Die sind eher still und zurückhaltend.

Das Personal Ihres Buches ist durchweg recht schrullig. Was ist Ihre offensichtlichste Schrulle?

Dass ich mich einfach nicht an Lesungen gewöhne. Ich hatte mit diesem Buch schon über 80 Auftritte, aber immer wieder aufs Neue bin ich davor furchtbar aufgeregt.

Dabei ist die Situation doch total überschaubar: Es geht um eine Frau und ein Buch.

(lacht) Ja, Sie haben völlig recht. Aber trotzdem . . .

Verbinden Sie mit dem Ferienhaus einen bestimmten Geruch?

Es roch immer ein bisschen nach feuchtem Holz, wenn wir länger nicht dagewesen waren. Und dann erinnere ich mich, dass meine Mutter sehr gern mit Knoblauch gekocht hat. Finger, die nach Knoblauch riechen, und die Kühe auf der Weide vorm Haus das hat sich mir eingeprägt.

Ihre Protagonisten kommt erst auf der letzten Seite heraus aus ihrem Westerwälder Dorf, sie fährt nach Australien. Wohin möchten Sie noch gern?

Wenn ich auf der letzten Seite rauskomme, möchte ich zum einen nach Toronto. Ich war noch nie da, aber während meines Stipendiums in Bamberg habe ich mich eng mit einem Kanadier angefreundet, der von der Stadt geschwärmt hat. Noch lieber aber möchte ich noch einmal nach Irland, nach Dublin. Das ist ein Traumziel von mir.