Köln – Der Landtagsabgeordnete und frühere Kölner DGB-Chef Andreas Kossiski (61, SPD) fordert bei der Oberbürgermeisterwahl am 13. September Amtsinhaberin Henriette Reker (63, parteilos) heraus. Auf einer Wahlkreiskonferenz der Kölner SPD im Bürgerzentrum Chorweiler wählten ihn am Samstag 71,3 Prozent der Delegierten zum OB-Kandidaten.
Er erhielt 184 von 258 abgegebenen Stimmen. Es gab 51 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen und vier ungültige Stimmen.Zuvor hatte der Rodenkirchener Bezirksbürgermeister Mike Homann (44) erst im letzten Moment seine Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt zurückgezogen. Nicht etwa vor oder zu Beginn der Versammlung, sondern erst nach einer flammenden, 20-minütigen Rede, in der Homann massive Kritik am Verfahren zur Kandidatenauswahl übte und schwere Vorwürfe gegen die Parteivorsitzende Christiane Jäger (55) erhob.
Kein faires Verfahren
Das Verfahren, sei nicht fair gewesen, es sei „weder solidarisch, noch gerecht“ abgelaufen, kritisierte Homann. Jäger ging auf die Kritik nicht ein. „Wir haben heute einen Oberbürgermeister-Kandidaten nominiert, mit dem wir jetzt mit aller Kraft und gemeinsam in den Wahlkampf gehen können. Das ist ein gutes Signal der Kölner SPD. Es ist viel zu tun da draußen in dieser Stadt“, erklärte sie nach der Wahl. Kossiski bedankte sich bei den Delegierten und kündigte an, bei „denjenigen, die ich noch nicht überzeugen konnte, da fange ich heute an“.
In seiner 25-minütigen Vorstellungsrede griff Kossiski die von CDU und Grünen unterstützte Henriette Reker scharf an. „Wir wollen den Kölnern eine Alternative bieten zu einer gescheiterten Amtsinhaberin. Sie hat fünf Jahre Stillstand zu verantworten. Diesen Zustand haben Köln und die Kölner keinen weiteren Tag verdient“, sagte Kossiski. Die Stadt brauche jetzt Lösungen für die drängenden Probleme, aber Reker kümmere sich nicht um die Sorgen der Menschen. „Deshalb trete ich an.“
Bezahlbarer Wohnraum und kostenfreie Bildung
Er werde sich als OB für bezahlbaren Wohnraum und kostenfreie Bildung einsetzen, den Gesamtschulen in Köln Priorität einräumen und „das Bündnis für Familien reaktivieren, das Frau Reker aufgekündigt hat“, versprach Kossiski. Auch für Arbeitnehmerrechte, den Erhalt von Industriearbeitsplätzen und eine ressourcenschonende Produktion will er sich stark machen.Klimaschutzmaßnahmen dürften nicht nur aus dem Blickwinkel der Wohlhabenden beschlossen werden. „Sie müssen auch denen nützen, die das Ende des Monats mehr fürchten als das Ende der Welt.“
Kossiski bekannte sich zu den Ausbauplänen des 1. FC Köln am Geißbockheim und warf Reker vor, sie habe den FC „durch wankelmütige Entscheidungen im Regen stehen lassen“. Als Polizist liege ihm das Thema Sicherheit am Herzen.
Er werde sich für mehr Veedelspolizisten, Sozialarbeiter und Streetworker einsetzen und in Brennpunktvierteln „genau hinsehen, wo es hakt“. Dafür werde er im Wahlkampf „in der ganzen Stadt auf Streife gehen“. In seiner Rede ging Kossiski auch auf andere Parteien zu. „Mit meiner Kandidatur reiche ich allen sozialen Demokraten innerhalb und außerhalb der SPD die Hand, um gemeinsam für Köln zu arbeiten.“
Schlechter als Reker abgeschnitten
Mit 71,3 Prozent Zustimmung seiner eigenen Partei schnitt Kossiski schlechter ab als die parteilose Reker. Sie war im September 2019 von den Grünen mit 77,2 Prozent Zustimmung als OB-Kandidatin nominiert worden, bei der CDU hatten sich 94,1 Prozent für sie ausgesprochen. Die im Juni 2019 zurückgetretene SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles war im April 2018 mit 66,4 Prozent Zustimmung gewählt worden.
Bei seiner Rede war Kossiski die Nervosität deutlich anzumerken. Zuvor hatte Homann in seiner Abrechnung mit Parteichefin Jäger sein Können als Redner demonstriert. Er wirkte geradezu befreit, sich den Frust von der Seele reden zu können. Den Vorwurf, mit seinem Auftritt spalte er die Partei weiter, wies er zurück. Früher habe es in der SPD „inhaltliche Flügelkämpfe gegeben, heute gibt es unterschiedliche Gruppen, die personelle Kämpfe austragen.
„Klima des Misstrauens“
Diese Gruppen besprechen in Hinterzimmern Dinge, von denen die jeweils andere Gruppe glaubt, dass sie hintergangen werden könnte“, sagte Homann. So schaffe man in der Partei „ein Klima des Misstrauens“. Das dürfe so nicht weitergehen. „Wenn wir von den Bürgern als ehrliche, als demokratische, als solidarische Partei wahrgenommen werden wollen, dann müssen wir uns auch intern daran halten.“ Für seinen Auftritt bekam Homann sowohl Beifall als auch Buhrufe. Als er am Ende erklärte, er verzichte auf seine Kandidatur, standen viele Genossen auf und applaudierten ihm.